US-Zulassung für neuartiges Schmerzmittel |
Annette Rößler |
03.02.2025 12:00 Uhr |
Mit Suzetrigin könnte eine neue Klasse von peripher wirksamen Schmerzmitteln vor der Tür stehen. Der Wirkstoff blockiert selektiv einen bestimmten spannungsabhängigen Natriumkanal. / © Getty Images/Vuk Saric
Suzetrigin (Journavx™ 50 mg Tabletten) ist ein selektiver Inhibitor des spannungsabhängigen Natriumkanals NaV1.8. Er ist in den USA nun zugelassen zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit mittelstarken bis starken akuten Schmerzen. Vertex Pharmaceuticals, das den Wirkstoff mit dem Entwicklungsnamen VX-548 zur Marktreife geführt hat, spricht in einer Mitteilung vom »ersten und einzigen zugelassenen nicht opioiden oralen Schmerzsignalinhibitor und der ersten zugelassenen neuen Klasse von Schmerzmitteln seit mehr als 20 Jahren«.
Spannungsabhängige Natriumkanäle der Subtypen NaV1.1 bis NaV1.9 finden sich in verschiedenen Zell- und Gewebearten. Sie unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Struktur und Funktion geringfügig voneinander, weisen aber eine so hohe Übereinstimmung auf, dass es bislang als schwierig galt, einen bestimmten dieser Kanäle pharmakologisch zu adressieren. Unselektive Inhibitoren spannungsabhängiger Natriumkanäle wie Lidocain (Lokalanästhetikum), Mexiletin (Antiarrhythmikum) und Carbamazepin (Antiepileptikum) gibt es schon einige. Wegen der fehlenden Selektivität haben sie aber zu viele Wirkungen jenseits der Schmerzstillung, die sie für eine Anwendung als Akutanalgetika ungeeignet machen.
NaV1.8 wird ausschließlich in peripheren nozizeptiven Neuronen der Spinalganglien exprimiert und stellt somit ein geeignetes Target für ein Schmerzmittel ohne zentrale Wirkung dar (»Drugs« 2024, DOI: 10.1007/s40265-024-02118-0). Darüber hinaus spielt der Natriumkanal eine wichtige Rolle bei der Regulierung von Entzündungsschmerz. Präklinische und klinische Daten deuten nicht darauf hin, dass der selektive NaV1.8-Inhibitor Suzetrigin ein Abhängigkeitspotenzial besitzt (»Pain and Therapy« 2025, DOI: 10.1007/s40122-024-00697-0). Da er im Gegensatz zu den nicht steroidalen Antirheumatika (NSAR) nicht in die Prostaglandin-Synthese eingreift, sind unerwünschte Wirkungen wie gastrointestinale Nebenwirkungen und Nierenschäden, die für NSAR typisch sind, auch nicht zu erwarten.
Eine Behandlung mit Suzetrigin wird mit einer Startdosis von 100 mg begonnen und dann mit 50 mg alle zwölf Stunden weitergeführt. In dieser Dosierung war der neue Wirkstoff in drei Phase-III-Studien bei Patienten mit mittelstarken bis starken (postoperativen) Schmerzen signifikant wirksamer als Pacebo. Verglichen mit der aktiven Kontrollbehandlung Hydrocodon/Paracetamol (5 mg/325 mg alle sechs Stunden) war die Wirkung jedoch nicht besser beziehungsweise schlechter.
Die häufigsten Nebenwirkungen von Suzetrigin waren Juckreiz, Muskelkrämpfe, Anstieg des Kreatinkinase-Werts und Hautausschlag. Die gleichzeitige Anwendung von starken CYP3A-Inhibitoren ist kontraindiziert. Patienten sollten während der Einnahme auch keinen Grapefruitsaft trinken.
Die Erwartungen an den neuen Arzneistoff sind hoch: »Die heutige Zulassung stellt einen wichtigen Meilenstein für die öffentliche Gesundheit beim Management von akuten Schmerzen dar«, sagte Dr. Jacqueline Corrigan-Curay, geschäftsführende Direktorin der Abteilung für Arzneistoffentwicklung und -forschung der FDA, am Tag der Zulassung. Vor dem Hintergrund der anhaltenden Opioid-Problematik in den USA hatte die FDA den Hersteller Vertex Pharmaceuticals bei der Entwicklung von Suzetrigin beraten und den Zulassungsantrag beschleunigt beurteilt.
Ob Suzetrigin mit seiner im Vergleich zu Opioiden womöglich schwächeren Wirkung einen Beitrag zur Lösung des Problems wird leisten können, bleibt abzuwarten. In Europa wird es mit einer möglichen Markteinführung wohl noch eine Weile dauern: Bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) liegt noch kein entsprechender Antrag vor.