| Theo Dingermann |
| 01.10.2024 13:00 Uhr |
Vor allem für Säuglinge können Infektionen mit dem Respiratorischen Synzytial-Virus (RSV) gefährlich werden. Ziresovir ist ein neues Virostatikum, das für den Einsatz bei diesen Patienten bestimmt ist. / Foto: Getty Imasges/Sergey Novikov/Ripicts.com
RSV ist eine der Hauptursachen für schwere Atemwegserkrankungen bei Säuglingen, für die es derzeit nur begrenzte Behandlungsmöglichkeiten gibt. Durch eine aktive Immunisierung lassen sich Säuglinge wegen des noch nicht ausgereiften Immunsystems nicht schützen. Daher stehen bisher für diese Patientengruppe hauptsächlich monoklonale Antikörper, darunter Palivizumab (Synagis®) und Nirsevimab (Beyfortus®), zur passiven Immunisierung zur Verfügung.
Die Ergebnisse einer multizentrischen, doppelblinden, randomisierten, placebokontrollierte Phase-III-Studie, die an 30 Standorten in 28 Krankenhäusern in China durchgeführt wurde, lassen hoffen, dass diese Behandlungsoption bald durch das Virostatikum Ziresovir ergänzt werden könnte. Die Ergebnisse dieser Studie wurden jetzt im Fachjournal »New England Journal of Medicine« publiziert.
Ziresovir ist ein selektiver, oral verfügbarer RSV-Fusionsinhibitor, der an das F-Protein in der Virushülle bindet und so das Verschmelzen der Hülle mit der Zellmembran von Lungenzellen verhindert. Ebenso unterbindet Ziresovir die Bildung von Synzytien, also mehrkernigen Riesenzellen, die durch ein Verschmelzen infizierter Zellen mit benachbarten Zellen des Lungengewebes entstehen.
Die Studie hatte 244 Teilnehmer im Alter von 1 bis 24 Monaten (median 6,3 Monate), die mit virologisch bestätigten RSV-Infektionen ins Krankenhaus eingeliefert wurden. Die Patienten wurden nach dem Zufallsprinzip auf zwei Gruppen aufgeteilt: 164 von ihnen erhielten Ziresovir über fünf Tage alle zwölf Stunden in Dosen von 10 mg, 20 mg oder 40 mg je nach Körpergewicht, der Rest erhielt Placebo-Infusionen.
Als primärer Endpunkt hatten die Forschenden die Veränderung des Wang-Bronchiolitis-Scores vom Ausgangswert bis zum dritten Tag nach Beginn der Therapie festgelegt. Dieser Score ist ein Maß zur Beurteilung der Schwere der Anzeichen und Symptome einer Bronchiolitis. Die Skala reicht von 0 bis 12, wobei höhere Werte einer schwereren Symptomatik entsprechen. Einschränkend sei erwähnt, dass dieser Score nicht abschließend validiert ist. Wichtigster sekundärer Endpunkt war die Abnahme der Viruslast am Tag 5 nach Beginn der Therapie.
Ziresovir senkte den Wang-Bronchiolitis-Score innerhalb von drei Tagen signifikant um –3,4 Punkte, während er in der Placebogruppe über den gleichen Zeitraum um –2,7 Punkte abnahm. Auch die RSV-Viruslast am Tag 5 hatte in der Verumgruppe mit –2,5 log10 Kopien/ml im Vergleich zur Placebogruppe mit –1,9 log10 Kopien/ml signifikant stärker abgenommen. Diese positiven Effekte wurden in den verschiedenen Untergruppen konsistent beobachtet. Das galt auch für Teilnehmende mit sehr hohen Ausgangswerten und solchen, die sechs Monate alt oder jünger waren.
Es wurden keine signifikanten Sicherheitsbedenken festgestellt; die Inzidenz medikamentenbedingter unerwünschter Ereignisse war in der Ziresovir-Gruppe im Vergleich zur Placebogruppe etwas höher (16 versus 13 Prozent), wobei Durchfall das häufigste unerwünschte Ereignis war.
Resistenz-assoziierte Mutationen wurden bei 9 Prozent der Teilnehmenden in der Ziresovir-Gruppe beobachtet. Es ließ sich aber keine Korrelation zwischen dem Wiederauftreten des Virus und dem Auftreten dieser Mutationen feststellen.
Zusammenfassend deuten die Ergebnisse der Studie darauf hin, dass Ziresovir zur Behandlung einer Bronchiolitis als Folge einer RSV-Infektion bei Säuglingen wirksam und sicher ist. Wahrscheinlich werden die Zulassungsbehörden weitere internationale Studien fordern, um diese Ergebnisse in breiteren Bevölkerungsgruppen zu bestätigen.