Pharmazeutische Zeitung online Avoxa
whatsApp instagram facebook bluesky linkedin xign
Pränataldiagnostik

Trisomie-Bluttest jetzt Kassenleistung

Nach jahrelangen Beratungen und vielen Diskussionen ist es ab dem 1. Juli soweit: Krankenkassen zahlen zum Teil vorgeburtliche Bluttests auf Trisomien. Was zu diesem Beschluss führte – und warum er Verbänden und Medizinern noch immer Kopfzerbrechen bereitet.
AutorKontaktdpa
Datum 30.06.2022  11:46 Uhr

Bluttests, die Kenntnis über gewisse Erbgutfehler beim Baby versprechen, werden ab Freitag (1. Juli) in bestimmten Fällen von den Kassen bezahlt. Was für viele wie ein Gewinn wirken dürfte, lässt Behindertenverbände, viele Kirchen und Ärzte allerdings Alarm schlagen: Seit Jahren wird das Thema teils hitzig diskutiert. Noch immer sehen Fachleute gehäufte Bluttests auf Trisomie 21 als schmalen Grat – und nicht selten als ethischen Fallstrick.

Sogenannte nicht-invasive Pränataltests (NIPT) stehen Frauen schon seit 2012 zur Verfügung, allerdings müssen sie bislang in der Regel selbst bezahlt werden, was teuer werden kann. Beim Test wird eine Blutprobe der werdenden Mutter auf bestimmte Erbgutfehler des Fetus untersucht: etwa auf eine Trisomie 21 (Down-Syndrom), bei der das Chromosom 21 dreifach vorhanden ist und die mit unterschiedlich ausgeprägten körperlichen und geistigen Auffälligkeiten einhergeht. Ist das Testergebnis negativ, kann mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass das Ungeborene Trisomie 21 hat. Ist es hingegen auffällig, muss ein weiterer Eingriff folgen, um eine sichere Diagnose zu stellen, etwa eine Fruchtwasseruntersuchung, die mit einem geringen Risiko für eine Fehlgeburt einhergeht.

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), ein Gremium, das Ärzte, Krankenkassen und Kliniken zusammenbringt, hatte schon 2019 grundlegend entschieden, dass der NIPT auf die Trisomien 21, 13 sowie 18 in begründeten Einzelfällen und nach ärztlicher Beratung unter Verwendung einer Versicherteninformation Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) werden soll. Ein Argument: Der Bluttest sei im Gegensatz zu älteren Methoden ohne Risiko für Mutter und Kind.

Vor einem «großen Selektieren» warnt der Allgemeine Behindertenverband in Deutschland (ABiD). Sozialberater Dennis Riehle sagte kürzlich, er denke, es sei «mit den geltenden Sozialgesetzen nicht vereinbar, wenn die Krankenversicherung künftig den Bluttest auf Trisomie 21 finanzieren soll». Durch den Vorstoß steige der Anreiz zur standardmäßigen Durchführung der Gendiagnostik – ein Trend, der verhindert werden müsse. Letztlich sei aller Anreiz, über eine Behinderung wie das Down-Syndrom beim heranwachsenden Baby Kenntnis zu erhalten, «eine potenzielle Entscheidungshilfe, sich einseitig und unkritisch gegen das Kind zu positionieren».

Bluttest nicht als Standard für alle Schwangeren gedacht

Thomas von Ostrowski, Vorstandsmitglied des Berufsverbands niedergelassener Pränatalmediziner (BVNP), sieht vor allem ein Problem in der unklaren Festlegung, für wen die Tests bezahlt werden sollen. Im Gespräch mit der dpa mahnt auch er: «Unter keinen Umständen darf der NIPT als Reihenuntersuchung auf Trisomie 21 verstanden werden.» Dies könnte aus seiner Sicht angesichts der unklaren Vorgaben aber passieren.

Der G-BA-Beschluss sieht vor, dass die neue GKV-Leistung greift, wenn sich aus anderen Untersuchungen ein Hinweis auf eine Trisomie ergeben hat oder wenn eine Frau mit ihrer Ärztin oder ihrem Arzt zu der Überzeugung kommt, dass der Test in ihrer persönlichen Situation notwendig ist.

Angelika Wolff, Expertin für Schwangeren- und Schwangerschaftskonfliktberatung der Diakonie Deutschland, sagt auf Anfrage: «Wir erwarten, dass es durchaus weit verbreitet werden könnte, den NIPT durchzuführen.» Die Regelung beziehe sich auf Kostenübernahme bei «Risikoschwangerschaften» – das sei aber kein klar definierter Begriff.

Leicht gemacht habe der G-BA es sich mit der Entscheidung zu keinem Zeitpunkt, betont eine Ausschuss-Sprecherin. Neben dem Hauptargument, dass der Test eine sichere Alternative zu den invasiven Untersuchungen sei, spiele auch eine Rolle, dass mit Einschluss des Bluttests in die GKV-Versorgung ein Ungleichgewicht beendet werde. Bislang sei es Frage der finanziellen Mittel gewesen, ob Frauen den Test nutzen konnten oder auf invasive Verfahren angewiesen waren.

Allen Menschen mit Trisomie ein gutes Leben ermöglichen

Experten sehen vor allem in der Kommunikation und Information den Schlüssel – und auch die größte Schwierigkeit. Die G-BA-Sprecherin verweist auf die Versichertenbroschüre, die beim Beratungsgespräch verpflichtend mit einzubeziehen sei. Diese beschreibe, welche Aussagen mit dem Bluttest möglich seien und welche nicht und wie zuverlässig die Testergebnisse seien. Zudem müsse ein auffälliges Ergebnis zunächst weiter abgeklärt werden.

Von Ostrowski sagt: «Zentrale Herausforderung wird das Gespräch mit der Schwangeren sein, um dieser eine selbstbestimmte Entscheidung zu ermöglichen.» Die Versicherteninformation ist aus seiner Sicht aber widersprüchlich und lässt Fragen offen. Ärztinnen und Ärzten obliege nun eine enorme Verantwortung.

Wolff von der Diakonie hebt zudem die große Bedeutung psychosozialer Beratung bei schwierigen Entscheidungsprozessen hervor und sieht einen verstärkten Bedarf zur vernetzten Zusammenarbeit verschiedener Disziplinen.

Doch mit der Neuregelung kommt auch auf werdende Mütter (und Väter) und die ganze Gesellschaft einiges zu. BVNP-Vorstand von Ostrowksi ist sicher: «Die Erweiterung der NIPT als Kassenleistung wird gesellschaftlich noch weiter zur Polarisierung beitragen.»

Riehle sieht in der Neuregelung sogar eine «gesellschaftliche Sprengwirkung». Er hält jedoch den Schwerpunkt der gesellschaftlichen Diskussion für falsch gesetzt: Anstelle einer Debatte über die Pränataldiagnostik müsse eine Debatte über das Bild von Behinderung stehen. «Die Anerkennung von uneingeschränkter Würde jeder Person zu praktizieren, das bleibt Aufgabe von uns allen.»

Auch Wolff von der Diakonie betont: Ziel müsse sein, alle Kinder, auch jene mit einer Trisomie, gut aufwachsen lassen zu können. «Hier sind noch viele Schritte hin zu einer inklusiveren Gesellschaft notwendig.»

Frag die KI
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
BETA
Menü
Zeit
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
Zeit
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
Senden
SENDEN
KI
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
KI
KI
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.

Mehr von Avoxa