Trisomie-Bluttest jetzt Kassenleistung |
Thomas von Ostrowski, Vorstandsmitglied des Berufsverbands niedergelassener Pränatalmediziner (BVNP), sieht vor allem ein Problem in der unklaren Festlegung, für wen die Tests bezahlt werden sollen. Im Gespräch mit der dpa mahnt auch er: «Unter keinen Umständen darf der NIPT als Reihenuntersuchung auf Trisomie 21 verstanden werden.» Dies könnte aus seiner Sicht angesichts der unklaren Vorgaben aber passieren.
Der G-BA-Beschluss sieht vor, dass die neue GKV-Leistung greift, wenn sich aus anderen Untersuchungen ein Hinweis auf eine Trisomie ergeben hat oder wenn eine Frau mit ihrer Ärztin oder ihrem Arzt zu der Überzeugung kommt, dass der Test in ihrer persönlichen Situation notwendig ist.
Angelika Wolff, Expertin für Schwangeren- und Schwangerschaftskonfliktberatung der Diakonie Deutschland, sagt auf Anfrage: «Wir erwarten, dass es durchaus weit verbreitet werden könnte, den NIPT durchzuführen.» Die Regelung beziehe sich auf Kostenübernahme bei «Risikoschwangerschaften» – das sei aber kein klar definierter Begriff.
Leicht gemacht habe der G-BA es sich mit der Entscheidung zu keinem Zeitpunkt, betont eine Ausschuss-Sprecherin. Neben dem Hauptargument, dass der Test eine sichere Alternative zu den invasiven Untersuchungen sei, spiele auch eine Rolle, dass mit Einschluss des Bluttests in die GKV-Versorgung ein Ungleichgewicht beendet werde. Bislang sei es Frage der finanziellen Mittel gewesen, ob Frauen den Test nutzen konnten oder auf invasive Verfahren angewiesen waren.
Experten sehen vor allem in der Kommunikation und Information den Schlüssel – und auch die größte Schwierigkeit. Die G-BA-Sprecherin verweist auf die Versichertenbroschüre, die beim Beratungsgespräch verpflichtend mit einzubeziehen sei. Diese beschreibe, welche Aussagen mit dem Bluttest möglich seien und welche nicht und wie zuverlässig die Testergebnisse seien. Zudem müsse ein auffälliges Ergebnis zunächst weiter abgeklärt werden.
Von Ostrowski sagt: «Zentrale Herausforderung wird das Gespräch mit der Schwangeren sein, um dieser eine selbstbestimmte Entscheidung zu ermöglichen.» Die Versicherteninformation ist aus seiner Sicht aber widersprüchlich und lässt Fragen offen. Ärztinnen und Ärzten obliege nun eine enorme Verantwortung.
Wolff von der Diakonie hebt zudem die große Bedeutung psychosozialer Beratung bei schwierigen Entscheidungsprozessen hervor und sieht einen verstärkten Bedarf zur vernetzten Zusammenarbeit verschiedener Disziplinen.
Doch mit der Neuregelung kommt auch auf werdende Mütter (und Väter) und die ganze Gesellschaft einiges zu. BVNP-Vorstand von Ostrowksi ist sicher: «Die Erweiterung der NIPT als Kassenleistung wird gesellschaftlich noch weiter zur Polarisierung beitragen.»
Riehle sieht in der Neuregelung sogar eine «gesellschaftliche Sprengwirkung». Er hält jedoch den Schwerpunkt der gesellschaftlichen Diskussion für falsch gesetzt: Anstelle einer Debatte über die Pränataldiagnostik müsse eine Debatte über das Bild von Behinderung stehen. «Die Anerkennung von uneingeschränkter Würde jeder Person zu praktizieren, das bleibt Aufgabe von uns allen.»
Auch Wolff von der Diakonie betont: Ziel müsse sein, alle Kinder, auch jene mit einer Trisomie, gut aufwachsen lassen zu können. «Hier sind noch viele Schritte hin zu einer inklusiveren Gesellschaft notwendig.»