Vaginale HIV-Prävention bei Bedarf |
Carolin Lang |
14.12.2023 07:00 Uhr |
Die rote Schleife symbolisiert Solidarität mit HIV-positiven oder aidskranken Menschen. / Foto: Getty Images/Boris Zhitkov
Die Vaginaltablette ist patronenförmig, löst sich nach dem Einführen in die Scheide schnell auf und setzt die antiretroviralen Arzneistoffe Tenofovirafenamid (TAF) und Elvitegravir (EVG) frei, die über die Vaginalflüssigkeit verteilt werden. Tier- und Laborstudien deuteten darauf hin, dass die Anwendunf bis zu drei Tage lang vor einer HIV-Infektion schützen könnte, heißt es in einer aktuellen Mitteilung der MATRIX-Kollaboration. MATRIX ist ein USAID-Projekt zur Förderung der Forschung und Entwicklung innovativer HIV-Präventionsprodukte für Frauen.
In der in den USA durchgeführten Phase-I-Studie CONRAD-146 habe sich die einmalige vaginale Anwendung bei 16 Frauen als sicher und verträglich erwiesen. Nun sollen die Sicherheit der Darreichungsform bei wiederholter Anwendung über mehrere Tage, die Akzeptanz von Anwenderinnen sowie die Arzneimittelaufnahme in den Körper in einer zweiten Phase-I-Studie (MATRIX-001) bei 60 Frauen aus Kenia, Südafrika und den USA untersucht werden.
Dazu werden die Studienteilnehmerinnen nach dem Zufallsprinzip entweder dem wirkstoffhaltigen Produkt oder einem Placebo zugeordnet. Jede Teilnehmerin wird insgesamt zehn Vaginaltabletten verwenden – zunächst täglich an drei aufeinanderfolgenden Tagen und dann jeden zweiten Tag über zwei Wochen. Die Frauen werden das Produkt selbst einführen, das erste Mal angeleitet vom Studienpersonal.
Während der zwei- bis dreimonatigen Studienlaufzeit werden neben anderen Tests auch Gewebeproben untersucht, um die Wirksamkeit nicht nur gegen HIV, sondern auch gegen Herpes-simplex-Viren (HSV) zu ermitteln. Labor- und Tierstudien hätten darauf hingewiesen, dass TAF außer gegen HIV auch gegen HSV wirkt, heißt es zur Begründung.
Aktuell verfügbare Präventionsmethoden reichten nicht aus, um den unterschiedlichen Bedürfnissen und Lebensstilen von Frauen gerecht zu werden, kommentiert Nelly Mugo, Prüfärztin am Studienstandort Kenia. »Ein Produkt, das zum Zeitpunkt des Geschlechtsverkehrs angewendet werden soll, wie die sich schnell auflösende TAF/EVG-Vaginaltablette, würde eine wichtige Lücke als Alternativkonzept für Frauen schließen, die sich nur dann schützen wollen, wenn sie es für nötig halten«, führt sie aus.
Derzeit steht zur medikamentösen HIV-Prävention die orale Präexpositionsprophylaxe (PrEP) mit Emtricitabin und Tenofovirdisoproxil zur Verfügung. Die Wirkstoffkombination kann täglich oder anlassbezogen eingenommen werden. Die anlassbezogene Einnahme sollte 24 bis spätestens zwei Stunden vor dem Geschlechtsverkehr erfolgen. Laut der Deutschen Aidshilfe gelten zwei Stunden allerdings als sehr knapp. Hinsichtlich vaginaler Sexualkontakte ist die Datenlage zur anlassbezogenen Einnahme zudem lückenhaft; diese wird daher in der Deutsch-Österreichischen Leitlinie (Stand Mai 2018, derzeit in Überarbeitung) nicht empfohlen. Die anlassbezogene Einnahme erfolgt in Deutschland generell off Label.
Alternativ gibt es einen Dapivirin-Vaginalring, der nach vier Wochen aus der Vagina entfernt und sofort durch einen neuen Ring ersetzt wird. Die Europäische Arzneimittelagentur EMA empfiehlt den Einsatz seit dem Jahr 2020 außerhalb der EU. Eine dritte Option sind Cabotegravir-Injektionen, die alle zwei Monate verabreicht werden. Das entsprechende Präparat Apretude® ist in der EU seit September 2023 zugelassen, aber noch nicht auf dem Markt.
In weiten Teilen Afrikas sei die orale PrEP die einzige verfügbare biomedizinische Präventionsmethode, informiert MATRIX. Sowohl der Vaginalring als auch die langwirksame Injektionslösung seien von der Weltgesundheitsorganisation zwar empfohlen und in mehreren afrikanischen Ländern zugelassen, aber noch nicht allgemein verfügbar.