Verwechslungsgefahr bei Omikron-Impfstoffen |
Daniela Hüttemann |
31.08.2022 12:32 Uhr |
Schon bald sollen neun verschiedene Covid-19-Impfstoffpräparate zur Verfügung stehen. Anfang Oktober sollen zwei weitere folgen. / Foto: Adobe Stock/David Pereiras
In einem aktuellen Rundschreiben, das der PZ vorliegt, informiert Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD) höchstpersönlich die Leistungserbringer, wie es mit den an die Omikron-Varianten angepassten Covid-19-Impfstoffen sowie dem neuen Ganzvirus-Impfstoff von Valneva ablaufen soll. Flankierend dazu informieren die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und der Deutsche Apothekerverband (DAV) die Arztpraxen respektive Apotheken.
Lauterbach geht von einer Zulassung der angepassten BA.1-Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna am 1. oder 2. September aus. Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) hat für den morgigen 1. September ein außerplanmäßiges Meeting ihres Ausschusses für Humanarzneimittel dazu angesetzt. Die beiden angepassten Impfstoffe sollen dann sofort ausgeliefert werden, sodass es bereits kommende Woche mit dem Impfen losgehen soll.
Laut Ministerium sollen in den Kalenderwochen 36 und 37 dann jeweils rund 5 Millionen Omikron-BA.1-Impfstoff von Biontech/Pfizer sowie 1,65 Millionen angepasster Impfstoff von Moderna in der KW 36 und 2,38 Millionen in der KW37 an den Großhandel und darüber weiter an die Apotheken gehen. Man setze hier auf eine zügige Verteilung über das etablierte Logistiksystem.
Die exakten Auslieferungsdaten an die Apotheken stehen noch nicht fest, teilte der Verband der Pharmagroßhändler (Phagro) der Pharmazeutischen Zeitung auf Nachfrage mit. Diese hänge von der Anlieferung bei den Großhändlern ab. Die genaue Terminierung erwartet der Phagro erst in der KW 36.
Die Zulassung bis zum 2. September vorausgesetzt, soll für Kassenärzte die Bestellung der beiden neuen Impfstoffvarianten ab dem 5. September in Apotheken möglich sein und soll laut KBV bis Dienstag, 6. September um 12:00 Uhr erfolgen. Wichtig: Die Bestellungen müssen dabei auch schon für die KW 37 aufgegeben werden. Die ersten Vakzinen sollen dann noch laut Ministerium in der gleichen Woche ausgeliefert werden sollen.
Gerade erst angefangen hat das Prüfverfahren für den an Omikron BA.4/5-angepassten Impfstoff von Biontech/Pfizer. Hier könnte die Zulassung im Idealfall Ende September/Anfang Oktober erfolgen. Hier soll dann eine erste Tranche mit 9,5 Millionen Dosen zügig an Deutschland ausgeliefert werden.
Darüber hinaus kommt nun auch noch der Covid-19-Impfstoff von Valneva in Deutschland in den Markt. Es ist der erste hier verfügbare Ganzvirus-Totimpfstoff gegen Covid-19 überhaupt. Er hat bislang keinen griffigen Markennamen, sondern die Bezeichnung »Covid-19 Vaccine (inactivated, adjuvanted) Valneva«. Er kann laut Ministerium ebenfalls ab dem 5. September bestellt werden.
In den Apotheken werden damit ab der ersten Kalenderwoche 36 neun verschiedene Covid-19-Impfstoffpräparate zu managen sein. Die KBV gibt in einem aktuellen Rundschreiben auch die Bestellmengen pro Arzt vor. Vom herkömmlichen Comirnaty-Impfstoff ab zwölf Jahren sowie den beiden neuen Omikron-Varianten von Comirnaty und Spikevax können Ärzte jeweils maximal 240 Dosen bestellen. Auch der neue Valneva-Impfstoff kann mitbestellt werden sowie die bislang eingesetzten Impfstoffe. Für diese gibt es keine Bestellobergrenzen.
Eine aktuelle Anfrage der Pharmazeutischen Zeitung an Biontech, wie die neuen Impfstoffvarianten gekennzeichnet werden, zum Beispiel mit anderer Kappenfarbe, blieb bis zur Veröffentlichung dieses Artikels unbeantwortet. Auf Apotheken und Arztpraxen kommt auf jeden Fall höchste Sorgfaltspflicht zu, um Verwechslungen der gleichnamigen Präparate auszuschließen, denn nach Informationen der ABDA trägt der Omikron-BA.1-Impfstoff von Biontech/Pfizer genau wie die herkömmliche fertige Injektionsdispersion eine graue Kappe.
Bei den Omikron-BA.1-Impfstoffen von Biontech/Pfizer und Moderna handelt es sich jeweils um bivalente Impfstoffe. Sie enthalten immer noch die mRNA, die für das Spike-Protein des Wildtypvirus kodiert, allerdings nur noch in der halben Dosierung, also 15 µg bei Comirnaty beziehungsweise 25 µg bei Spikevax. Zusätzlich enthalten sie 15 µg beziehungsweise 25 µg mRNA, die für das Spike-Protein von BA.1 kodiert.
Auch der BA.4/5-Impfstoff wird bivalent, nicht trivalent sein. Er enthält neben der mRNA für das Wildtypvirus nur eine weitere mRNA als Antigen, die für das Spike-Protein der BA.4 und BA.5-Variante kodiert, die sich nicht voneinander unterscheiden. Einen pharmazeutischen Überblick über die an BA.1 angepassten Impfstoffe mit genauen Details zu den Charakteristika und Vergleich der Wirksamkeit haben wir hier zusammengestellt.
Lauterbach schreibt auch, dass die Ständige Impfkommission (STIKO) sich derzeit sehr intensiv mit den Studiendaten für die angepassten Impfstoffe befasse, sowohl BA.1 als auch BA.4/BA.5. Eine entsprechende Aktualisierung ihrer Impfempfehlung solle zeitnah erfolgen. Noch gibt es wissenschaftlich betrachtet viele Ungewissheiten, wie am besten aufgefrischt werden sollte.
In einer Pressekonferenz am heutigen Mittwochnachmittag betonte er, dass sowohl die an BA.1 als auch der an BA.4/BA.5 angepassten Impfstoffe sehr gute Impfstoffe seien, die deutlich besser vor Omikron-Varianten schützen sollen als die bisherigen Vakzinen auf Basis des Wildtypvirus. Der Unterschied zwischen der mRNA für BA.1 und BA.4/BA.5 wäre nicht so groß, während sich beide deutlich von der Wildtyp-Variante unterscheiden.
Derzeit empfiehlt die STIKO eine zweite Auffrischung (zweiter Booster / vierte Dosis) mit den bislang verfügbaren Covid-19-Impfstoffen allen Personen ab 60 Jahren, besonders gefährdeten Personen aufgrund einer Grunderkrankung sowie medizinischem und pflegerischem Personal.
Derweil spricht der Hausärzteverband von einem »kommunikativen Chaos« rund um die angepassten Impfstoffe. Patientinnen und Patienten würden sich fragen, ob es sinnvoll sei, sich Anfang September mit dem an BA.1 angepassten Impfstoff impfen zu lassen, oder ob man auf den an BA.4/BA.5 angepassten Impfstoff warten sollte, sagte Verbandschef Ulrich Weigeldt der Düsseldorfer «Rheinischen Post». «Hier braucht es sehr zeitnah eine klare Empfehlung der STIKO, an welcher sich auch die Hausärztinnen und Hausärzte orientieren können.»
Zum Schluss seines Schreibens bittet der Minister noch einmal eindringlich um Unterstützung: »Das Gelingen der Impfkampagne ist maßgeblich von den beteiligten Akteuren abhängig – von der Logistik bis hin zur Impfung der Patientinnen und Patienten.« Das Schließen von Impflücken und die Erhöhung von Impfquoten bei den Auffrischimpfungen sei einer der entscheidenden Faktoren für einen Herbst und Winter mit bestmöglichem Schutz für die Bevölkerung und möglichst wenigen Einschränkungen.
Auch Apothekerinnen und Apotheker mit entsprechender Fortbildung können diesen Herbst wieder Covid-19-Impfungen für Personen ab zwölf Jahren anbieten. Hier gibt es unseren Informationen nach keine Beschränkungen, welche Präparate verimpft werden dürfen, solange die STIKO-Empfehlungen beachtet werden.