UK-Apotheken kurz vor dem Kollaps |
Jennifer Evans |
05.05.2023 09:00 Uhr |
Mehr Patienten, steigende Kosten, wenig Personal: Der Druck auf die Apothekenteams in Großbritannien ist hoch. Eine Studie wirft die Frage auf, wie lange das noch gutgehen kann, bevor das System zusammenbricht. / Foto: Adobe Stock/Krakenimages.com
Steigende Kosten und Probleme bei der Arzneimittelversorgung sind wie in Deutschland auch in den Apotheken im Vereinigten Königreich präsent. Wie ernst die Lage ist, belegt eine aktuelle Studie des sogenannten Pharmaceutical Services Negotiating Committee (PSNC). Die Repräsentanten dieses Komitees sind zuständig dafür, mit dem britischen Gesundheitsministerium über die Belange der Apotheken vor Ort zu verhandeln.
Mit 96 Prozent bestätigten fast alle der mehr als 6200 befragten Apothekeninhabenden, dass ihnen im Vergleich zum Vorjahr vor allem die gestiegenen Kosten zu schaffen machen. Auch fehlt es an Personal. Den Hauptgrund darin sehen sie in der Unterfinanzierung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie im allgemeinen Fachkräftemangel. Gleichzeitig wird die Arbeit nicht weniger. Im Gegenteil: So berichteten die außerdem rund 2000 befragten Apothekenmitarbeitenden über einen signifikanten Anstieg von Patientenanfragen, weil diesen der Zugang zu einer Arztpraxis fehlt.
78 Prozent der Angestellten gaben an, dass sich die derzeitige Arbeitssituation negativ auf ihre psychische Gesundheit und ihr Wohlbefinden auswirke. Als einen Grund dafür nannten 45 Prozent der Teams, dass sie den Patienten oft nicht helfen können. Unter anderem spielen dabei die akuten Lieferengpässe bei Arzneimitteln eine Rolle, mit denen sich laut Auswertung inzwischen 92 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter täglich befassen müssen. Das entspricht einem Anstieg von 67 Prozent im Vergleich zur Vorjahresstudie. Angesichts des zunehmenden Medikamentenmangels sind die Apothekenteams außerdem vermehrt Aggressionen seitens der Patienten ausgesetzt. 84 Prozent der Inhaber haben solche Situationen nach eigenen Angaben bereits miterlebt.
Die Inhaber stresst am meisten, ihren Betrieb finanziell über Wasser halten zu müssen (78 Prozent). 73 Prozent wissen nicht mehr, wie lange sie das noch bewältigt können. Und 16 Prozent gehen nicht davon aus, dass sie noch ein weiteres Jahr überleben werden. Lediglich 7 Prozent von ihnen halten ihre Apotheke noch für rentabel. »Diese Ergebnisse machen deutlich, dass der Apothekensektor an einem Wendepunkt angelangt ist und viele Unternehmen nun vom Zusammenbruch bedroht sind«, heißt es in der Studie.
Außerdem sorgen sich die Inhaber um ihre Patienten. Fast alle bestätigten, dass die Kunden unter dem derzeitigen Druck auf die Apotheken leiden. Zum einen fehlt Zeit für Beratung. Dieser Ansicht sind 81 Prozent der Inhaber. Zum anderen können die Offizinen nun nicht mehr so prompt auf Anfragen via Telefon oder E-Mail reagieren, wie drei Viertel der Inhaber sagten. Damit nicht genug: 88 Prozent sind zudem besorgt oder sehr besorgt um das Wohlergehen ihrer Angestellten.
Wenn die britischen Apotheken demnächst einen neuen Leistungskatalog verhandeln, haben sie jedenfalls die Argumente auf ihrer Seite. Und in den Augen des PSNC ließen sich einige der Belastungen bereits durch eine bessere Bezahlung verringern beziehungsweise die Patienten besser schützen. Außerdem machte das Komitee eigenen Angaben zufolge sowohl dem nationalen Gesundheitsdienst National Health Service (NHS) sowie der britischen Regierung klar, keine neuen Serviceleistungen ohne eine zusätzliche Vergütung tolerieren zu wollen.
Die Studie zeichne ein »besorgniserregendes Bild« und »düstere Aussichten für die Zukunft« des Berufsstands, resümiert das PSNC. Dass die Behörden den Apotheken zusätzliche Arbeit bei bestehender Pauschalfinanzierung aufbürdeten, komme nicht in Frage. Stattdessen sollte das Gesundheitsministerium seinen Schwerpunkt auf die Unterstützung der Offizinen legen, damit diese die tägliche Versorgung der Patienten abdecken können.