Viele Erleichterungen kamen und kommen |
Sven Siebenand |
16.01.2024 16:30 Uhr |
Tennisstar Alexander Zverev ist einer von vielen Prominenten mit Typ-1-Diabetes. Die Autoimmunerkrankung hält ihn nicht von Weltklassesport ab. / Foto: Imago/Icon Sportswire
»Typ-1-Diabetes ist die häufigste Stoffwechselerkrankung im Kindes-und Jugendalter, die Erkrankungsgipfel liegen vor dem vierten Lebensjahr und vor der Pubertät«, informierte Dr. Helga Auer-Kletzmayr beim Fortbildungskongress Pharmacon in Schladming. Die Apothekerin aus der Fischl-Apotheke Klagenfurt am Wörthersee betonte jedoch, dass die Autoimmunerkrankung in jedem Lebensalter auftreten kann. Im Jahr 2022 seien mehr als 60 Prozent der Neuerkrankungen in einem Lebensalter ab 20 Jahre aufgetreten.
Knapp 10 Prozent aller Menschen mit Diabetes haben Typ-1-Diabetes. Das Risiko liegt in der Allgemeinbevölkerung bei 0,4 Prozent. Sind Mutter oder Vater betroffen, erhöht sich für ein Kind das Risiko auf 2 beziehungsweise 6 Prozent. Sind beide Elternteile erkrankt, trägt der Nachwuchs ein Risiko von mehr als 20 Prozent, selbst zu erkranken.
Bei Typ-1-Diabetes zerstört das Immunsystem die Insulin-produzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse. »Auto-Antikörper lassen sich oft schon Jahre vor dem Auftreten von Symptomen im Blut nachweisen«, betonte die Referentin. Sind schließlich etwa 80 Prozent der Betazellen zerstört, sind die Betroffenen auf die exogene Zufuhr von Insulin angewiesen.
Dr. Helga Auer-Kletzmayr, Apothekerin aus Klagenfurt / Foto: PZ/Alois Müller
Auer-Kletzmayr informierte, dass die meisten Typ-1-Diabetiker heute mit Sensoren für die kontinuierliche Glucosemessung ausgestattet sind. Diese messen laufend den Zuckerwert in der Gewebeflüssigkeit, welcher eng mit dem Wert im Blut korreliert. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Blutzucker stabil ist. Steigt der Blutzucker sehr schnell an oder fällt schnell ab, dauert es eine Zeit, bis diese Änderung auch im Gewebe angekommen ist und damit vom Sensor ausgewiesen wird. Die Referentin betonte, dass in solchen Fällen der Blutzucker per Teststreifen gemessen werden sollte und jeder Typ-1-Diabetiker auch dafür ein entsprechendes Messgerät benötigt. Zudem gebe es Notfallsituationen wie Ausfall oder Abfall des Sensors, in denen man auf die Blutzuckermessung angewiesen ist.
Für die Insulin-Behandlung bei Typ-1-Diabetes gibt es zwei Goldstandards: Der erste ist die Basis-Bolus-Therapie. Bei dieser injizieren die Patienten für die Grundversorgung ein langwirksames Basalinsulin und zum Essen beziehungsweise zur Korrektur erhöhter Blutzuckerwerte ein schnellwirksames Bolusinsulin. Die Dosis des Bolusinsulins ist jeweils abhängig von den gegessenen Kohlenhydraten. Die Menge des Basalinsulins ist abgesehen von Sondersituationen dagegen konstant. Zu diesen Sondersituationen zählen zum Beispiel Infekte, körperliche Belastung oder Schwangerschaft.
»Ist eine orale Glucocorticoid-Therapie geplant, sollte die Erhöhung des Basalinsulins unbedingt vorher mit dem Diabetologen besprochen werden«, sagte Auer-Kletzmayr. In diesem Fall sei meist eine deutliche Dosissteigerung vonnöten. Ob Basis- oder Bolusinsulin: Die Spritzstellen müssen rotieren, um eine Lipohypertrophie zu vermeiden. Denn aus diesen Verdickungen des Unterhautfettgewebes kann Insulin völlig willkürlich freigesetzt werden, so die Apothekerin.
Der zweite Goldstandard für die Insulin-Behandlung ist die Insulinpumpentherapie, bei der nur kurzwirksames Insulin zum Einsatz kommt. »Man stellt eine Basalrate ein, sodass die Pumpe kontinuierlich Insulin abgibt«, informierte Auer-Kletzmayr. Zusätzlich wird zum Essen und zur Korrektur ein »Bolus« abgegeben.
Die Entwicklung der Pumpen geht aber schnell voran: Pumpen, die auf kontinuierliche Glucose-Messwerte in Echtzeit reagieren sind schon im Einsatz. Auer-Kletzmayr: »Noch muss der Bolus in der Regel händisch eingegeben werden, nur die Basalrate wird vom Sensor gesteuert, aber auch dies wird sich ändern.« Sie informierte zudem, dass auch bihormonale Pumpen, die nicht nur Insulin, sondern auch den Gegenspieler Glucagon abgeben, in der Entwicklung sind.
Zu den weiteren Innovationen der Zukunft könnten auch Smart-Insuline zählen. Diese wirken nur, wenn die Blutglucose steigt. Auch zum Beispiel für die Sekundär- und Tertiärprävention von Typ-1-Diabetes gibt es verschiedene Ansätze. In der Sekundärprävention, wenn also Auto-Antikörper bereits nachweisbar sind, soll deren Einfluss auf die Inselzellen der Bauchspeicheldrüse gebremst werden. Dies gelingt mit dem in den USA bereits zugelassenen Anti-CD3-Antikörper Teplizumab, sodass bei rechtzeitigem Einsatz die klinische Manifestation von Typ-1-Diabetes um einige Jahre hinausgezögert werden kann. In der Tertiärprävention soll die typische Remissionsphase. eine vorübergehende Erholung der Insulinproduktion, möglichst lange zu erhalten. Hierfür gibt es zum Beispiel Ansätze mit den bekannten Wirkstoffen Verapamil und Baricitinib.