Pharmazeutische Zeitung online Avoxa
whatsApp instagram facebook bluesky linkedin xign
Verhängnisvolles Erbe

Träger einer Neandertaler-Genvariante können schwerer an Covid-19 erkranken

Die Nachricht, dass ein Genbaustein aus dem Neandertaler-Genom das Risiko für einen ernsteren Verlauf von Covid-19 erhöhen könnte, machte schon vor Monaten einmal die Runde. Nun legen Wissenschaftler nach und präsentieren weitere interessante Daten.
AutorKontaktTheo Dingermann
Datum 28.12.2020  12:00 Uhr

Im vergangenen Sommer deuteten die Ergebnisse einer groß angelegten internationalen Studie darauf hin, dass ein Gencluster auf Chromosom 3, das noch vom Neandertaler stammt, mit einem höheren Risiko für einen schweren Covid-19-Verlauf verbunden sein könnte. Aber nicht alles ist schlecht und besorgniserregend. Denn die Wissenschaftler zeigten auch, dass es neben der schädlichen Variante auch eine schützende genetische Variante für schweres Covid-19. Dieses Gencluster liegt auf Chromosom 12.

Svante Pääbo vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig hat nun mit seinen Kollegen weitergesucht und geschaut, ob noch andere Gencluster aus dem Neandertaler-Genom den Krankheitsverlauf beeinflussen könnten. Diese Arbeit ist nun als Preprint auf bioRxiv erschienen. Hier zeigen die Wissenschaftler, dass 2 bis 8 Prozent der Menschen in Eurasien eine Variante der Promotorregion des Gens für die Dipeptidylpeptidase-4 (DPP4) tragen, die sie von den Neandertalern geerbt haben. Bei DPP4 handelt es sich um ein proteolytisches Enzym, das unter anderem das Darm-Peptidhormon GLP-1 inaktiviert, was seit fast 15 Jahren auch therapeutisch bei Menschen mit Typ-2-Diabetes genutzt wird. Pharmazeuten kennen die DPP4-Inhibitoren, auch Gliptine genannt.

Von DPP4 weiß man aber auch, dass dieses Enzym dem Coronavirus MERS-CoV als Rezeptor dient. Das lässt aufhorchen, denn MERS-CoV und SARS-CoV-2 sind bekanntlich eng verwandt. Bislang wurde nicht angenommen, dass auch SARS-CoV-2 über das membrangebundene DPP4-Enzym in eine Zelle eindringen kann. Und dennoch scheint durch die Neandertaler-DPP4-Variante das Risiko, an Covid-19 kritisch zu erkranken, tatsächlich erhöht zu sein.

Die aktuellen Analysen zu der DPP4-Genvarianten bei Covid-19-Patienten deuten darauf hin, dass tatsächlich DPP4 dem SARS-CoV-2-Virus neben seinem üblichen Infektionsweg über den ACE2-Rezeptor auf Zelloberflächen auch einen Zugang zu unseren Zellen verschafft.

Die negative Mitgift überwiegt Schutzfaktoren

Die genaueren Analysen, bei denen nach ganz bestimmte Haplotypen, also Gruppen verdächtiger Mutationen gesucht wurde, zeigen nun, dass das Risiko, an Covid-19 schwer zu erkranken, für diejenigen ähnlich hoch ist, die den Neandertaler-Haplotyp am DPP4-Locus tragen, wie die Risikoerhöhung durch die Mutationen auf dem Chromosom 3. Diese beiden Risiko-Haplotypen haben stärkere Effektgrößen als der schützende Neandertaler-Haplotyp auf Chromosom 12, der das Risiko, schwer zu erkranken, um 23 Prozent senkt.

Auf die Schliche kamen die Forscher der Bedeutung des Neandertaler-Haplotyps am DPP4-Locus, nachdem sie Genome von Patienten analysierten, die schwer an Covid-19 erkrankt waren. So konnten sie schnell herausfinden, dass diese archaischen Gene tatsächlich einen Einfluss darauf zu haben scheinen, wie der heutige Mensch auf das Coronavirus reagiert.

Die Neandertaler-Version von DPP4 tauchte in den Genomen von 7885 Personen auf, die mit einer schweren Covid-19 ins Krankenhaus eingeliefert waren. »Diese Koinzidenz wurde deutlich öfter beobachtet als in einer Kontrollgruppe«, sagt Zeberg, einer der Ko-Autoren der Publikation. Wenn eine Person eine einzelne Kopie der Neandertaler-Genvariante hatte, war das Risiko für einen schweren Covid-19-Verlauf doppelt so hoch wie bei Kontrollpatienten. Entsprachen beide DPP4-Kopien der Neandertaler-Variante, vervierfachte sich das Risiko.

Wie häufig ist die Neandertal-Variante?

Erhebliche Unterschiede bestehen hinsichtlich der Verbreitung der genetischen Risikovariante in Form des Neandertaler-Haplotyps am DPP4-Locus in verschiedenen Teilen der Welt. Besonders häufig findet sie sich bei Menschen in Südasien, wo etwa die Hälfte der Bevölkerung die Neandertaler-Variante im Genom trägt.

In Europa hat einer von sechs Menschen die Risikovariante geerbt, während sie in Afrika und Ostasien so gut wie gar nicht vorkommt. Der Neandertaler DPP4-Haplotyp ist bei  rund 1 Prozent der Europäer, 2,5 Prozent der Südasiaten, 4 Prozent der Ostasiaten und 0,7 Prozent der Amerikaner gemischter Herkunft vorhanden. Bei Afrikanern südlich der Sahara ist er nicht gefunden worden.

Die Studie liefert noch keine Erklärung dafür, warum Personen mit dieser Genvariante ein höheres Risiko für einen schweren Covid-19-Verlauf haben. Die Neandertaler-Änderungen am DPP4-Gen wirken sich wahrscheinlich nicht direkt auf die Form oder Funktion des Enzyms aus, denn sie befinden sich alle in der Promotorregion, die normalerweise nur beeinflusst, wo im Körper und wie stark das Gen aktiv ist. Hier sind also noch Forschungen notwendig.

Frag die KI
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
BETA
Menü
Zeit
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
Zeit
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
Senden
SENDEN
KI
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
KI
KI
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.

Mehr von Avoxa