Vogelgrippe nimmt dramatische Ausmaße an |
Christina Hohmann-Jeddi |
13.02.2023 12:30 Uhr |
Die Experten halten es für möglich, dass sich das H5N1-HPAI-Virus noch weiter ausbreitet: bis auf die letzten bisher noch nie betroffenen Kontinente Antarktis und Australien. Es sei schon so weit in den Süden Südamerikas vorgedrungen, dass es auch die Artenvielfalt der Antarktis bedrohen könne, sagte Brown. Das Virus könne so ziemlich jede Vogelart befallen, auf die es treffe – »das ist eine neue Dimension« – und sei zudem unberechenbar, wie Höfle anfügte: Es befalle Arten, die vorher nicht betroffen gewesen seien, darunter auch einige bedrohte Arten, und habe bereits ganze Vogelkolonien ausgelöscht. »Wir erwarten einen großen Effekt auf die Artenvielfalt.«
Um die Verbreitung einzuschränken, sei enges Monitoring von Wildvögeln und Geflügel nötig sowie das Keulen von infizierten Geflügelbeständen, sagte Brown. Zudem müsse man den Kontakt zwischen Wildvögeln und Geflügel weitestgehend einschränken, um Eintragungen des Virus in Zuchtfarmen zu verhindern. Auch Impfungen gegen H5N1 bei Geflügel seien eine Option. Diese würden in einigen Teilen der Welt schon seit etwa 15 Jahren genutzt. In Europa und Nordamerika werde ein möglicher Einsatz diskutiert, auf dem Gebiet werde auch intensiv geforscht.
Während die eine Pandemie ihrem Ende entgegentrudelt, ist die nächste bereits in vollem Gange. Man kann von Glück sagen, dass die H5N1-Pandemie zurzeit nahezu ausschließlich unter Vögeln grassiert, denn dieses Grippevirus übertrifft SARS-CoV-2, was die Tödlichkeit anbelangt, bei Weitem. Allzu groß kann die Erleichterung darüber aber nicht sein, denn abgesehen von den dramatischen Auswirkungen, die diese Pandemie für Vogelpopulationen auf der ganzen Welt hat, ist sie auch ein Warnschuss für uns Menschen – und zwar ein sehr lauter. Denn es bestehen erhebliche Zweifel daran, ob wir unsere Lektion aus der Covid-19-Pandemie gelernt haben. Sicher: Die Entwicklung von Impfstoffen gegen neue Erreger würde dank der nun schon etablierten mRNA-Technologie schneller gehen. Aber wie sähe es aus mit der Akzeptanz dieser Impfstoffe (in den Industrienationen) und ihrer gerechten Verteilung (global)? Wäre es überhaupt wieder möglich, Eindämmungsmaßnahmen wie Kontaktbeschränkungen und Maskenpflicht zu verhängen, oder würde das am gesellschaftlichen Widerstand scheitern? Wir alle können nur hoffen, dass sich Fragen wie diese noch möglichst lange nur theoretisch stellen.
Annette Rößler, Redakteurin Pharmazie