Vertane Chance bei Krebsprävention |
Dass auch eine impfkritische Berichterstattung in den Medien die Impfraten negativ zu beeinflussen vermag, ist in einem Bulletin zur Arzneimittelsicherheit des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und Paul Ehrlich Instituts (PEI) von 2019 dokumentiert. »Unsachliche Kritik, die zu einem Vertrauensverlust und Rückgang der Impfrate führt, kann schwere gesundheitliche Konsequenzen haben, nämlich im Fall von HPV ein höheres Risiko für Zervixkarzinom«, heißt es da. Insofern tragen Fake News nicht unerheblich dazu bei, dass Chancen in der Gesundheitsvorsorge vertan werden, fassen die Impfexperten aus Langen zusammen.
Vorab hatten sich verschiedene Medien, darunter auch das öffentlich rechtliche Fernsehen, inadäquat hinsichtlich der HPV-Impfung geäußert. Konkret ging es um zwei seltene unerwünschte Nebenwirkungen, das Complex Regional Pain Syndrome (CRPS) und das posturale Tachykardiesyndrom (POTS). Diese waren vor sechs Jahren in zeitlichem Zusammenhang mit der HPV-Impfung aufgetreten, allerdings nur in Japan und Dänemark. Daraufhin von der EMA und der WHO eingeleitete Pharmakovigilanzuntersuchungen ergaben keinen Hinweis, dass sich die Inzidenzraten beider Syndrome bei geimpften jungen Frauen von den erwarteten Raten in dieser Altersgruppe unterscheiden. Sehr interessant sind aber die Auswirkungen dieser unkritischen Berichterstattung: In Dänemark und Japan sackten die Impfraten von 90 Prozent auf die Hälfte ab, in Japan wurde die Impfempfehlung gar ausgesetzt, obwohl der Impfstoff weiterhin zugelassen war.
»10 bis 15 Prozent der infizierten Frauen bilden keine erfolgreiche zelluläre Immunität aus.« Bleibt die Infektion bestehen, können manche der mehr als 200 verschiedenen HPV-Typen Genitalwarzen oder auch Veränderungen an Zellen verursachen, aus denen sich Krebs entwickeln kann. In Deutschland gibt es pro Jahr rund 4100 Zervixkarzinome, aber mehr als 100 000 operative Eingriffe (sogenannte Konisationen) zur Diagnose und Therapie verdächtiger Befunde, sogenannte zervikale intraepitheliale Neoplasien (CIN), nannte Wieland konkrete Zahlen. Die Diskrepanz ergebe sich aus der vorsorglichen Entfernung von Gewebe, das Krebsvorstufen zuzurechnen ist.
Neben Gebärmutterhalskrebs und Karzinomen von Vagina, Vulva, Anus und Penis sind HPV auch Verursacher von Tumoren der Kopf-Hals-Region – vermutlich durch sich verändernde Sexualpraktiken. Auch dabei sind HPV-16 und HPV-18 die Haupt-Onkogene. Wieland stellte Daten vor, nach denen HPV-bedingte Oropharyngeal-Karzinome in den USA mittlerweile häufiger auftreten als Zervixkarzinome. Auch in Deutschland stiegen sowohl der Anteil HPV-bedingter oropharyngealer Karzinome als auch die Inzidenz in den vergangenen Jahren an.
Mit Beginn der sexuellen Aktivität kommt es schnell zu einer Ansteckung mit HPV. Deshalb sollen die HPV-Impfungen vor dem ersten Geschlechtsverkehr appliziert werden. »Wichtig ist die Impfung zu einem Zeitpunkt vor der Aufnahme sexueller Kontakte. Das ist essenziell. Der beste Schutz vor Gebärmutterhalskrebs lässt sich erzielen, wenn Mädchen bereits mit 12 oder 13 Jahren geimpft werden«, sagte Wieland. Impfen schützt zu nahezu 100 Prozent vor einer Infektion mit den HPV-Typen, die in den Impfstoffen enthaltenen sind, wenn man sich zuvor noch nicht angesteckt hat. Kondome können das Ansteckungsrisiko zwar verringern, aber nicht zuverlässig verhindern.
In Deutschland gibt es zwei Impfstoffe gegen HPV: Cervarix® und Gardasil® 9. Mit beiden kann ein Impfschutz gegen die Hochrisiko-Typen HPV 16 und 18 aufgebaut werden. Während Cervarix nur gegen zwei Virenstämme wirkt, ist Gardasil ein nonavalenter Impfstoff, da er zusätzlich gegen sieben weitere HPV-Typen (HPV 6, 11, 31, 33, 45, 52 und 58) wirksam ist.