| Brigitte M. Gensthaler |
| 28.11.2025 07:00 Uhr |
Schilddrüsenunterfunktion? Häufig wird dann L-Thyroxin verordnet – und nicht mehr abgesetzt. Experten warnen vor einer Überversorgung mit L-Thyroxin. / © Adobe Stock/New Africa
L-Thyroxin (Levothyroxin, T4) wird in der Schilddrüse produziert und im Blut proteingebunden transportiert. In Körperzellen wird T4 in das aktive Schilddrüsenhormon Trijodthyronin (fT3) umgewandelt. Die Symptome eines Mangels und damit einer Hypothyreose sind eher unspezifisch: Müdigkeit und Antriebslosigkeit, depressive Stimmung, Kälteempfindlichkeit, langsamer Puls, Ödeme, raue Stimme und Neigung zur Verstopfung.
»Es ist ein Trend der letzten Jahre, eine vermeintliche Schilddrüsenunterfunktion mit Hormonen zu behandeln«, berichtete Professor Dr. Joachim Feldkamp, Direktor der Universitätsklinik für Allgemeine Innere Medizin, Endokrinologie und Diabetologie, Klinikum Bielefeld, bei einer Online-Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie. Eine Zunahme an Schilddrüsenerkrankungen sei nicht nachweisbar, dennoch werde L-Thyroxin in Deutschland in den letzten 15 Jahren um mehr als 30 Prozent häufiger verordnet.
Möglicherweise würden damit Allgemeinsymptome wie Müdigkeit oder auch Übergewicht behandelt. »Insgesamt besteht eine Überversorgung mit L-Thyroxin.«
Bei Erwachsenen sei eine Autoimmunthyreoiditis (Hashimoto-Thyreoiditis) »fast die einzige Erkrankung«, die eine Schilddrüsenunterfunktion verursacht. Seltener seien angeborene Störungen der Produktion, des Transports und der Verarbeitung von Schilddrüsenhormonen.
Auch nach einer (Teil-)Entfernung der Schilddrüse und nach einer Radiojodtherapie könne eine Hypothyreose auftreten, die eine Zufuhr von L-Thyroxin erfordert. Achten müsse man zudem auf die Komedikation. Arzneistoffe wie Amiodaron, Protease- und Checkpoint-Inhibitoren könnten eine hypothyreote Stoffwechsellage auslösen.
Patienten mit Schilddrüsenknoten (Struma nodosa) hätten früher langfristig hochdosiert L-Thyroxin bekommen, berichtete der Endokrinologe. Es gebe jedoch keine wissenschaftliche Evidenz, dass dies die Bildung und Größe der Knoten beeinflusse. Nach einer Operation seien die meisten Patienten geheilt und bräuchten keine Hormonzufuhr mehr. Feldkamp empfahl dringend, ein Absetzen zu überprüfen.
Der Endokrinologe gab einige Tipps zur Medikation. In der Regel reiche eine Tablette L-Thyroxin pro Tag aus. Nur ganz wenige Patienten bräuchten ein Kombipräparat mit T3 und T4; dies einzusetzen, sollte Endokrinologen vorbehalten sein.
Da Nahrungsmittel die Resorption behindern, wird bekanntlich eine Nüchterneinnahme morgens 20 bis 30 Minuten vor dem Frühstück – ohne Kaffee, Tee oder Calcium-reiches Mineralwasser – empfohlen. Wer das nicht schaffe, könne das Medikament abends zwei oder drei Stunden nach der letzten Mahlzeit auf nüchternen Magen schlucken.
Flüssige Präparate können für Kinder, Menschen mit Schluckstörungen oder nach bariatrischen Operationen sinnvoll sein. Gelatine-haltige Weichkapseln könnten in einigen Fällen die Resorption von L-Thyroxin verbessern.