Urteil zur Rx-Preisbindung beflügelt Apothekerschaft |
Cornelia Dölger |
15.05.2024 11:52 Uhr |
Das OLG München hat bestätigt, dass die deutsche Rx-Preisbindung auch für EU-Versender gilt. / Foto: IMAGO/dts Nachrichtenagentur
Der Deutsche Apothekerverband (DAV) und der Bayerische Apothekerverband (BAV) sehen sich durch das Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) München zur Rx-Preisbindung in ihrer berufspolitischen Arbeit gestärkt. Gestern waren die Gründe für das bereits am 7. März ergangene Urteil bekannt geworden. Demnach ist die deutsche Regelung zur Preisbindung, die seit 2021 dem Sozialrecht unterliegt, nicht europarechtswidrig – und sie war es auch nicht, als sie 2016 noch im Arzneimittelgesetz verankert war und der Europäische Gerichtshof (EuGH) sein für die Apothekenwelt erschütterndes Urteil fällte, nach dem EU-Versender, die nach Deutschland liefern, sich nicht die deutsche Preisbindung halten müssen. Dies sah das OLG allerdings anders und erklärte nun, warum.
Hans-Peter Hubmann, Vorsitzender des DAV wie des BAV, bezeichnete das Urteil bei einem Pressegespräch im Nachgang als »wertvoll« und als gute Unterstützung für die berufspolitische Arbeit. Damit sei klargeworden, dass die Arzneimittelpreisbindung »absolut ihren Sinn hat« und rechtmäßig sei. Sie diene dem Verbraucherschutz. Nicht der Preis solle bei Arzneimitteln die Hauptrolle spielen, sondern die Qualität und Beratung. »Das Urteil stärkt uns berufspolitisch 100-prozentig den Rücken«, so Hubmann.
Sebastian Czaplak, Syndikusrechtsanwalt beim BAV, ergänzte, entschieden worden sei über eine Grundsatzfrage, nämlich die, ob es rechtens sei, dass ausländische Versender entgegen den gesetzlichen Regeln in Deutschland agieren könnten. »Da haben wir einen Etappensieg errungen, den man nicht kleinreden muss«, so Czaplak.
Der EuGH hatte 2016 für einen freien Preiswettbewerb plädiert und argumentiert, dass EU-Versender, die in Deutschland agieren, sich ansonsten nur schwer auf dem deutschen Markt behaupten könnten. Gleichzeitig hatte er angemahnt, dass ihm zu wenige Argumente der klagenden Parteien für die Preisbindung vorlägen. Dass sich das OLG München später für eine genauere Auskunft der Bundesregierung in der Sachlage interessierte, gab den Kritikern des EuGH-Urteils Rückenwind.
Darauf sei der Senat in seiner Begründung eingegangen, so Czaplak. Demnach habe er gesagt, dass man dem EuGH nicht unterstellen dürfe, dass er von Haus wirtschaftliche Überlegungen über den Gesundheitsschutz stelle. Es sei dem EuGH vielmehr um mehr Sachvortrag gegangen, um den Appell an den Gesetzeber, sich mit Sinn und Zweck der Preisbindung zu befassen, etwa inwiefern diese zur Sicherung der Arzneimittelversorgung beitrage.
Ebenfalls habe der Senat quasi »aus eigener Lebenserfahrung« berichtet, wonach ein Verdrängungswettbewerb auf der preislichen Ebene nunmal existiere. Es sei ja nichts Neues, sich mit Preisen zu bekriegen und immer weiter zu unterbieten, zitierte Czaplak. Im Gesundheitsbereich aber, so der Senat weiter, müsse es eine Grenze geben, wenn gewährleistet werden soll, dass jeder die gleiche Arzneimittelqualität bekommen solle.
Der Rechtsstreit war sehr mehr als zehn Jahren anhängig und fußte auf dem Rx-Boni-Geschäft eines niederländischen Versenders. Tanimis – damals unter dem Namen Wellsana firmierend – hatte 2012 auf jedes Rx-Medikament einen Bonus von 3 Euro gewährt – pro Rezept wurden so bis zu 9 Euro direkt von der Rechnung abgezogen. Doc Morris war zu diesem Zeitpunkt schon an dem Versender beteiligt, Anfang 2013 erfolgte die vollständige Übernahme.
Doc Morris wird gegen das Urteil Revision einlegen. Nach Auswertung der Urteilsgründe bleibe das Unternehmen bei seiner Rechtsauffassung, sagte ein Sprecher heute zur PZ. Im Interesse der Patientinnen und Patienten werde Doc Morris alle weiteren notwendigen juristischen Schritte unternehmen.
Man gehe weiterhin davon aus, dass die Grundsatzentscheidung des EuGH vom 19. Oktober 2016 Bestand haben werde. »Der EuGH hat entschieden, dass ein Rabattverbot bei der Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln gegen Unionsrecht verstößt, weil es EU-ausländische Versandapotheken im Wettbewerb benachteiligt«, erklärte der Sprecher. Aktuell lägen weitere Fragen hinsichtlich der Werbung beim Bezug von Rx-Arzneimitteln beim EuGH. »Der Europäische Gerichtshof ist die relevante Instanz, um über die europarechtskonformen Bedingungen des Wettbewerbs im deutschen Apothekenmarkt zu entscheiden.«