| Christina Hohmann-Jeddi |
| 10.10.2022 12:30 Uhr |
Pilze wie etwa Aspergillus fumigatus sind auch in Tumoren zu finden, berichtet aktuell ein israelisch-amerikanisches Forscherteam. / Foto: Getty Images/Science Photo Library/Stephanie Rossow
Anders als bei Bakterien und Viren ist bei Pilzen weitgehend unbekannt, welche Rolle sie bei Krebserkrankungen spielen. Ein internationales Forscherteam um Dr. Lian Narunsky-Haziza vom Weizman Institute of Science in Rehovot, Israel, hat daher eine umfassende Untersuchung zur Besiedelung von Tumoren mit Pilzen vorgenommen. Es analysierte hierfür das Mykobiom in 17.400 Proben von Krebspatienten aus Gewebe, Blut oder Plasma zu 35 verschiedenen Tumorarten aus vier unabhängigen Patientenkohorten. Wie das Team im Fachjournal »Cell« berichtet, sind in allen Tumorarten Pilze zu finden – sowohl extra- als auch intrazellulär. Die Pilze waren in Krebs- und Immunzellen im Tumor nachweisbar.
»Die Existenz von Pilzen in den meisten menschlichen Krebsarten ist einerseits überraschend, andererseits erwartbar«, sagt Professor Dr. Rob Knight, Seniorautor der Studie von der University of California in San Diego, USA, in einer Mitteilung seiner Universität. Eine Überraschung sei es, weil man nicht wisse, wie die Pilze in die Gewebe gelangten. Erwartbar sei es, weil Pilze in allen bisher untersuchten Mikrobiomen – etwa im Darm, auf der Haut oder im Mund – enthalten seien.
Die Zusammensetzung der Pilzspezies in den Proben unterschied sich von Krebsart zu Krebsart, berichten die Forschenden. Die Pilze hatten offenbar auch einen Einfluss auf die Krebserkrankung: So hatten Brustkrebspatientinnen, die den normalerweise auf der Haut vorkommenden Malassezia globosa im Tumor aufwiesen, eine deutlich geringere Überlebensrate als Patientinnen ohne diesen Pilz.
Zudem fanden die Forschenden heraus, dass Brusttumoren von älteren Patientinnen andere Pilzspezies beherbergen als Tumoren von jüngeren. Lungentumoren von Rauchern unterscheiden sich in der Pilzzusammensetzung von denen von Nichtrauchern. Und Melanome, die therapieresistent waren, unterscheiden sich von denen, die auf Immuntherapien ansprachen. Ob es sich hierbei um Korrelationen oder kausale Zusammenhänge handelt, also die Pilzbesiedlung die Erkrankung beeinflusst, müsse noch geklärt werden, schreiben die Forschenden.
Die Ergebnisse legten nahe, dass die fungale Aktivität ein neues Kennzeichen von Krebserkrankungen darstelle, sagt Professor Dr. Ravid Straussman, Koautor vom Weizmann Institute of Science, in einer Mitteilung des Instituts. Die potenziellen Effekte der Pilzbesiedelung von Tumoren sollten genauer untersucht werden. Es gelte quasi alles zu hinterfragen, was man bislang zum Zusammenspiel von Krebs und dem Mikrobiom wisse.
Einer Analyse zufolge, in der die Pilzzusammensetzung und die Bakterienbesiedlung in den Tumoren miteinander verglichen wurden, dulden sich die beiden Gemeinschaften eher gegenseitig, als dass sie in Konkurrenz stehen. Zudem scheinen bestimmte Gruppen zu entstehen. So wiesen zum Beispiel Aspergillus-besiedelte Tumoren andere Bakteriome auf als Malassezia-besiedelte. Diese Gruppen könnten für die Therapie entscheidend sein, da sie mit Tumorimmunität und Überleben korrelierten.
Dem Koautor Dr. Gregory Sepich-Poore zufolge bieten die Erkenntnisse neue Ansätze zur Krebsdiagnostik, -therapie und zur Entwicklung neuer Arzneistoffe. So lassen sich etwa im Blut von Krebspatienten andere mikrobielle DNA-Signaturen nachweisen als im Blut von Gesunden. Im vergangenen Jahr gründeten Sepich-Poore und Knight das Unternehmen Micronoma, das sich genau darauf spezialisiert hat: mithilfe von mikrobiellen Biomarkern Krebserkrankungen früh zu erkennen.