Verjüngungskur für Fibroblasten |
Theo Dingermann |
13.04.2022 07:00 Uhr |
Mithilfe der sogenannten Reifungsphasen-transienten Reprogrammierung gelang Forschenden die biologische Verjüngung von Hautfibroplasten auf Basis epigenetischer Marker. / Foto: Getty Images/Shannon Fagan
Auf zellulärer Ebene geht die Alterung mit einer verminderten Funktion, einer modifizierten Genexpression und mit typisch epigenetischen Veränderungen einher. Gerade die Veränderungen im Epigenom, das heißt die Modifizierung von DNA-Bausteinen und der Histone, um die sich die DNA-Stränge winden, sind so charakteristisch, dass man sie heranziehen kann, um sehr präzise das zelluläre Alter zu bestimmen, das nicht mit dem chronologischen Alter übereinstimmen muss. Auf diesem Prinzip beruht die vom Genetiker Professor Dr. Steve Horvath von der University of California, Los Angeles, erarbeitete »epigenetische Uhr«, die zu einem der wichtigsten Werkzeuge in der molekularen Erforschung des Alterns geworden ist.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Babraham-Instituts in Cambridge, Großbritannien, ist es nun gelungen, auf Basis epigenetischer Marker das biologische Alter menschlicher Hautzellen um 30 Jahre zurückzudrehen. Die Studienergebnisse, die sie zu diesem Schluss veranlassten, publizierten Dr. Diljeet Gill und Kollegen kürzlich im Fachjournal »eLife«.
Die Arbeitsgruppe entwickelte eine neue Methode, die sie als Reifungsphasen-transiente Reprogrammierung (MPTR) bezeichnet. Damit ist gemeint, dass man das biologische Alter von Zellen zwar zurückdreht, um einen Verjüngungseffekt zu erreichen, dieser Prozess aber nicht so weit fortschreitet, dass die Zellen ihren Differenzierungsstatus verlieren. Diese Gefahr besteht. Denn genau wie andere Forschergruppen verwendete auch die Arbeitsgruppe einen Protein-Cocktail, der die sogenannten Yamanaka-Faktoren, also die Transkriptionsfaktoren Oct4, Sox2, Klf4 und c-Myc, enthält. Der Nobelpreisträger Professor Dr. Shinya Yamanaka hatte bereits 2008 gezeigt, dass Zellen, die mit diesen Faktoren behandelt werden, wieder ihren ursprünglichen, nicht differenzierten Grundzustand einnehmen.
Die britischen Forscher setzten die Yamanaka-Faktoren nun bei humanen Fibroblasten so dosiert ein, dass zwar die Reifungsphase der Reprogrammierung erreicht wurde, die Rückentwicklung jedoch nicht über diesen Punkt hinausging. In den auf diese Art verjüngten Zellen änderten sich mehrere molekulare Kennzeichen des Alterns auf robuste und substanzielle Weise. Darunter waren das Transkriptom, das Epigenom, die funktionelle Proteinexpression und die Geschwindigkeit der Zellmigration.
Die Autorinnen und Autoren heben hervor, dass man sich bei früheren Versuchen zur transienten Reprogrammierung auf die Initiationsphase beschränkt hatte, um die ursprüngliche Zellidentität zu erhalten. Das ist wichtig, da sich vollständig reprogrammierte Zellen, die sogenannten induzierten pluripotenten Stammzellen (iPSC), nur schwer wieder gezielt differenzieren lassen.
Bei der hier beschriebenen Arbeit verlieren die Zellen tatsächlich vorübergehend ihre Identität, wenn sie in die Reifungsphase eintreten, nehmen aber dann wieder ihr ursprüngliches somatisches Schicksal an, wenn die Reprogrammierungsfaktoren zurückgezogen werden. Dies gelingt wohl deshalb, weil – wie die Wissenschaftler zeigen konnten – das epigenetische Gedächtnis nicht bereits während der Reifungsphase der Reprogrammierung, sondern erst in der Stabilisierungsphase gelöscht wird. Hier scheint der Schlüssel zur Umkehr der Alterung somatischer Zellen zu liegen.
Auf dieser molekularen Basis konnten die Autorinnen und Autoren nun zeigen, dass bei der Verwendung von Hautfibroblasten von Spendern mittleren Alters die Zellen während der Reifungsphasen-transienten Reprogrammierung tatsächlich vorübergehend ihre Fibroblasten-Identität verlieren. Sie erlangen diese jedoch wieder, wenn der Stimulus durch die Yamanaka-Faktoren entzogen wird. Ein Grund könnte der Arbeitsgruppe zufolge darin liegen, dass das epigenetische Gedächtnis einer Fibroblastenzelle prinzipiell erhalten bleibt und/oder dass eine anhaltende Expression einiger Fibroblastengene eine komplette Reprogrammierung der Zelle verhindert.
Die Zellverjüngung wurde mithilfe unterschiedlicher Altersuhren, darunter eine neuartige Transkriptom-Uhr oder auch die epigenetische Uhr, gemessen. Das Ausmaß der durch die Reifungsphasen-transiente Reprogrammierung ausgelösten Verjüngung scheint wesentlich größer zu sein als bei früheren transienten Reprogrammierungsprotokollen. Darüber hinaus produzierten die verjüngten Fibroblasten typische Mengen an Kollagenproteinen in jungen Fibroblasten und zeigten eine teilweise funktionelle Verjüngung ihrer Migrationsgeschwindigkeit. So deuten die Resultate der Studie darauf hin, dass die umprogrammierten Zellen dem Profil von Zellen entsprechen, die im Vergleich zu Referenzdatensätzen 30 Jahre jünger waren.
Ähnliche Resultate, in diesem Fall allerdings in vivo an Labormäusen, publizierten kürzlich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern um Dr. Kristen C. Browder von dem Biotech-Unternehmen Genentech in San Francisco und Dr. Pradeep Reddy vom Salk Institute for Biological Studies in La Jolla. In einem Bericht zu der Arbeit in »Genetic Engineering & Biotechnology News« sagt der deutsche Molekularbiologe und Honorarprofessor für Epigenetik an der University of Cambridge, Dr. Wolf Reik: »Diese Arbeit lässt sehr spannende Schlüsse zu. Letztendlich könnte es möglich sein, Gene zu identifizieren, die sich gezielt beeinflussen lassen, um die Auswirkungen des Alterns zu verringern. Dieser Ansatz deutet erstaunliche therapeutische Optionen an«.