UK-Apotheker bescheinigen ab Juli Arbeitsfähigkeit |
Jennifer Evans |
10.06.2022 11:54 Uhr |
Ab Juli dürfen Apotheken in ganz Großbritannien Bescheinigungen zur Arbeitstauglichkeit ausstellen - theoretisch zumindest. Ob sich der neue Service in der Fläche aber so schnell umsetzen lässt, bezweifelt der Berufsstand. / Foto: Adobe Stock/Kristina Blokhin
Eine neue gesetzliche Grundlage in Großbritannien erlaubt es Apothekern genauso wie Krankenschwestern, Ergotherapeuten und Physiotherapeuten, ab Juli 2022 sogenannte Fit Notes auszustellen. Nach Angaben der Regierung handelt sich dabei um digitale Bescheinigungen zur Arbeitstauglichkeit eines Patienten. Bislang durften nur Mediziner diese Nachweise erstellen, auf denen sie Einzelheiten über die funktionellen Auswirkungen des Zustands ihrer Patienten festhalten. Die Bescheinigungen dienen zur Vorlage beim Arbeitgeber, der dem Arbeitnehmer dann bei der Rückkehr zum Arbeitsplatz helfen soll.
Vornehmlich geht es der britischen Regierung darum, auf diese Weise die Hausarztpraxen von Bürokratie zu entlasten und es gleichzeitig Patienten zu erleichtern, auch außerhalb der allgemeinmedizinischen Praxen den zertifizierten Rat eines Heilberuflers einzuholen.
Unklar ist laut einem Bericht der Fachzeitschrift »The Pharmaceutical Journal« (PJ) jedoch, wie das Ganze in der Praxis aussehen soll und ob alle Apotheken ab Juli schon so weit sind, die Dokumente auszustellen. Leichter wird es demnach zunächst für jene Pharmazeuten sein, die bereits in einer Arztpraxis angestellt sind. Zur Erinnerung: Seit 2015 beschäftigten britische Hausärzte oft zusätzlich einen Praxisapotheker.
Maria Caulfield, die im britischen Gesundheitsministerium für Apothekenthemen zuständig ist, freute sich über die neuen Regeln und sagte: »Die Ausweitung von Befugnissen zur Ausstellung von Tauglichkeitszeugnissen auf andere Gesundheitsberufe wird die Hausärzte weiter entlasten und ist ein weiterer Schritt auf dem Weg, um bis zum Jahr 2024 in der Allgemeinmedizin 50 Millionen zusätzliche Termine zu schaffen.«
Etwas verhaltener äußerte sich hingegen die Präsidentin der Royal Pharmaceutical Society (RPS) Claire Anderson gegenüber des PJ zu der neuen Aufgabe für den Berufsstand. »Apotheker übernehmen immer mehr klinische Aufgaben, und die Ausstellung der Fit Notes ist zwar ein geeigneter Bestandteil der Patientenberatung. Wir haben jedoch eine Reihe von Bedenken, die ausgeräumt werden müssen, damit Apotheker die Fit Notes ausstellen können.«
Zum einen geht es Anderson darum, den niedergelassenen Apotheken denselben Zugriff auf alle relevanten Gesundheitsdaten eines Patienten zu ermöglichen, wie ihn die Kollegen aus den Hausarztpraxen haben. Nur gut informiert könne ihr Berufsstand künftig die neuen Bescheinigungen zur Arbeitstauglichkeit ausstellen, sagte sie zum PJ. Zum anderen erwartet sie von der Politik, die Bevölkerung entsprechend aufzuklären, wo genau die Nachweise ab Juli erhältlich sein werden und die Menschen dabei »nicht in die Irre zu führen«, dass diese sofort im ganzen Land zur Verfügung stünden.
Insgesamt scheint ihr die ganze Aktion etwas schnell gegangen zu sein. Denn sie hob gegenüber dem PJ ebenfalls hervor, dass solche zusätzlichen Tätigkeiten in ihren Augen bereits im Vorfeld geplant und entsprechende Finanzierungsmodelle stehen müssten. Schließlich gelte es, die neue Aufgabe noch in den – ohnehin schon mit einem »erheblichen Arbeitspensum« belasteten – Alltag der Vor-Ort-Apotheken zu integrieren.