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Kommissionsbericht
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Ungleiche Gesundheitsversorgung in der EU nimmt zu

Die EU-Kommission hat ihren sogenannten Synthesebericht vorgelegt. Darin geht es um den Zustand der europäischen Gesundheitssysteme sowie zentrale Reformen und Investitionen der vergangenen Jahre. Auf Basis der Ergebnisse sollen künftig widerstandsfähigere Gesundheitssysteme sowie eine stärker evidenzbasierte Politik entstehen.
AutorKontaktJennifer Evans
Datum 16.01.2024  11:00 Uhr

Im Nachgang der Covid-19- Pandemie haben sich die Prioritäten der europäischen Gesundheitssysteme verschoben und die Ungleichheiten zwischen den einzelnen Ländern verschärft. So hat etwa der ungedeckte Bedarf der medizinischen Versorgung zugenommen. Um die Schieflage auszubügeln, investierten die EU-Länder in Gesundheitskompetenz- und -förderung, integrierte Versorgung, Überwachungs- und Rückverfolgungssysteme und schraubten an ihrer Gesetzgebung. Die EU-Kommission will, dass die Gesundheitssysteme in Zukunft mit Krisen fertig werden können.

Die EU-Analyse hat unter anderem gezeigt, dass die Gesundheitsausgaben in Deutschland derzeit die höchsten in ganz Europa sind. Der größte Anteil fließt demnach in den stationären Sektor, gefolgt von der ambulanten Versorgung. Während der Pandemie stieg der Anteil an öffentlichen Zuschüssen hierzulande erheblich an. Aber mit 12 Prozent liegt die Summe, die deutsche Patientinnen und Patienten aus eigener Tasche bezahlen müssen, mit am niedrigsten in der gesamten EU. Davon wird das meiste Geld unter anderem für Arzneimittel ausgegeben.

In Dänemarks steuerfinanziertem Gesundheitssystem fällt der Versicherungsschutz für Arzneimittel geringer aus als in anderen Ländern. Dennoch sind Gesundheitsausgaben pro Kopf in Dänemark höher als im EU-Durchschnitt. Außerdem gibt es eine höhere öffentliche Finanzierung als in den meisten anderen Mitgliedstaaten.

Ungarn zahlt Apothekern mehr Geld

In Tschechien existiert zwar ein breites Leistungspaket mit einem relativ geringen ungedeckten Bedarf an medizinischer Versorgung. Doch die Hälfte der tschechischen Haushaltsausgaben entfällt auf Arzneimittel. Das ist auch in Ungarn so. Zudem übernehmen dort angesichts des stark wachsenden privaten Gesundheitssystems viele Angehörige der Gesundheitsberufe gleich mehrere Jobs – im öffentlichen und im privaten Sektor. Bessere Gehälter im Ausland sorgen für Abwanderung. Die ungarische Regierung griff ein und führte schrittweise erhebliche Lohnerhöhungen für Ärzte, Zahnärzte und Apotheker ein.

Frankreich hat auf den Notstand im Gesundheitssystem damit reagiert, insbesondere Krankenschwestern und Apothekern mehr Aufgaben zu übertragen. Das soll die Ärzte entlasten, vor allem in unterversorgten Gebieten.

Die Isländer geben vergleichsweise wenig für Arzneimittel aus. Das ist auch in Norwegen so. Die norwegische Regierung verwendet einen Großteil ihres Gesundheitsbudgets für die Langzeitpflege, während die Ausgaben für Arzneimittel sowohl pro Kopf als auch im Verhältnis zu den Gesamtausgaben vergleichsweise gering ausfallen.

Rumänien ist bei Medikamenten nicht so großzügig

In Italien zeigte sich in den vergangenen Jahren ein etwas anderes Bild. Trotz öffentlicher Zuschüsse liegen die Gesundheitsausgaben, die aus eigener Tasche finanziert werden, deutlich über dem EU-Durchschnitt. Größtenteils geht es um Direktzahlungen für die ambulante fachärztliche Versorgung sowie Arzneimittel.

Die Kosten für die Gesundheitsversorgung sind in Lettland hoch, insbesondere für Medikamente. Laut EU-Bericht gaben 5,4 Prozent der Letten an, dass ihr Bedarf an medizinischer Versorgung im Jahr 2022 nicht gedeckt war. Dasselbe berichten die Rumänen mit Blick auf ihre Gesundheitsversorgung. Sie bemängeln neben den hohen Preisen auch die Entfernung zu den Anlaufstellen sowie die langen Wartezeiten. Im Vergleich zu anderen EU-Ländern deckt der Versicherungsschutz bei ambulanten Arzneimitteln und Zahnbehandlungen in Rumänien weniger ab.

Auf den begrenzten Zugang zu innovativen Arzneimitteln, insbesondere für die Krebsbehandlung, begegnete die Regierung in der Slowakei mit einer Gesetzesänderung. Seitdem bekommen Patienten mehr Arzneimittel erstattet, was aber gleichzeitig zusätzlichen Druck auf die öffentlichen Haushalte bedeutet.

Neben den Ungleichheiten im Arzneimittelmarkt kommt die EU-Kommission in ihrer Analyse auch zu dem Schluss, dass vielen Mitgliedstaaten das Personal fehlt, das sich um Menschen mit Erkrankungen der psychischen Gesundheit kümmert. Außerdem wird es demnach in Zukunft erforderlich sein, noch stärker sektorenübergreifend zu arbeiten, um die mangelnde Balance in ganz Europa besser abzufedern.

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