Verstärkung für CAR-T-Zellen |
Kerstin A. Gräfe |
08.06.2023 07:00 Uhr |
Professor Dr. Ulrike Köhl betonte, wie wichtig es ist, auch die Herstellungsprozesse der CAR-Effektorzellen zu optimieren. / Foto: PZ/Alois Müller
»Wir sind eindeutig im Zeitalter der Zelltherapie angekommen«, sagte Professor Dr. Ulrike Köhl vom Fraunhofer Institut für Zelltherapie und Immunologie in Leipzig auf dem Fortbildungskongress Pharmacon in Meran. Zellbasierte Immuntherapien und molekulare, zielgerichtete Therapien bildeten neben Strahlentherapie, Operation, Chemotherapie und Stammzelltransplantation inzwischen die vierte Säule in der Immunonkologie.
Man habe große Erfolge mit autologen CAR-T-Zellen bei CD19+ hämatologischen Erkrankungen wie akuter lymphatischer Leukämie und diffusem großzelligem B-Zell-Lymphom erzielt. Hingegen gab es für die CAR-T-Zellen bei soliden Tumoren bislang keinen Durchbruch. Weltweit liefen derzeit mehr als 1100 klinische Studien, etwa 10 Prozent davon in Europa und nur 5 Prozent in Deutschland.
Zu Beginn habe es einige Todesfälle infolge eines Zytokin-Freisetzungs-Syndroms (CRS) gegeben. Dieses sei aber inzwischen mit Anti-Interleukin-6-Präparaten gut beherrschbar. Gemeinsam mit Kollegen habe sie eine Art Handbuch zur Anwendung einer CAR-T-Zell-Therapie geschrieben, so die Immunonkologin. Inzwischen konnten mit CAR-T-Zellen auch Erfolge bei nicht onkologischen Erkrankungen erzielt werden. Als Beispiele nannte Köhl Lupus erythematodes und Fibrose.
Die Erkrankungen, bei denen CAR-T-Zellen bislang eingesetzt werden können, sind relativ selten. Sollte es gelingen, auch häufigere Erkrankungen mit dieser Therapieform zu adressieren, müsste das Herstellungsverfahren massiv hochskaliert werden. »Zurzeit fehlt es allerdings an Konzepten, um 100-fach mehr Patienten zu adressieren«, konstatierte die Referentin. Technischer Fortschritt sei essenziell, um den Schritt von der Behandlung hämatologischer zu onkologischen und anderen Erkrankungen zu gehen. Es sei dringend notwendig, von der zeitaufwendigen und kostenintensiven manuellen Produktionsweise der CAR-Effektor-Zellen zu einer automatischen, KI-gesteuerten und digital kontrollierbaren modularen Produktionsstraße zu kommen. Unabdingbar seien zudem Begleitstudien zwecks Patientenmonitoring.
»Neben autologen werden wir zukünftig auch allogene CAR-Effektorzellen benötigen«, sagte Köhl. Denn bei der Herstellung der CAR-T-Zellen gebe es 1 bis 12 Prozent, teils sogar 17 Prozent Ausfallraten. Ein Grund dafür seien etwa »erschöpfte« T-Zellen der stark vorbehandelten Patienten. Erfolge habe man mit allogenen CAR-NK-Zellen erzielt. Natürliche Killerzellen (NK-Zellen) spielen bei der Zerstörung von Krebszellen, insbesondere MHC-I-negativen Tumorzellen, eine große Rolle. Die geringe Nebenwirkungsrate bei allogener Gabe prädestiniere sie als »Off-the-Shelf«-Produkt, so die Referentin.
Gewonnen werden NK-Zellen unter anderem aus Nabelschnurblut und induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS-Zellen). Weltweit liefen derzeit etwa 31 Studien mit CAR-NK-Zellen. Im Mittelpunkt der Forschung stehen die Überwindung von Tumor-Immun-Escape-Mechanismen sowie die Optimierung der Herstellung. Exemplarisch stellte Köhl eine Phase-I-Studie mit CAR-NK-Zellen an elf Patienten mit rezidivierenden, refraktären B-lymphoiden Erkrankungen vor (»New England Journal of Medicine« 2020, DOI: 10.1056/NEJMoa1910607). Das Ergebnis war vielversprechend: 73 Prozent der Patienten sprachen auf die aus Nabelschnurblut hergestellten CAR-NK-Zellen an. Sieben Patienten erreichten eine komplette, einer eine partielle Remission. Es traten keine Graft-versus-Host-Reaktionen oder andere Toxizitäten wie ein CRS auf.
Welchen Platz CAR-NK-Zellen zukünftig in der Immunonkologie einnehmen können, müssten weitere Studien beantworten. Vor allem mit Blick auf die Behandlung von soliden Tumoren müsse man viel mehr in Kombinationstherapien von CAR-Zellen mit Immuncheckpoint-Inhibitoren investieren, um den Immun-Escape-Mechanismus von Tumoren zu überwinden, sagte Köhl. Nicht zuletzt bedürfe es eines besseren Verständnisses der zugrundeliegenden Tumorbiologie.