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Wearables plus KI

Tragbare Sensoren erkennen neurologische Krankheiten

Können Sensoren, die Patienten am Körper tragen, die Dokumentation von Symptommustern neurologischer Erkrankungen verbessern? Diese Frage konnte im Falle zweier Krankheiten, zum einen bei der Duchenne-Muskeldystrophie (DMD) und zum anderen bei Friedreich-Ataxie (FA) von Forschenden am Imperial College London und der Universität Bayreuth positiv beantwortet werden.
Theo Dingermann
02.03.2023  12:00 Uhr

Das Thema »Wearables«, also Sensoren, die in bestimmte Kleidungsstücke integriert sind und am Körper getragen werden, ist nicht neu. Wer ein Fitness-Armband oder eine mit entsprechenden Sensoren ausgestattete Uhr trägt, gehört keiner Minderheit mehr an. Allerdings sind diese Sensoren in ihrer Mehrzahl eher einfach konzipiert. Das könnte sich bald ändern, wie zwei aktuelle Publikationen in »Nature Medicine«  jetzt demonstrieren.

Diese beiden konkreten Beispiele kommen aus der Neurologie. Forschende am Institut für Künstliche und Menschliche Intelligenz der Universität Bayreuth entwickelten zusammen mit Kollegen aus London Wearables, um komplexe pathologische Bewegungsmuster von neurologischen Erkrankungen zu dokumentieren und in Kombination mit künstlicher Intelligenz (KI) auswerten zu können.

Bewegungsmuster bei der Friedreich-Ataxie (FA)

In der ersten Arbeit zeigten die Forschenden die Machbarkeit ihres auf KI-basierenden Ansatzes am Beispiel der Friedreich-Ataxie (FA). Diese Krankheit wird durch eine Variante des Frataxin (FXN)-Gens verursacht. Dabei handelt es sich um eine autosomal-rezessiv vererbte, degenerative Erkrankung des zentralen Nervensystems, die sich progredient entwickelt und oft spät erkannt wird. Schon früh treten Ataxie (Bewegungsstörung) und Sensibilitätsstörungen auf, die meist zunächst nur unbewusst wahrgenommen werden und schließlich zu Beeinträchtigung der kardialen und neurologischen Funktion führen. Wenn diese krankheitsspezifischen Bewegungsstörungen früh erkannt würden, könnte dies die FA-Diagnostik erleichtern.

Um dies zu ermöglichen, erfassten die Forschenden zunächst Ganzkörperbewegungs-Kinematiken von neun FA-Patienten (sechs Frauen und drei Männer) mithilfe eines Ganzkörperanzugs mit 17 Sensoren zu vier verschiedenen Zeitpunkten (Tag 1, nach drei Wochen, nach drei Monaten und nach neun Monaten). Dann ermittelten sie über den Vergleich der Kinematiken mit denen von gesunden Kontrollen die typischen Bewegungsmuster, als quasi digitale Biomarker. 

Durch Einsatz von KI konnten die Forschenden zeigen, dass die kinematischen Merkmale den Verlauf der Erkrankung besser vorhersagen konnten als die sonst üblicherweise verwendeten Skalen Spinocerebellar Ataxia Functional Index (SCAFI) und Scale for the Assessment and Rating of Ataxia (SARA).  Zudem lässt sich aus den kinetischen Daten auch auf die FXN-Spiegel schließen, was darauf hindeutet, dass sich der Grad der FXN-Genexpression als Prädiktor für den Krankheitsverlauf eignen könnte. »Erstmals kann jetzt die Aktivität von Genen im Menschen nur anhand von Bewegungsdaten, ohne die Entnahme von Blut- oder Gewebeproben, gemessen werden«, heißt es dazu in einer Mitteilung der Universität Bayreuth

Die Autoren argumentieren, dass die komplexen und subtilen Bewegungsmuster der FA-Patienten selbst sehr erfahrenen Klinikern entgehen können, zumal Ataxie-Patienten komplexe kompensatorische Bewegungsmechanismen entwickeln, um ihre sensomotorische Dysfunktion auszugleichen. Dieses Problem scheint der Lösungsansatz des Bayreuther Teams zu überkommen.

Ein Vorteil ist auch, dass die entwickelten digitalen kinematischen Funktionen nicht von einem bestimmten »Anzug« abhängig sind. Die einzigen Informationen, die für die Generierung der kinematischen Merkmale benötigt werden, sind die Skelettbewegungsdaten, also Zeitreihen von Körperhaltungen.

Einsatz auch bei der Duchenne-Muskeldystrophie

In der zweiten Arbeit testeten die Forschenden ihr kinetisches Biomarkerkonzept bei Patienten mit Duchenne-Muskeldystrophie (DMD), einer im Kindesalter beginnenden Muskelerkrankung. Dazu wurden die Bewegungsdaten von 21 Patienten und 17 altersangepassten gesunden Probanden aufgezeichnet. Während der Testphasen verrichteten die Teilnehmer, die den17-Sensor-Bodysuit trugen, typische Alltagsaktivitäten.

Auch hier definierten die Forschenden zunächst neue Bewegungsverhaltens-Fingerabdrücke, durch die sich DMD-Patienten von den Kontrollpatienten unterscheiden lassen. Dann verwendeten sie maschinelle Lernalgorithmen, die die Verhaltens-Fingerabdrücke kombinierten, um quer- und längsschnittliche Krankheitsverlaufsvorhersagen zu treffen. Auch in diesem Fall übertrafen die Ergebnisse die Vorhersagen, die aus derzeit verwendeten klinischen Bewertungen abgeleitet wurden.

Mithilfe ihres KI-Ansatzes entwickelten die Forschenden den neuen Biomarker »KineDMD«, der ein zuverlässiges Gesamtbild von den aktuellen motorischen Fähigkeiten einer erkrankten Person vermittele. Die Autoren glauben, mithilfe ihres Ansatzes, der das Bewegungsverhalten des täglichen Lebens auch mit dem Krankheitsverlauf korreliert, einen systematischen Weg aufzuzeigen, um in Echtzeit bestimmen zu können, wann ein neuer Therapieeffekt eintritt oder abklingt.

Sie sehen auch Potenziale für ihre Wearables-Technologie. »Unsere Forschungsergebnisse enthalten zahlreiche Anknüpfungspunkte dafür, diese Technologie auf andere neurodegenerative Erkrankungen, aber auch auf kardiologische und orthopädische Erkrankungen auszuweiten – bis hin zu Schädigungen des Nervensystems, die beispielsweise durch einen Schlaganfall oder einen Herzinfarkt verursacht wurden«, erklärt Professor. Dr. Aldo Faisal, Seniorautor beider Studien, in der Mitteilung.

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