Versorgungsmangel bei Antibiotika-Säften nun offiziell |
Daniela Hüttemann |
27.04.2023 08:00 Uhr |
Probleme bei der Beschaffung von Antibiotika-Säften haben Apotheken bereits seit Monaten und greifen daher vielerorts auf die Rezeptur auf Basis von Fertigarzneimitteln in Tablettenform zurück. / Foto: DAC/NRF
Apotheken und Eltern kranker Kinder wissen es seit Monaten: Antibiotika-Säfte für Kinder sind derzeit kaum zu bekommen, auch wenn der Bundesgesundheitsminister zuletzt von einer Entspannung der Lage sprach. Das ist in den Apotheken kaum zu spüren und auch das Bundesgesundheitsministerium sah es nun doch anders, denn am 19. April stellte es endlich einen offiziellen Versorgungsmangel fest. Die Bekanntmachung erfolgte am Dienstag im Bundesanzeiger (BAnz AT 25.04.2023 B4).
Diese Feststellung ermöglicht es nun den zuständigen Behörden der Länder, nach Maßgabe des § 79 Absatz 5 und 6 des Arzneimittelgesetzes (AMG), im Einzelfall ein befristetes Abweichen von den Vorgaben des AMG zu gestatten. Apotheken sollten sich bei Fragen hierzu an ihre Behörde wenden, teilte die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) mit.
Was heißt das nun konkret? Zum Beispiel dürfe nun eine Landesbehörde Chargen von Arzneimitteln freigeben, auch wenn diesen nicht die letztgenehmigte Version der Packungsbeilage beiliegt, nennt das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte auf seiner FAQ-Liste zu Lieferengpässen ein Beispiel. Dies kann der Fall sein, wenn eine bislang unbekannte Nebenwirkung aufgenommen wurde.
Auch der Import von ausländischen Präparaten kann so erleichtert werden, zum Beispiel Chargen in fremdsprachiger Aufmachung und ohne herkömmlichen Beipackzettel, wobei die Behörden dann eine deutschsprachige Version der Packungsbeilage digital zur Verfügung stellen.
Nach Einschätzung des Bremer Gesundheitsressorts reagierte das Bundesministerium damit auf eine Bremer Initiative. »Viele Eltern haben erlebt, dass sie in ihrer Apotheke den Antibiotika-Saft für ihr Kind nicht mehr bekommen konnten«, sagte Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke) laut Nachrichtenagentur dpa. Dank einer Allgemeinverfügung sei nun der Import erlaubt worden, teilte das Bremer Gesundheitsressort am Mittwoch mit. »Ich erwarte vom BMG, dass auch Maßnahmen ergriffen werden, die verhindern, dass eine solche Situation erneut eintritt«, forderte Bernhard.
Der Deutsche Apothekerverband sprach am Donnerstag gegenüber dpa von einem überfälligen Schritt und forderte von den Behörden möglichst wenig Bürokratie. »Die Länderbehörden müssen nun schnell und entschlossen handeln – und ihren gesetzlichen Ermessensspielraum nutzen«, so der heute gewählte DAV-Vorsitzende Dr. Hans-Peter Hubmann. Es komme darauf an, zusätzlichen bürokratischen Aufwand zu vermeiden, wenn man auf Ersatzpräparate ausweichen könne, etwa durch Einzelimporte aus anderen Ländern.
Die Liefersituation sei derzeit katastrophal, betonte Hubmann nochmals gegenüber den Medien. Es werde für die Apotheken immer schwieriger, ihre Patientinnen und Patienten in akuten Situationen zu versorgen. »Bei behandelbaren Krankheiten wie Scharlach muss teilweise auf Reserve-Antibiotika zurückgegriffen werden, die eigentlich nur in bestimmten Ausnahmefällen eingesetzt werden sollten, wenn Resistenzen gegen Standard-Antibiotika auftreten«, informierte der Verbandsvorsitzende.