Vom Desaster zum behandelbaren Tumor |
Hautkrebs wird über ein Screening beim Dermatologen diagnostiziert. Auffällige Hautveränderungen werden biopsiert und unter dem Mikroskop begutachtet. / Foto: Adobe Stock/WavebreakmediaMicro
Das maligne Melanom ist ein aggressiver, von den Melanin-bildenden Zellen (Melanozyten) ausgehender Tumor der Haut. Es entwickelt sich meist auf klinisch normaler Haut; bei etwa 30 Prozent der Patienten entsteht ein Melanom auf der Basis eines seit Langem bestehenden Muttermals. Es ist der Hauttumor mit der höchsten Metastasierungsrate und für mehr als 90 Prozent aller Sterbefälle an Hauttumoren verantwortlich.
Jährlich erkranken in Deutschland schätzungsweise 15 von 100.000 Menschen neu an einem malignen Melanom – bei deutlich steigender Inzidenz in den letzten Jahrzehnten. Dies ist einerseits einem zunehmend UV-exponierten Freizeitverhalten geschuldet, andererseits werden durch das 2008 etablierte Hautkrebs-Screening mehr Tumoren erkannt.
Die Erkrankung tritt meist erst im späteren Leben auf; bei Frauen durchschnittlich mit 67, bei Männern mit 60 Jahren. Bei zwei Dritteln wird das Melanom so früh erkannt, dass es operativ entfernt werden kann.
Diagnostiziert wird Hautkrebs über ein einfaches Screening beim Hautarzt. Regelmäßige Hautuntersuchungen auch in Form der Selbstkontrolle sind anzuraten, um Veränderungen frühzeitig zu erkennen. Bei der Einschätzung, ob ein Pigmentmal ärztlich untersucht werden sollte, hilft die ABCDE-Regel; danach sprechen folgende Kriterien für ein Melanom:
Als Risikofaktor für das maligne Melanom gilt in erster Linie die Exposition gegenüber Karzinogenen wie solarer und künstlicher UV-Strahlung, vor allem im Kindes- und Jugendalter. Durch Mutationen im Genom kommt es zur Aktivierung von Signalwegen, die wiederum zu einer unkontrollierten Zellteilung und zum Wachstum von Tumoren führen. Weitere Risikofaktoren sind:
Neben dem malignen Melanom (»schwarzer Hautkrebs«) gehört auch der »weiße Hautkrebs« zu den Tumoren der Haut. Anders als das Melanom beruht dieser nicht auf der Entartung von Melanozyten, sondern von epithelialen Zellen. Man unterscheidet kutane Plattenepithelkarzinome (veraltet Spinaliom) und Basalzellkarzinome (veraltet Basaliom).
Das Basalzell- und das Plattenepithelkarzinom treten sehr häufig auf, führen aber aufgrund eines geringeren Metastasierungsrisikos selten zum Tod. Das maligne Melanom ist seltener, aber aufgrund eines ausgeprägten Metastasierungsrisikos mit hoher Letalität assoziiert.
Wurde eine auffällige Hautveränderung festgestellt, muss eine Probe des Gewebes genommen und unter dem Mikroskop begutachtet werden. Anschließend wird das maligne Melanom in Stadien eingeteilt (Tabelle 1).
Stadium | Kriterien |
---|---|
0 | Tumor ist begrenzt und wenig aktiv (in situ) |
I | Tumordicke bis 2 mm ohne Ulzeration des Tumors (Oberfläche intakt), ulzerierte Melanome bis 1 mmkeine Absiedlungen (Metastasen) |
II | Tumordicke bis 2 mm mit Ulzeration des Tumors (Oberfläche nicht intakt)jeder Tumor mit einer Dicke über 2 mmkeine Metastasen |
III | fortgeschrittenes Stadium: jede Tumordicke mit Metastasen in nahe gelegene Hautbezirke oder Lymphknoten |
IV | jede Tumordicke mit Metastasen in ferne Hautbezirke, Lymphknoten oder Organe, zum Beispiel Leber, Lunge, zentrales Nervensystem, Skelett |
Wird der Krebs im ersten Stadium entdeckt, bestehen gute Möglichkeiten auf eine vollständige Heilung. Die Fünf-Jahres-Überlebensrate liegt bei 99,5 Prozent. Diese Rate sinkt jedoch in höheren Stadien und beträgt in Stadium IV etwa 35 Prozent; vor 20 Jahren betrug sie allerdings nur 25 Prozent.
Vor dem Jahr 2011 gab es abgesehen von der operativen Entfernung des Tumors und klassischen Zytostatika wie Dacarbazin nur wenige Behandlungsoptionen. In den letzten Jahren kamen aufgrund intensiver Forschung neue Medikamente zur Blockade verschiedener Signaltransduktionswege und die Immuncheckpoint-Inhibitoren hinzu.
Bei der Immuntherapie regt man das körpereigene Immunsystem an, Tumorzellen selektiv zu erkennen und zu beseitigen. Dieser Ansatz nutzt die intrinsische Fähigkeit des Immunsystems, zwischen körpereigen und körperfremd zu unterscheiden, und bietet eine zielgerichtete und möglicherweise dauerhafte Behandlungsstrategie gegen Tumoren. Hatte die durchschnittliche Lebenserwartung bei nicht resektabler Erkrankung in der Dacarbazin-Ära bei sechs bis neun Monaten gelegen, so lässt sie sich mit Immuntherapeutika auf 23 bis 25 Monate erhöhen.
Die einzige kurative Behandlung des malignen Melanoms ist die vollständige operative Entfernung unter Einhaltung eines Sicherheitsabstands. Bei Metastasierung kommen unterstützend auch Radiotherapie und Medikamente zum Einsatz. / Foto: Getty Images/JazzIRT
Welche Art der Therapie eingesetzt wird, hängt vom Stadium und damit von der Ausbreitung der Erkrankung, dem Vorliegen von Genmutationen und Begleiterkrankungen ab. Grundsätzlich gilt jedoch: Die einzige kurative Behandlung des malignen Melanoms ist die vollständige operative Entfernung unter Einhaltung eines Sicherheitsabstands (abhängig von der Tumordicke). Erst bei Metastasierung kommen neben den operativen Verfahren unterstützend auch Radiotherapie und Medikamente zum Einsatz.
Adjuvante Strahlentherapie: Liegen bei der erkrankten Person spezielle Risikofaktoren für ein Rezidiv vor oder mussten bei der Operation regional befallene Lymphknoten entfernt werden, wird im Anschluss, sofern keine weiteren Metastasen vorliegen, eine adjuvante Strahlentherapie empfohlen. Dies kann das Rückfallrisiko reduzieren und eine bessere regionale Kontrolle des Tumors bewirken. Nach bisherigen Erkenntnissen hat die Radiatio keinen Einfluss auf die Überlebenszeit und kann zu Nebenwirkungen wie einem Lymphstau führen.
Therapie der Wahl bei sogenannten Satellitenmetastasen und In-transit-Metastasen, also regionären Tumorabsiedlungen, ist eine operative Entfernung. Diese ist nur möglich, wenn keine Fernmetastasen vorliegen. Bei Inoperabilität können zwei andere Verfahren zur Anwendung kommen. Das sind die lokale Anwendung von Interleukin-2 (IL-2) und die Elektrochemotherapie.
Interleukine sind Botenstoffe, die von körpereigenen Abwehrzellen sezerniert werden und der Regulation des Immunsystems dienen. Im Labor hergestelltes IL-2 wird teilweise zur Behandlung von fortgeschrittenen Melanomen verwendet, da es in hohen Dosen intratumoral injiziert zum Schrumpfen des Tumors führen kann. Die Therapie mit IL-2 verlängert das rezidivfreie, leider aber nicht das Gesamtüberleben. Bisher kommt der Wirkstoff kaum zum Einsatz, da die Immuncheckpoint-Inhibitoren besser wirksam sind und tendenziell weniger Nebenwirkungen haben.
Ebenso effektiv wie die Therapie mit IL-2 ist die Elektrochemotherapie. Hierbei wird über einen intraläsionalen Applikator ein Zytostatikum wie Bleomycin oder Cisplatin in Kombination mit kurzen elektrischen Impulsen gegeben. Die Zellmembranen werden durch die elektrischen Impulse für Zytostatika durchlässig, was zu einer höheren Aufnahme in die Tumorzellen führt.
Ab Stadium III des malignen Melanoms, das heißt wenn zusätzlich zum Primärtumor auch Lymphknoten metastatisch befallen sind, kommen neben der Resektion die sogenannten Checkpoint-Inhibitoren zum Einsatz. Diese Klasse von monoklonalen Antikörpern hemmt die sogenannten Immuncheckpoints und aktiviert dadurch die intrinsische Anti-Tumor-Immunantwort von T-Zellen (Abbildung 1). Die Immuntherapie beim Melanom wirkt unabhängig davon, ob eine spezielle Genmutation im Tumor des Patienten vorliegt.
Hauptziele der Checkpoint-Inhibitoren sind das Programmed Death Protein 1 (PD-1) und das Cytotoxische T-Lymphozyten-assoziierte Protein 4 (CTLA-4) sowie das Lymphozyt-Aktivierungsgen 3 (LAG-3). Während PD1- und CTLA-4-Inhibitoren bereits in der Klinik angekommen sind, ist ein LAG-3-Inhibitor in der EU zugelassen, aber in Deutschland nicht verfügbar.
Ipilimumab (Yervoy®) wurde vor mehr als zehn Jahren als erster Checkpoint-Inhibitor für die Therapie des malignen Melanoms zugelassen. Er blockiert CTLA-4 auf der Oberfläche von T-Zellen (Abbildung 1, unten). Physiologisch vermindert die Bindung der Liganden CD80 und CD86 an CTLA-4 die Proliferation von aktivierten T-Zellen und verhindert so eine Überreaktion des Immunsystems.
Abbildung 1: Molekulare Angriffspunkte von Checkpoint-Inhibitoren; diese hemmen die sogenannten Immuncheckpoints und aktivieren dadurch die intrinsische Anti-Tumor-Immunantwort von T-Zellen. Bei malignem Melanom sind nur Ipilimumab, Pembrolizumab und Nivolumab zugelassen (rot markiert). / Foto: PZ/Stephan Spitzer
PD-1: Programmed Death 1; PD-L1: Programmed Death-Ligand 1; CD28: Cluster of Differentiation 28; MHC: Major Histocompatibility Complex; B7: B7-Protein; CTLA-4: Cytotoxic T-Lymphocyte-associated Protein 4
In der Tumortherapie wird dieser Mechanismus genutzt, um durch CTLA-4-Blockade eine verstärkte Immunantwort auszulösen. Ein Nachteil der Behandlung ist, dass es zu Autoimmunreaktionen kommt. Dies wiederum kann Dermatitis, Enterokolitis oder Endokrinopathie zur Folge haben.
Wird der Wirkstoff als Monotherapie intravenös angewandt, so ergibt sich bei nicht resezierbaren oder metastasierten Melanomen eine Fünf-Jahres-Überlebensrate von 26 Prozent und ein progressionsfreies Überleben nach fünf Jahren von 8 Prozent (Tabelle 2). Es ist wichtig, das Tumoransprechen erst nach Abschluss von vier Behandlungszyklen zu bewerten, da das Ansprechen auf Ipilimumab mit bis zu drei Monaten Verzögerung eintreten kann.
Hinweis: Der CTLA-4-Antikörper Tremelimumab ist bei bestimmten Formen von Leber- und Lungenkrebs zugelassen, aber nicht beim malignen Melanom.
Parameter | Anti-CTLA-4 | Anti-PD-1 | Kombination Anti-CTLA-4 und Anti-PD-1 | Kombination Anti-CTLA-4 und Anti-PD-2 | Kombination Anti-CTLA-4 und Anti-PD-3 | Kombination Anti-CTLA-4 und Anti-PD-4 |
---|---|---|---|---|---|---|
Ipilimumab | Pembrolizumab¹ | Nivolumab | Ipilimumab (3 mg/kg) plus Nivolumab | Ipilimumab (1 mg/kg) plus Pembroli-zumab² | Ipilimumab (1 mg/kg) plus Nivolumab | |
minimale/mittlere Nachuntersuchung der gemeldeten Daten (Monate) | 60 | 57,7 | 60 | 60 | 36,8 | 18,8 |
partielles Ansprechen (radiologisch) (Prozent) | 19 | 46 | 45 | 58 | 62 | 45,6 |
vollständiges Ansprechen (Prozent) | 6 | NV | 19 | 22 | 28 | 15 |
mittleres PFS (Monate) | 2,9 | 11,6 | 6,9 | 11,5 | NE | 9,9 |
mittleres OS (Monate) | 19,9 | 38,7 | 36,9 | NE (>60) | NE | NE |
Meilenstein PFS (Prozent) | ||||||
1 Jahr | NV | NV | NV | NV | 69 | 47 |
3 Jahre | 10 | 33 | 32 | 39 | 59 | NV |
5 Jahre | 8 | NV | 29 | 36 | NV | NV |
Meilenstein OS (Prozent) | ||||||
1 Jahr | NV | NV | NV | NV | 89 | 80 |
3 Jahre | 34 | 51 | 52 | 58 | 73 | NV |
5 Jahre | 26 | 43 | 44 | 52 | NV | NV |
Intrakranielle Aktivität bei therapienaiven asymptomatischen Hirnmetastasen | ||||||
Ansprechrate (Prozent) | 10 | 22 | 21 | 56 | – | – |
PFS nach 6 Monaten (Prozent) | NV | NV | 21 | 60 | – | – |
NE: nicht erreicht; NV: nicht verfügbar; OS: Gesamtüberleben (overall survival); PFS: progressionsfreies Überleben
(1) Daten beschränken sich auf Patienten unter Erstlinienbehandlung (66 Prozent der Studienpopulation).
(2) 13 Prozent der mit der Kombination behandelten Patienten waren systemisch vorbehandelt.
Pembrolizumab (Keytruda®) und Nivolumab (Opdivo®) wurden 2015 in Europa zugelassen und zielen auf den PD-1-Rezeptor auf T-Zellen ab (Abbildung 1, oben). Unter physiologischen Bedingungen binden die Liganden PD-L1 oder PD-L2 an den PD-1-Rezeptor, wodurch die T-Zelle eine Aktivitätsminderung erfährt und so eine Überaktivierung des Immunsystems verhindert wird. Tumorzellen können diesen Mechanismus »ausnützen« und sich durch Expression von PD-L1 vor der Eradikation durch das Immunsystem schützen.
Die Antikörper Nivolumab und Pembrolizumab blockieren den PD-1-Rezeptor und verhindern dessen Interaktion mit PD-L1 und PD-L2. Durch die Blockade der Interaktion zwischen PD-1 und PD-L1/PD-L2 werden Tumorabwehrreaktionen potenziert.
Alle Checkpoint-Inhibitoren werden intravenös appliziert. / Foto: Adobe Stock/eyetronic
Kurz nach der Zulassung der PD-1-Antikörper zeigte die CheckMate-067-Studie, dass die Kombination von Nivolumab und Ipilimumab zu einer deutlich besseren Ansprechrate und einer synergistischen Anti-Tumoraktivität führt (Tabelle 2). Auch die Gesamtüberlebensrate liegt nach fünf Jahren für die Kombination signifikant höher (52 Prozent) als bei Monotherapie mit Nivolumab (44 Prozent). Eine Erstlinientherapie mit Nivolumab ist allerdings wirksamer als eine Monotherapie mit Ipilimumab. Die Kombination der beiden Wirkstoffe ist mit stärkeren immunvermittelten Nebenwirkungen assoziiert, die mit adäquater Behandlung meist reversibel sind.
Die meisten immunvermittelten Nebenwirkungen können durch Verlängerung der Applikationsintervalle oder Absetzen der Antikörpertherapie und Gabe parenteraler Corticosteroide kontrolliert werden. Leichte bis mäßige kutane Toxizitäten können topisch behandelt werden und erfordern in den meisten Fällen keine Unterbrechung der Therapie.
Die Endokrinopathien, am häufigsten Thyreoiditis und Hypophysitis und seltener Typ-1-Diabetes, sind besonders zu nennen, da eine Immunsuppression in einem solchen Fall, zum Beispiel mit Corticosteroiden, einen dauerhaften Hormonmangel anscheinend nicht verhindert. In den meisten Fällen ist dann eine lebenslange Hormonersatztherapie erforderlich.
Seit 2012 sind in Deutschland neben den Checkpoint-Inhibitoren auch die gegen mutiertes BRAF gerichteten Inhibitoren Vemurafenib, Dabrafenib und Encorafenib für die Therapie des metastasierten, nicht resezierbaren Melanoms zugelassen und kommen bei Nachweis der entsprechenden Mutation im BRAF-Gen zur Anwendung. Alle drei werden peroral gegeben.
Die BRAF-Inhibitoren greifen in den RAS-RAF-Signalweg ein, der an der Steuerung des Zellwachstums beteiligt ist (Abbildung 2). Mutierte Formen des BRAF-Proteins können eine Überaktivität des Signalwegs hervorrufen und damit zu unkontrolliertem Zellwachstum und Krebs führen. Mutationen treten bei etwa der Hälfte aller Melanome auf und führen am häufigsten zu einem Austausch der Aminosäure Valin gegen Glutaminsäure (V600E) an Position 600 der BRAF-Aminosäuren-Sequenz.
Abbildung 2: Intrazelluläre Signaltransduktionswege, ausgehend von membranständigen Rezeptor-Tyrosinkinasen (RTK) an der Tumorzelle. Mutationen können den RAS-RAF-MEK-Signalweg überaktivieren, was zu unkontrolliertem Zellwachstum und Krebs führen kann. BRAF- und MEK-Inhibitoren greifen hier ein und hemmen das Überleben der Tumorzellen. BRAF-V600 ist eine dauerhaft aktive Mutante. / Foto: PZ/Stephan Spitzer
Eine Studie zeigte 2011, dass Vemurafenib im Vergleich zu dem klassischen Chemotherapeutikum Dacarbazin das Sechs-Monats-Gesamtüberleben von 64 Prozent (Dacarbazin) auf 84 Prozent verlängerte. Zudem sprachen rund 48 Prozent der Patienten auf Vemurafenib an, aber nur 5 Prozent auf Dacarbazin. Dabrafenib zeigt eine ähnlich gute Wirksamkeit im Vergleich zu Dacarbazin. Encorafenib wiederum zeigte eine höhere Wirksamkeit im Vergleich zu Vemurafenib in der Columbus-Studie.
Die Wirkung von BRAF-Inhibitoren kann durch eine Kombination mit MEK-Inhibitoren wie Binimetinib (mit Encorafenib), Cobimetinib (mit Vemurafenib) oder Trametinib (mit Dabrafenib) weiter gesteigert werden. MEK-Inhibitoren greifen wie die BRAF-Inhibitoren in den RAS-RAF-Signalweg ein, indem sie an MEK1 und MEK2 binden (Abbildung 2, rechts). Dadurch unterbrechen sie den Signalweg distal von BRAF und führen zum Abbruch der Proliferation der Tumorzellen. Trametinib ist auch in der Monotherapie zugelassen, zeigt allerdings keine klinische Aktivität bei Patienten, deren Erkrankung unter einer vorhergehenden Therapie mit einem BRAF-Inhibitor fortgeschritten ist.
Erkrankte mit hoher Tumorlast profitieren besonders stark von der Behandlung mit BRAF-Inhibitoren. Leider ist die Dauer des Ansprechens aufgrund der Entwicklung von Resistenzmechanismen begrenzt und beträgt nur fünf bis sieben Monate.
Liegt keine Mutation des BRAF-Gens vor (BRAF Wildtyp), so werden die zuvor besprochenen Checkpoint-Inhibitoren wie Pembrolizumab angewendet. Eine zurzeit noch aktive Studie zeigt, dass deren Einsatz auch bei einer BRAF-Mutation einen großen Nutzen hat.
In der Erstlinientherapie des fortgeschrittenen Melanoms mit BRAF-Mutation betrug das durchschnittliche Drei-Jahres-Gesamtüberleben 41 Prozent für die Kombination von BRAF- und MEK-Inhibitoren, 50 Prozent für die Monotherapie mit einem PD-1-Inhibitor und 59 Prozent für die mit CTLA-4- plus PD-1-Inhibitor. Beim progressionsfreien Überleben und Gesamtüberleben war die kombinierte BRAF-plus-MEK-Hemmung allerdings innerhalb der ersten zwölf Monate überlegen, für die späteren Zeitpunkte jedoch waren es die PD-1-Blocker (allein oder in Kombination mit CTLA-4-Blocker).
Bei 5 Prozent der Melanome findet sich statt einer BRAF-Mutation eine aktivierende c-KIT-Mutation, die mit Imatinib behandelt werden kann. Dieser Tyrosinkinase-Inhibitor wird hauptsächlich bei chronisch myeloischer Leukämie, aber auch bei soliden malignen Tumoren verwendet. Dabei bindet er reversibel an die ATP-Bindestelle der Tyrosinkinase und hemmt so deren Aktivität, wodurch die pathologische Zellproliferation der mutierten Stammzellen inhibiert wird.
Alternativ zu einer Immuntherapie können die Ärzte Melanompatienten mit inoperablen Metastasen auch die lang etablierte, aber letztlich weniger wirksame systemische Monochemotherapie mit Dacarbazin anbieten. Dieses früher am häufigsten bei metastasierten Melanomen verwendete Zytostatikum galt eine Zeit lang als Referenz in vielen Studien.
Die Auswahl der geeigneten Therapie sollten Arzt und Patient gemeinsam festlegen. / Foto: Adobe Stock/Gina Sanders
Dacarbazin wirkt, indem die Alkylgruppe des Zytostatikums an die DNA bindet und eine strukturelle Modifikation bewirkt. Die DNA ist für beteiligte Enzyme, zum Beispiel die DNA-Polymerase, unlesbar, wodurch eine weitere DNA-Synthese unterbleibt. Da sich Tumorzellen langsamer regenerieren als Körperzellen, ist eine Chemotherapie in Zyklen relativ schonend für körpereigene Zellen und reduziert die Tumormasse.
Basierend auf den zugelassenen Behandlungsmöglichkeiten für das maligne Melanom müssen zwei Entscheidungen getroffen werden:
Hierfür müssen verschiedene Faktoren berücksichtigt werden. Die Tabelle 3 soll bei der Entscheidungsfindung helfen. Die Indikationen schließen sich gegenseitig nicht aus, da bei der Entscheidung für eine Erstlinientherapie mehrere Krankheits- und Patientenfaktoren berücksichtigt werden müssen. Letztere beziehen sich vor allem auf das potenzielle Risiko von immunbedingten Nebenwirkungen, auf die individuellen Wünsche des Patienten sowie die Interpretationen des Nutzen-Risiko-Verhältnisses einer Mono- gegenüber einer Kombitherapie.
In der Regel wird die Therapie mit Checkpoint- beziehungsweise Kinase-Inhibitoren bis zum Voranschreiten der Tumorerkrankung fortgeführt oder, wenn dies nicht eintritt, über einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren.
Parameter | Anti-PD-1-Monotherapie | Kombination Anti-CTLA-4 und Anti-PD-1 | |
---|---|---|---|
PD-L1-Expression | positiv | negativ | |
BRAF-Mutationsstatus | BRAF-WildtypBRAFV600K-Mutation | BRAFV600E-Mutation | |
ursprüngliche Lokalisation oder Histologie | Bindegewebe | Schleimhaut, Akren betreffende Lokalisation | |
betroffene Organe | Haut, Lymphknoten, Lunge | Leber, Gehirn | |
Serum-Laktat-Dehydrogenase | normal | erhöht | |
Krankheitslast oder Symptome | niedrig | hoch | |
Patientenfaktoren | Komorbiditäten und verminderte physiologische Reserve, Barrieren in der Kommunikation mit dem behandelnden Team und Compliance, eingeschränkter Zugang zu stationärer Krankenhausversorgung: allesamt mit erhöhtem Risiko immunvermittelter Nebenwirkungen einhergehend | – |
Nach erfolgreichem Abschluss der Behandlung sollte ein erneutes Wachsen von Melanomen oder Metastasen frühzeitig erkannt und entsprechend reagiert werden. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Tumor zurückkehrt, ist in den ersten fünf Jahren am höchsten. Eine regelmäßige Selbstuntersuchung sowie ärztliche Kontrolle sind essenziell in der Nachsorge.
Eine Neuentwicklung ist das im September 2022 zugelassene Relatlimab. Der Antikörper richtet sich gegen das Lymphozyt-Aktivierungsgen-3-Protein (LAG-3-Protein), einen weiteren Immuncheckpoint.
In der Mikroumgebung des Tumors werden Tumorantigene durch MHC-II-Moleküle auf dendritischen Zellen und Makrophagen präsentiert, die von T-Zell-Rezeptoren der T-Zellen erkannt werden und zu deren Aktivierung führen. Die Aktivierung von T-Zellen führt bei Melanomen und einigen anderen Tumorarten zu einer erhöhten Expression von LAG-3-Protein. Dieses bindet an MHC-II und hemmt dadurch die Interaktion zwischen MHC-II und T-Zell-Rezeptoren. Infolgedessen wird die T-Zell-Aktivierung gehemmt. Dies behindert die Fähigkeit des Immunsystems, Tumorzellen zu eliminieren. Die Blockade von LAG-3-Protein mit Relatlimab wirkt der Hemmung der Immunantwort entgegen.
Eine Kombination von Relatlimab und Nivolumab zeigte in der Relativity-047-Studie eine signifikante Verlängerung des progressionsfreien Überlebens von 10,2 Monaten im Vergleich zu einer Monotherapie mit Nivolumab (4,6 Monate). An der Studie nahmen Patienten mit zuvor unbehandeltem, inoperablem oder metastasiertem Melanom teil. Die Hälfte erhielt alle vier Wochen intravenös 480 mg Nivolumab plus 160 mg Relatlimab, die andere Hälfte bekam Nivolumab allein. Nach zwölf Monaten waren 48 Prozent der Patienten unter der Kombinationstherapie gegenüber 36 Prozent unter Nivolumab-Monotherapie progressionsfrei.
Dementsprechend erteilte die EMA 2022 eine Zulassung für die Wirkstoffkombination Relatlimab/Nivolumab. Der Hersteller Bristol Myers Squibb entschied jedoch, die Fixkombination vorerst nicht auf dem deutschen Markt einzuführen. Die Ursache liegt in den aktuellen AMNOG-Regularien und dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz.
In klinischer Testung befinden sich personalisierte Impfstoffe gegen Melanome, zum Beispiel mRNA-4157 (V940), der auf einzigartige Tumormutationen individueller Patienten abzielt. Der Impfstoff besteht aus einem mRNA-Molekül, das für bis zu 34 verschiedene tumorspezifische Neo-Antigene codiert. Diese werden auf Grundlage individueller Tumormutationen des Patienten ausgewählt, die sich aus der Sequenzanalyse von Tumorbiopsien ergeben.
Nach intramuskulärer Applikation des Impfstoffs wird die mRNA im Patienten translatiert. Die daraus resultierenden Peptide werden von dendritischen Zellen verarbeitet und dem Immunsystem auf MHC-II-Molekülen präsentiert, wodurch Anti-Tumor-Immunreaktionen ausgelöst werden. Diese aktive Immunisierung zeigt eine gute Verträglichkeit; unerwünschte Ereignisse sind im Allgemeinen überschaubar und vorübergehend.
Der Neoantigen-Impfstoff mRNA-4157 (V940) in Kombination mit Pembrolizumab verlängerte bei Patienten mit reseziertem Hochrisiko-Melanom im Stadium III/IV signifikant und klinisch bedeutsam das rezidivfreie Überleben und reduzierte zudem das Risiko von Rezidiv oder Tod um 49 Prozent im Vergleich zur Monotherapie mit Pembrolizumab. Durch die Kombination wird das Immunsystem gegen Melanome »entfesselt«, das heißt: Es ist in verstärkter Weise dazu in der Lage, Tumorzellen mit Neoantigenen (besonders solche, gegen die geimpft wurde) zu erkennen und zu eliminieren.
Sowohl die FDA als auch die EMA bewerteten die Ergebnisse der Phase-II-Studie als Therapiedurchbruch und erteilten dem weiteren Zulassungsverfahren einen Prime Status.
Ein weiterer bedeutender Fortschritt für Patienten mit malignem Melanom ist die Entwicklung von Talimogen laherparepvec. Das Virus wurde 2015 in Deutschland als erstes onkolytisches Virus zur Therapie des fortgeschrittenen malignen Melanoms zugelassen.
Talimogen laherparepvec ist ein rekombinantes modifiziertes Herpes-simplex-Virus vom Typ 1, das genetisch so verändert wurde, dass es bevorzugt Tumorzellen infiziert und sich dort verstärkt vermehrt. Das Virus wird direkt in das betroffene Gewebe injiziert und löst durch seine massive Vermehrung das Zugrundegehen der Tumorzellen aus. Die Zellen lysieren und setzen dabei nicht nur neu gebildete Viren frei, sondern auch Tumorantigene, wodurch eine lokale und eine systematische Immunantwort ausgelöst werden.
Allerdings gibt es bisher keine Studien, die den Zusatznutzen von Talimogen laherparepvec gegenüber Vergleichstherapien belegen. Die Ergebnisse zeigten aber, dass Talimogen laherparepvec die Wirksamkeit von Checkpoint-Inhibitoren verbessern kann.
Die Entwicklung von Immuncheckpoint-Inhibitoren und Kinase-Hemmern hat sich als bahnbrechend herausgestellt und die Behandlung des malignen Melanoms revolutioniert. Eine fast aussichtslose und meist tödliche Diagnose wurde so zu einer, bei der ein erheblicher Teil der Erkrankten geheilt werden kann.
Insgesamt konnten klinische Studien ein anhaltendes Ansprechen und längeres Überleben bei Patienten mit fortgeschrittenem Melanom zeigen, die sowohl in Monotherapie als auch in Kombinationstherapie mit Checkpoint-Inhibitoren behandelt wurden. Die Ansprechraten variieren, können aber beträchtlich sein, insbesondere bei Tumoren, die hohe PD-L1-Spiegel exprimieren, oder bei einer hohen Tumormutationslast.
Die modernen Therapeutika können das Leben vieler Patienten mit fortgeschrittenem Melanom verlängern, aber heilen können sie sie nicht. / Foto: Adobe Stock/rainbow33
Allerdings sind Checkpoint-Inhibitoren nicht ohne Herausforderungen. Es können immunvermittelte Nebenwirkungen auftreten, die von leichten dermatologischen und gastrointestinalen Toxizitäten bis zu schweren und potenziell lebensbedrohlichen Ereignissen reichen, die Haut, Gastrointestinaltrakt, Leber sowie endokrine und andere Organe betreffen. Die frühzeitige Erkennung und Behandlung dieser Nebenwirkungen sind unerlässlich, um die Morbidität zu minimieren.
Trotz aller Fortschritte schreitet das maligne Melanom bei zwei Dritteln der Patienten nach der Antikörpertherapie weiter fort und die Hälfte aller Patienten mit fortgeschrittenem Melanom stirbt daran. Daher konzentrieren sich Wissenschaftler auf die Erforschung neuartiger Therapien, zum Beispiel Checkpoint-Inhibitor-basierte Kombinationen mit zielgerichteten Wirkstoffen oder anderen immunmodulatorischen Wirkstoffen. So sollen Resistenzen überwunden und die immunvermittelten Nebenwirkungen minimiert werden. Es bestehen gute Aussichten, die Wirksamkeit und Sicherheit von Checkpoint-Inhibitoren im Kampf gegen Krebs weiter zu verbessern.
Peter Ruth studierte Pharmazie an der ETH Zürich und der Universität Heidelberg und wurde 1985 dort promoviert. Nach Tätigkeit in der Krankenhausapotheke des Bundeswehrzentralkrankenhauses in Koblenz und Postdoc-Aufenthalten habilitierte er sich im Fach Pharmakologie und Toxikologie an der Medizinischen Fakultät der TU München und war dort als C3-Professor tätig. 2001 erhielt er den Ruf auf den Lehrstuhl für Pharmakologie, Toxikologie und Klinische Pharmazie am Pharmazeutischen Institut der Universität Tübingen.
Katharina Sander hat an der Eberhardt-Karls-Universität Tübingen Pharmazie studiert und erhielt Anfang dieses Jahres die Approbation. Gleichzeitig schloss sie ihr Masterstudium mit einer Masterarbeit unter der Ägide von Professor Dr. Lutz Heide mit dem Titel »Studie zur Qualität von Arzneimitteln aus Nigeria« ab. Sie arbeitet in einer öffentlichen Apotheke in Ostfildern.