Vektorübertragene Krankheiten nehmen in Europa weiter zu |
Laura Rudolph |
22.08.2025 13:00 Uhr |
Durch die steigenden Temperaturen rücken Krankheitsüberträger wie die Tigermücke immer weiter nach Norden vor. / © Getty Images/GordZam
In Europa gab es in diesem Jahr bisher 27 Chikungunya-Ausbrüche. Das ist ein neuer Rekord für den Kontinent, der zudem die höchste Zahl an West-Nil-Virus-Fällen seit drei Jahren aufweist. Das European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) geht davon aus, dass vektorübertragene Infektionen weiter zunehmen und wahrscheinlich im August oder September ihren saisonalen Höhepunkt erreichen werden.
Der Grund für diese Entwicklung ist der Klimawandel: Die übertragenden, eigentlich tropischen Mücken können sich dank der wärmeren Temperaturen, längeren Sommer und milderen Winter immer weiter nördlich ansiedeln. So ist die Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus), die ursprünglich aus Südostasien stammt, mittlerweile in 16 europäischen Ländern und 369 Regionen heimisch – gegenüber 114 Regionen noch vor einem Jahrzehnt.
Mit mehr Vektoren steigt die Wahrscheinlichkeit für Übertragungen von Krankheitserregern. Zudem steigt durch den zunehmenden globalen Handel und Reiseverkehr das Risiko durch Viren und/oder Vektoren, die nach Europa eingeschleppt werden.
»Europa tritt in eine neue Phase ein, in der eine längere, weiter verbreitete und intensivere Übertragung von durch Mücken übertragenen Krankheiten zur neuen Normalität wird. Das ECDC arbeitet eng mit allen Mitgliedstaaten zusammen, um maßgeschneiderte Unterstützung und zeitnahe Leitlinien für die öffentliche Gesundheit bereitzustellen und so die Reaktion Europas zu stärken«, sagt ECDC-Direktorin Dr. Pamela Rendi-Wagner in einer Mitteilung des Instituts.
Zum ersten Mal wurde ein lokal erworbener Fall der Chikungunya-Viruserkrankung in der französischen Region Elsass gemeldet. In diesen Breitengraden ist das außergewöhnlich und verdeutlicht, dass sich die Vektoren und damit das Übertragungsrisiko weiter nach Norden ausbreiten.
Auch das West-Nil-Virus breitet sich weiter in Europa aus. In der letzten Dekade wurde die Infektion jedes Jahr in neuen Gebieten nachgewiesen, 2025 beispielsweise erstmals in den italienischen Provinzen Latina und Frosinone sowie im rumänischen Kreis Salaj.
Bis zum 13. August 2025 haben acht europäische Länder 335 lokal erworbene West-Nil-Virus-Infektionen beim Menschen und 19 Todesfälle gemeldet. Italien ist mit 274 bestätigten Infektionen weiterhin das am stärksten betroffene Land, gefolgt von Griechenland (35 Fälle), Serbien (neun Fälle), Frankreich (sieben Fälle), Rumänien (sechs Fälle), Ungarn (zwei Fälle), Bulgarien (ein Fall) und Spanien (ein Fall).
Frankreich hat 111 Fälle von Chikungunya-Viruserkrankungen gemeldet, Italien sieben, die hauptsächlich mit Ausbrüchen in den südlichen und südöstlichen Regionen in Verbindung stehen. Auf dem europäischen Festland wurden keine Todesfälle gemeldet. Weltweit wurden in diesem Jahr bisher mehr als 240.000 Fälle von Chikungunya-Viruserkrankungen und 90 Todesfälle registriert.
»Da sich die Landschaft der durch Mücken übertragenen Krankheiten weiterentwickelt, werden in Zukunft mehr Menschen in Europa gefährdet sein. Dies macht Prävention wichtiger denn je, sowohl durch koordinierte Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit als auch durch persönliche Schutzmaßnahmen. Es besteht dringender Bedarf, effiziente und umweltfreundliche Maßnahmen zur Bekämpfung von Mücken zu verstärken und auszuweiten«, betont Dr. Céline Gossner, Leiterin der Abteilung für durch Lebensmittel, Wasser, Vektoren und Zoonosen übertragene Krankheiten des ECDC.
Die Bevölkerung in Risikogebieten solle sich vor Mückenstichen schützen, rät die Behörde, etwa durch den Einsatz von Repellenzien und Mückennetzen sowie das Tragen langer Kleidung. Angehörige der Gesundheitsberufe sollten sich der Verbreitung der Viren bewusst sein und eine frühzeitige Diagnose sicherstellen. Das ECDC hat neue Leitlinien erstellt, die sich an Gesundheitsbehören richten und Maßnahmen zur Überwachung, Prävention und Kontrolle von Erkrankungen durch das Chikungunya-, Dengue-, Zika- und West-Nil-Virus enthalten.
Während es in der EU zwei zugelassene Chikungunya-Impfstoffe gibt, steht bisher keine West-Nil-Virus-Vakzine zur Verfügung.