Vier Schwerpunkte der Apothekenreform |
Alexander Müller |
22.05.2024 12:30 Uhr |
Das BMG will den Apotheken mehr Flexibilität verschaffen: Die Abschaffung der Präqualifizierung für apothekenübliche Hilfsmittel und Begrenzung der Retaxationsmöglichkeiten der Krankenkassen sieht Müller als erste Schritte zu einer Entbürokratisierung der Apotheken.
Doch mit der Apothekenreform sollen radikalere Maßnahmen umgesetzt werden – und das BMG hält trotz heftiger Kritik der ABDA offenbar an diesen Plänen fest. Erfahrene PTA sollen zusätzliche Kompetenzen erhalten und den Apothekenleiter vertreten dürfen. Gegebenenfalls soll ein Approbierter per Videoverbindung zugeschaltet werden. Sogar die Notwendigkeit einer Filialleitung wird im Ministerium offenbar infrage gestellt. Die Gründung von Zweigapotheken soll erleichtert, die Anforderungen an Öffnungszeiten gesenkt werden.
Das BMG sieht die Apotheken wie andere Bereiche von einem Strukturwandel betroffen: eine fortschreitende Schwächung des ländlichen Raums, eine Tendenz zu MVZ und telemedizinischer Versorgung sowie allgemein die Digitalisierung im Gesundheitswesen und ein Zuwachs des Versandhandels. Die Apotheken, so Müller sinngemäß, müssten mit der Zeit gehen und sich anpassen.
Zu den neuen Aufgaben zählt Müller zufolge die Übernahme von Präventionsaufgaben im Bereich Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes oder Rauchentwöhnung sowie weitere Impfangebote in Apotheken, etwa DPT oder FSME.
Immerhin konnte Müller zusichern, dass das BMG nicht am Fremdbesitzverbot rütteln will. Auch der in den ersten Eckpunkten vorgesehene Wegfall von Labor, Rezeptur und Notdienstzimmer in Filialen ist offenbar nicht mehr Teil der Planungen. Für Zweigapotheken scheint das BMG hier jedoch Ausnahmen für möglich zu halten.
Unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern waren auch Berufsvertreter der Apothekerschaft. Hessens Kammerpräsidentin Ursula Funke zeiget sich entrüstet, dass Müller Arzneimittel mit Schuhen und T-Shirts vergleiche, in dem er erklärt habe, Waren des täglichen Bedarfs würden nun einmal verstärkt online gekauft und dagegen könnten sich Apotheken – wie andere Einzelhändler – nicht verschließen. »Von nicht passenden Schuhen bekomme ich vielleicht eine Blase, das falsche Arzneimittel kann jedoch gravierende, teilweise lebensbedrohliche Auswirkungen für den Patienten haben«, stellte Funke klar. Die Kammerpräsidentin ärgert sich vor allem darüber, dass die Apothekerinnen und Apotheker in den öffentlichen Apotheken »auf das Handeln mit Waren« reduziert werden. Ihr Fazit des Abends: »Das BMG will aller unserer Bedenken zum Trotz die Arzneimittelversorgung und das Apothekenwesen umkrempeln.«
Holger Seyfarth, Vorsitzender des Hessischen Apothekerverbands (HAV), sagte gegenüber der PZ: »Wenn diese Eckpunkte ins Gesetz kommen, werden wir nur verlieren. Dann lieber gar nichts.« Vor allem die Absenkung des variablen Vergütungsanteils werde die Apotheken perspektivisch hart treffen, weil sie an der Anhebung des Arzneimittelbudgets der Ärzte viel weniger partizipieren würden. Der Berufsstand müsse diese Reform mit aller Deutlichkeit ablehnen.