Pharmazeutische Zeitung online
Hochansteckend

Viele Masernfälle in Deutschland

Die hochansteckenden Masern breiten sich in Deutschland so stark aus wie seit Jahren nicht mehr – vor allem Ungeimpfte sind betroffen. Was steckt hinter dem Anstieg der Infektionszahlen?
Christina Hohmann-Jeddi
27.09.2024  17:00 Uhr

Masern sind eine hochansteckende, potenziell gefährliche Viruserkrankung, die durch das Masernvirus (MeV) aus der Familie der Paramyxoviridae verursacht wird. Die Zahl der Erkrankungen ist in diesem Jahr in Deutschland im Vergleich zu den Vorjahren deutlich angestiegen: Bis zum 25. September wurden dem Robert-Koch-Institut (RKI) Jahr 553 Masern-Erkrankungen gemeldet. Das berichtet das Institut im Journal »Epidemiologisches Bulletin« (39/2024). 2023 wurden dagegen insgesamt nur 79 Masernfälle gemeldet, 2022 waren es 15 Fälle. Allerdings hatte es in früheren Jahren auch schon deutlich mehr Erkrankungen gegeben: So wurden 2015 rund 2470 Erkrankungen registriert und 2013 rund 1770.

Die meisten der Infizierten aus dem Jahr 2024 waren ungeimpft (82 Prozent). Die Betroffenen waren zwischen 0 und 75 Jahre alt. Vor allem Kinder in den ersten beiden Lebensjahren seien betroffen, heißt es in der Publikation. Für das Jahr 2024 wurde dem RKI bisher kein Todesfall übermittelt. Ein Teil der Infizierten (15 Prozent) hatte sich im Ausland mit dem Masernvirus infiziert. In Deutschland können dann Folgeinfektionen auftreten.

Ein weltweites Phänomen

»Masern ist eine Erkrankung, die bis auf sehr wenige Ausnahmen mit einer Impfung komplett verhindert werden kann«, sagte der Leiter der Infektiologie der Berliner Charité, Professor Dr. Leif Erik Sander, gegenüber der Deutschen Presseagentur. Trotzdem stiegen derzeit in vielen Ländern die Fallzahlen. »Es ist kein deutsches Phänomen, es ist ein weltweiter Trend.« Von einem großen Ausbruchsgeschehen könne man in Deutschland derzeit noch nicht sprechen. Beispielsweise in Rumänien sehe es mit bislang rund 11.000 Fällen in den vergangenen zwölf Monaten viel schlimmer aus.

Laut dem aktuellen monatlichen Masern- und Röteln-Bericht der europäischen Gesundheitsbehörde ECDC traten die meisten Masernfälle im August in Rumänien (532 Fälle) auf, gefolgt von Deutschland mit 95 Erkrankungen. Im jüngsten Zwölfmonatszeitraum, der vom 1. September 2023 bis zum 31. August 2024 reicht, meldeten demnach 30 Mitgliedstaaten der EU/des europäischen Wirtschaftsraums insgesamt 18.500 Masernfälle. Bei den Erkrankten, von denen der Impfstatus bekannt war, hatten 87,1 Prozent keine Masernimpfung und 8,2 Prozent nur eine Impfdosis erhalten. In dem Zeitraum kam es zu 13 masernbedingten Todesfällen, zwölf in Rumänien und einer in Irland.

In Deutschland empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) für alle Kinder zwei Impfstoffdosen, wobei die erste im Alter von 11 bis 14 Monaten und die zweite im Alter von 15 bis 23 Monaten verabreicht werden sollte. Bei den verfügbaren Impfstoffen handelt es sich um Lebendimpfstoffe, die abgeschwächte Erreger enthalten. Impfstoffe gegen Masern werden als MMR- oder MMRV-Kombinationsimpfstoffe angeboten, das heißt die Impfung schützt gegen Masern, Mumps und Röteln sowie gegebenenfalls zusätzlich gegen Varizellen (Windpocken).

Laut STIKO sollen nach 1970 geborene erwachsene Personen mit unklarem Impfstatus, ohne Impfung oder mit nur einer Impfstoffdosis in der Kindheit eine MMR-Impfdosis erhalten, um mögliche Impflücken in der erwachsenen Bevölkerung zu schließen. Diese Empfehlung hat den Hintergrund, dass die Wirksamkeit der einmaligen Impfung laut Studien bei Kindern und Jugendlichen im Alter bis 15 Jahre mindestens 92 Prozent beträgt. Für die zweifache Impfung gegen Masern wurde laut RKI-Website eine Wirksamkeit von 95 bis 100 Prozent errechnet. Die zweite Dosis wird empfohlen, um mögliche Impfversager, die auf die erste Dosis nicht angesprochen haben, noch zu immunisieren. Es wird von einer lebenslangen Immunität nach zweimaliger Impfung ausgegangen.

Warum steigen die Erkrankungszahlen wieder?

Für den Anstieg der Fallzahlen in Deutschland gebe es keine einzelne Ursache, berichtete Sander, der Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie ist. Er könne zum einen damit zusammenhängen, dass die Immunität in der Bevölkerung leicht gesunken sei, weil viele durch die Kontaktbeschränkungen während der Corona-Pandemie kaum in Kontakt mit Krankheitserregern gekommen seien. Zum anderen zeigten Studien, dass die Impfbereitschaft nachgelassen habe. »Es reicht schon, wenn ein paar weniger Leute sich impfen lassen, damit es zu Ausbrüchen kommt.«

Seit 2020 ist es in Kitas und Schulen vor der Neuaufnahme für Kinder ab einem Jahr Pflicht, eine Masernimpfung vorzuweisen. Nach Angaben des RKI erfolgt die Masernimpfung bei vielen Kindern aber zu spät oder nicht vollständig. Nur knapp 81 Prozent der Kinder, die 2019 geboren wurden, hatten im Alter von zwei Jahren beide Impfungen erhalten.

Zweiphasiger Erkrankungsverlauf

Masern gehören laut dem RKI-Ratgeber Masern zu den ansteckendsten Infektionskrankheiten überhaupt. Die RNA-Viren werden durch das Einatmen infektiöser Tröpfchen übertragen, die etwa beim Sprechen, Husten oder Niesen entstehen, oder aerogen über Tröpfchen sowie durch Kontakt mit infektiösen Sekreten aus Nase oder Rachen. Das Masernvirus führt bereits bei kurzer Exposition zu einer Infektion und löst bei fast allen ungeschützten Infizierten eine klinische Symptomatik aus (mehr als 90 Prozent).

Nach einer Inkubationszeit von etwa 7 bis 21 Tagen beginnt eine Erkrankung meist mit Fieber, Bindehautentzündung, Schnupfen, Husten und Kopfschmerzen und kalkspritzerartigen weißen Flecken an der Mundschleimhaut. Wenige Tage später steigt das Fieber und es bildet sich der für die Masern typische Hautausschlag mit bräunlich-rosafarbenen Flecken. Das Exanthem beginnt typischerweise im Gesicht und hinter den Ohren, verteilt sich dann und bleibt bis zu einer Woche bestehen. Durch die Infektion entsteht eine vorübergehende Immunschwäche, die Monate bis Jahre andauern kann und die zum Teil zu schweren Sekundärinfektionen wie Lungenentzündungen führen kann.

Eine ernste Komplikation ist die postinfektiöse Enzephalitis, zu der es in etwa 1 von 1000 Infektionen kommt. Die Enzephalitis tritt etwa vier bis sieben Tage nach Beginn des Exanthems auf und äußert sich durch Kopfschmerzen, Fieber und Bewusstseinsstörungen bis hin zum Koma. Etwa 10 bis 20 Prozent der Betroffenen sterben daran.

Sehr selten kommt es zu einer Spätkomplikation, die als subakute sklerosierende Panenzephalitis (SSPE) bezeichnet wird. Diese progrediente Entzündung des Gehirns tritt etwa sechs bis acht Jahre nach der initialen Maserninfektion mit Leistungseinbußen, psychischen Veränderungen und neurologischen Ausfällen auf. Sie führt in der Regel in ein bis drei Jahren zum Tod.

Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
SENDEN
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.

Mehr von Avoxa