Vibrierende Pille löst Sättigungs-Gefühl aus |
Theo Dingermann |
28.12.2023 16:30 Uhr |
In etwa so groß wie normale Kapseln ist das VIBES-System – eine Kapsel, die im Magen vibriert und so ein Sättigungsgefühl auslösen soll. / Foto: Getty Images/Elena Nechaeva
Zwar kürte das Fachmagazin »Science« die GLP-1-Agonisten zum Durchbruch des Jahres 2023. Dennoch verursachen die neuen Blockbuster zur Gewichtskontrolle derzeit neben Begeisterung auch Probleme: Die Medikamente sind kaum zu bekommen, es konkurrieren zwei Patientengruppen (Diabetiker und Adipöse) um die spärlich verfügbaren Arzneimittel, beim Absetzen setzt ein massiver Jo-Jo-Effekt ein, Langzeit-Auswirkungen sind noch völlig unbekannt und schließlich wird das Solidarsystem durch die teuren Präparate nicht unerheblich belastet.
Da macht eine aktuelle Publikation aus dem Department of Mechanical Engineering am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge, USA, neugierig. Darin stellen Professor Dr. Shriya Srinivasan und Kollegen eine Pille vor, die nicht größer ist als ein Multivitaminpräparat und die so ausgelegt ist, dass sie im Magen vibriert. Die Arbeit wurde jetzt in »Science Advances« publiziert.
Die Idee hinter diesem merkwürdigen Pillenkonstrukt, das als »VIBES« (Vibrating Ingestible BioElectronic Stimulator) bezeichnet wird, ist folgende: Durch Vibrationen an der Magenwand werden Dehnungs-Mechanorezeptoren aktiviert, wodurch kurz wirkende afferente Signale über den Nervus vagus mit Schaltkreisen für Belohnung, Energiehomöostase, Hunger und Stimmung interagieren und eine illusorische Sättigung signalisieren.
So sieht die VIBES-Pille aus. / Foto: MIT News/Shriya Srinivasan/Giovanni Traverso
Die vibrierende Pille besteht aus einem biokompatiblen Gehäuse, das eine Batterie, einen Vibrationsmotor, einen Schalter und einen Magneten enthält. Durch einen externen Magneten wird der Vibrationsmechanismus aktiviert, sobald die Pille den Magen erreicht hat. Dort vibriert sie dann mit einer Frequenz von 30 Hertz für zehn Minuten pro Tag.
Die Forschenden testeten die VIBES-Pille an Schweinen, denen 20 Minuten vor der Nahrungsaufnahme eine VIBES-Pille oder eine Scheinpille verabreicht wurde. Die Tiere in der Behandlungsgruppe aßen 40 Prozent weniger als sonst.
Während die Kontrolltiere im nüchternen Zustand die erwarteten Hormon-Konzentrationen aufwiesen, führte die Vibrations-Behandlung zu einer signifikanten Verringerung der Ghrelin-Konzentration. Dies ist normalerweise eine postprandiale Reaktion, die jedoch bei den behandelten Tieren bereits beobachtet wurde, als die Tiere noch nüchtern waren.
Außerdem stiegen die Insulin-Spiegel signifikant an, und zwar mit einer Kinetik, die der normalen Nahrungsaufnahme entsprach. Der Glucagon-Spiegel, der für die Aufrechterhaltung des Blutzuckerspiegels verantwortlich ist, erhöhte sich bei den Kontrolltieren, während er in der VIBES-Gruppe auf dem Ausgangswert verharrte. Die Spiegel des vom Insulin abgeleiteten C-Peptids, von GLP-1 (dem Target der Abnehm-Spritzen) und vom Peptid YY (PYY) stiegen mit der mechanischen Stimulation deutlich an.