Vertrauen der Deutschen in Gesundheitswesen schwindet |
Melanie Höhn |
14.02.2024 14:30 Uhr |
Lediglich 52 Prozent der Befragten zählen das Gesundheitssystem hierzulande noch zu den drei besten Systemen der Welt. / Foto: IMAGO/imagebroker
Die Deutschen sind mit ihrem Gesundheitswesen immer weniger zufrieden, wie das »Healthcare-Barometer 2024« von PwC in einer Befragung unter 1000 Bürgerinnen und Bürgern herausgefunden hat. Lediglich 52 Prozent der Befragten zählen es noch zu den drei besten Systemen der Welt.
63 Prozent der Bundesbürger sorgen sich um die Verfügbarkeit ihrer Medikamente in der Apotheke. In dieser Gruppe haben 21 Prozent bereits vorgesorgt und Arzneimittel auf Vorrat gekauft beziehungsweise sich frühzeitig ein Folgerezept ausstellen lassen. 42 Prozent haben aber noch keine Vorkehrungen dahingehend getroffen. Zudem wird deutlich: Mehr gesetzlich Versicherte als privat Versicherte machen sich Sorgen um dieses Thema.
Ein weiteres Ergebnis der Studie: 32 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass die Hersteller wirkstoffgleiche »Nachahmerprodukte« preisgünstig entwickeln und vertreiben sollen – ein Anstieg von 10 Prozent im Vergleich zu 2019.
Eine wichtige Rolle spielt auch die Herkunft der Produkte: Die Mehrheit der Befragten mit 57 Prozent legt Wert darauf, dass Arzneimittel europäischer Herkunft und leichter verfügbar sind. Nur 35 Prozent ist das egal.
Zudem ist es der Pharmaindustrie gelungen, den während der Pandemiezeit gewonnenen Imagegewinn weiter zu halten: 31 Prozent bewerten sie als innovative Branche, die einen Beitrag zur Heilung von Krankheiten leistet. Zum Vergleich: Im Jahr 2019 lag dieser Wert bei 19 Prozent. Dass die Unternehmen neue innovative Medikamente entwickeln, erwarten 59 Prozent der Befragten.
Drei Viertel der Befragten bezeichnen das fehlende Fachpersonal als größte Herausforderung der Gesundheitsbranche – mit großem Abstand vor anderen Faktoren wie der Versorgungsqualität (51 Prozent) und der Sicherung der Versorgung im ländlichen Raum (47 Prozent). Welche Auswege sehen die Bürger aus dieser Lage? 74 Prozent sind davon überzeugt, dass eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen die Personalnot lindern könnte, und 66 Prozent sprechen sich für Gehaltserhöhungen aus. Die Anwerbung von internationalen Fachkräften sehen 32 Prozent als Lösungsansatz.
Personal- und Zeitknappheit machen sich auch in der ärztlichen Versorgung bemerkbar. Die Zufriedenheit mit den Behandlungen ist gegenüber dem Vorjahr um 2 Prozentpunkte leicht auf 35 Prozent gesunken.
Die Offenheit für telemedizinische Sprechstunden ist groß. 72 Prozent der Deutschen würden sich gern den Gang zum Arzt sparen, vor allem dann, wenn es sich um leichte Erkrankungen handelt. Und 57 Prozent bestätigen, dass sie in jedem Fall Video-Sprechstunden nutzen würden.
Ein Zukunftsfeld für Forschung und Entwicklung in der Gesundheitsbranche liegt im Einsatz von Daten. Das unterstützen die Bürger: Acht von zehn wären bereit, persönliche Informationen zu teilen. Die Hälfte wünscht sich dazu aber eine Gegenleistung in Form eines Mehrwerts oder Entgelts. Den Datenschutz halten nur 6 Prozent für eine Herausforderung.
Eng verknüpft mit dem Datenschutz ist die elektronische Patientenakte (EPA). Beim ab 2025 geltenden Opt-Out-Verfahren, bei dem die Versicherten einer Nutzung ihrer Daten aktiv widersprechen müssen, herrscht allerdings noch großer Aufklärungsbedarf: Bisher unterstützen nur 35 Prozent das Verfahren uneingeschränkt.
Während der Corona-Pandemie haben die Deutschen den Krankenhäusern viel Wertschätzung entgegengebracht – jetzt hat sich der Zufriedenheitswert wieder auf das Vor-Pandemie-Niveau eingependelt und liegt aktuell bei 52 Prozent.
Die Krankenversicherungen genießen traditionell hohes Ansehen in der Bevölkerung. Dieser Trend setzt sich aktuell fort: Wie im Vorjahr sind 87 Prozent der Versicherten mit der Arbeit der Krankenkassen zufrieden oder sehr zufrieden. Mehr als jeder Zweite bewertet die Kassen in Sachen Digitalisierung und Innovation als fortschrittlich. »Die eigentliche Bewährungsprobe in Sachen Digitalisierung steht für die Krankenkassen aber noch aus: die Einführung der elektronischen Patientenakte ab Anfang 2025, in der alle Gesundheitsinformationen gebündelt sein werden«, sagt Thorsten Weber, Leiter Beratung GKV bei PwC Deutschland.
Laut Roland Werner, Leiter Gesundheitswirtschaft & Pharma bei PwC Deutschland, spiegeln die Zahlen eine hohe Unsicherheit in der Bevölkerung wider. »Die Menschen hören, dass Fachkräfte fehlen, Medikamente nicht erhältlich sind und Ärzt:innen streiken. All das hat Auswirkungen auf das Vertrauen in unser Gesundheitswesen, das dringend wieder gestärkt werden muss«, sagt er. Auffällig sei, dass die Zuversicht unter jüngeren Menschen ausgeprägter sei als in der älteren Generation ab 55 Jahren. »Offenkundig macht sich bei älteren Menschen eine Art Reformmüdigkeit bemerkbar« so Werner.
Die Ergebnisse der Befragung würden zeigen, dass die Menschen in Deutschland sich ein echtes Zukunftskonzept für die Gesundheitsversorgung wünschen, »das den Namen verdient«, bewertet Michael Ey, Partner und Co-Lead Gesundheitswirtschaft bei PwC Deutschland, die Studienergebnisse. »Den Krisenmodus müssen wir hinter uns lassen. Die wesentlichen Eckpfeiler: eine bessere Verzahnung des ambulanten und stationären Sektors oder die konsequente Nutzung von Telemedizin und Digitalisierung«.