Verjüngungskur für Eizellen? |
Theo Dingermann |
17.10.2023 16:00 Uhr |
Das durchschnittliche Alter von Frauen bei der Geburt des ersten Kindes steigt in Deutschland seit Jahren. Ein Mittel, das die Fruchtbarkeit länger erhalten könnte, wäre für viele wünschenswert. / Foto: Adobe Stock/natalialeb
Mit zunehmendem Alter nimmt die weibliche Fruchtbarkeit kontinuierlich ab. Gründe sind unter anderem die sich stetig reduzierende Eierstockreserve, aber auch die abnehmende Qualität der Eizellen. Da viele Frauen heutzutage erst in vergleichsweise fortgeschrittenem Alter eine Schwangerschaft anstreben, gäbe es für Mittel, die die weibliche Fruchtbarkeit erhöhen, einen Bedarf. In einer Arbeit im Fachjournal »Nature Aging« bringen Forschende der Nanjing Agricultural University in China hierfür jetzt Spermidin als potenziellen Kandidaten ins Gespräch.
Spermidin ist ein natürliches Polyamin, das in fast jeder Körperzelle vorkommt. Mit zunehmendem Alter sinkt der Gehalt an Spermidin. Die Gruppe um Professor Dr. Yu Zhang untersuchte zunächst im Rahmen einer ungezielten Metabolomik-Studie den Stoffwechsel der Eierstöcke von jungen und älteren weiblichen Mäusen und verglich beide miteinander. Dabei stellte sie fest, dass der Spermidinspiegel in den Eierstöcken gealterter Mäuse reduziert war.
Eine Supplementierung mit Spermidin förderte bei den gealterten Mäuseweibchen die Follikelentwicklung, die Eizellreifung, die frühe embryonale Entwicklung und die Fruchtbarkeit. Zudem konnten die Forschenden in Mikrotranskriptomanalysen zeigen, dass die durch Spermidin induzierte Wiederherstellung der Oozytenqualität durch eine Verbesserung der Mitophagie-Aktivität und der mitochondrialen Funktion vermittelt wurde.
»Insgesamt handelt es sich um eine sehr gute und auch solide Studie«, kommentiert Privatdozentin Dr. Verena Nordhoff, Reproduktionsmedizinerin am Universitätsklinikum Münster. »Allerdings muss bedacht werden, dass sich Mäuse sehr stark vom Menschen unterscheiden, insbesondere was den Alterungsprozess betrifft. Ein Mäuseweibchen lebt etwa zwei Jahre und ist die meiste Zeit seines Lebens fruchtbar. Im Gegensatz dazu sind Menschen sehr langlebig und die Abnahme der weiblichen Fruchtbarkeit mit dem Alter ist mit anderen Komplikationen verbunden, die bei Mäusen nicht vorhanden oder möglicherweise irrelevant sind.«
Interessant sei, dass Spermidin in dieser Studie sowohl als Injektion als auch als Supplementierung in das Trinkwasser die Fruchtbarkeit gealterter Mäuse verbessert habe, so Nordhoff. Bevor mit einer Anwendung beim Menschen begonnen werden könne, müsse die Sicherheit einer Spermidingabe aber zuerst in weiteren Studien untersucht werden, denn die Substanz habe in Tierexperimenten auch epigenetische Wirkungen gezeigt.
Auch Dr. Sandra Laurentino von der Universitätsklinik Münster äußert Bedenken hinsichtlich der Sicherheit von Spermidin. Eine frühere Studie an Mäusen habe gezeigt, dass eine Behandlung mit sehr hohen Dosen Schäden in den Eierstöcken und insbesondere in den Granulosazellen, die die Eizellen umgeben, hervorruft. »Dies konnten die Autoren in der vorliegenden Studie auch zeigen: Die höchsten Konzentrationen von Spermidin führten tatsächlich zu schlechteren Ergebnissen.« Die Dosierung von Spermidin, das in Deutschland frei erhältlich ist, scheine also eine wichtige Rolle zu spielen.
Dr. Laura Wester vom Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns in Köln hält die in der Studie gezeigte Wirkung von Spermidin auf eine gesündere Alterung der Eizellen für überzeugend. Ob Spermidin insgesamt einen systemischen positiven Einfluss auf ein gesünderes Altern hat und so die Fertilität erhöht oder ob der Effekt durch eine direkte Einwirkung von Spermidin auf die Eizellen innerhalb der Ovarien zustande kommt, sei für sie aber noch nicht abschließend geklärt.