US-Zulassung für Cantharidin |
Dellwarzen bekommen oft kleine Kinder. Die Hautläsionen werden meist mechanisch abgetragen. Jetzt wurde in den USA ein Topikum mit Cantharidin zur Behandlung von Dellwarzen zugelassen. / Foto: Adobe Stock/Lyudmila
Dellwarzen (Molluscum contagiosum) sind vor allem bei Kindern vorkommende, kleine, zentral eingedellte Warzen, die durch Viren (Poxvirus mollusci) hervorgerufen werden. Bei den meisten Betroffenen kommt es nach Monaten zu einer Spontanheilung, allerdings können Dellwarzen auch mehrere Jahre bestehen bleiben. Sie lassen sich chirurgisch oder mittels Kryo- oder Lasertherapie entfernen. Auch eine Behandlung mit 5-prozentiger Kalilauge (Medizinprodukt) kommt infrage.
Ende Juli hat die US-Arzneimittelbehörde FDA das Cantharidin-haltige Arzneimittel Ycanth® der Firma Verrica für die topische Therapie von Dellwarzen bei Erwachsenen und Kindern ab zwei Jahren zugelassen. Damit steht in den USA das erste zugelassene Arzneimittel gegen Dellwarzen zur Verfügung.
Das perhydrierte Phthalsäureanhydrid-Derivat Cantharidin (VP-102) ist ein toxisches Monoterpen, das in verschiedenen Käferarten vorkommt. Benannt wurde es nach der Familie Cantharidae (Weichkäfer) beziehungsweise dem früheren Gattungsnamen der Spanischen Fliege (Cantharis/Lytta vesicatoria), als deren Bestandteil es erstmals beschrieben wurde.
Cantharidin wurde früher als potenzsteigerndes Mittel eingesetzt, das beim Mann eine langanhaltende Erektion erzeugen soll. Erreicht wurde sie durch lokale Anwendung oder Einnahme von gelöstem Cantharidin, wobei meist zermahlene Spanische Fliege verwendet wurde. Anwendung fand es auch bei der Hautreiztherapie sowie als Mittel zur Entfernung von Warzen. Aufgrund der stark hautreizenden Wirkung wurde es früher in der experimentellen Pharmakologie beim Hautblasenversuch (Cantharidin-Test) eingesetzt.
Ycanth darf nur von geschultem medizinischen Fachpersonal angewendet werden. Es enthält eine 0,7-prozentige Cantharidin-Lösung, die über einen speziellen Einweg-Applikator verabreicht wird. Der viskösen Wirkstofflösung sind zwei Hilfsstoffe zugesetzt: Der Farbstoff Gentianaviolett erlaubt die präzise Anwendung auf den Dellwarzen ohne Beeinträchtigung der umgebenden Haut, wohingegen der Zusatz des starken Bitterstoffes Denatoniumbenzoat eine (missbräuchliche) orale Anwendung verhindern soll. Denatoniumbenzoat ist ein Benzylderivat des Lidocains mit quartärer Ammoniumstruktur.
Der molekulare Wirkmechanismus von Cantharidin ist nicht geklärt. Vermutet wird eine Degradation der Desmosomen von viral infizierten Keratinozyten, weshalb sich diese nach Anwendung des Wirkstoffes ablösen und so eine virale Clearance ermöglichen. Desmosomen sind Haftstrukturen in Zellmembranen, die feste Verbindungen zwischen zwei Zellen herstellen. Sie kommen insbesondere in Epithelzellen vor und sorgen für den mechanischen Zusammenhalt.
Die Zulassung basiert auf den Ergebnissen von zwei identischen randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Phase-III-Studien (CAMP-1 und CAMP-2), an denen Patienten ab zwei Jahren teilnahmen. Der primäre Endpunkt war die vollständige Beseitigung aller behandelbaren Dellwarzen. Diesen erreichten 46 beziehungsweise 54 Prozent der Teilnehmer in der Cantharidin-Gruppe (CAMP-1 beziehungsweise CAMP-2) versus 18 beziehungsweise 13 Prozent der Teilnehmer in der Placebogruppe.
Die Nebenwirkungen waren meist leicht bis mittelschwer. Bei 97 Prozent der behandelten Personen kam es zu lokalen Hautreaktionen an der Applikationsstelle wie Bläschenbildung, Juckreiz, Schmerzen, Verfärbungen und Erytheme. Schwerwiegende unerwünschte Wirkungen gab es keine. Die Abbruchrate aufgrund einer unerwünschten Reaktion betrug 2,3 Prozent bei den mit Cantharidin behandelten Probanden und 0,5 Prozent in der Placebogruppe.