TMPRSS2 hilft SARS-CoV-2 bei der Infektion |
Theo Dingermann |
07.06.2024 15:00 Uhr |
Für den Zelleintritt bindet das Spike-Protein von SARS-CoV-2 (rot) an den ACE-Rezeptor (blau) der Wirtszelle. Dabei können weitere Membranproteine unterstützen. / Foto: Adobe Stock/Juan Gärtner
Das SARS-Coronavirus-2 dringt in Wirtszellen ein, indem sein Spike-Proteins (S-Proteins) an das Angiotensin-konvertierende Enzym 2 (ACE2) an der Zelloberfläche bindet. Dabei ändert das S-Protein seine Konformation , sodass Wirtsproteasen es spalten und das virale Fusionspeptid (FP) freisetzen können, das für die Verschmelzung von Virus- und Zellmembran verantwortlich ist. Eine davon ist die Serinprotease TMPRSS2 (Transmembranprotease Serin 2), die SARS-CoV-2 helfen kann, in eine zu infizierende Zelle einzudringen. Zwingend ist das Virus auf diese Hilfe jedoch nicht angewiesen.
Was damit verbunden ist, wenn TMPRSS2 bei der Infektion der Zelle hilft, haben Forschende unter Federführung von Wissenschaftlern am Paul-Ehrlich-Institut und der Ruhr University Bochum studiert. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal »Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS)« veröffentlicht.
Durch Elektronenmikroskopie und Inhibitorexperimente mit Zellen, die die membranständige Protease entweder exprimieren oder auch nicht, konnten die Forschenden zeigen, dass ein durch TMPRSS2-vermittelter Zelleintritt im Vergleich zu einer Infektion ausschließlich über den ACE2-Rezeptor mit einer verstärkten Internalisierung des Virions in Endosomen einhergeht und dass die Virionen teilweise auch durch eine Clathrin-vermittelte Endozytose aufgenommen werden.
Ist TMPRSS2 beim Zelleintritt beteiligt, hat dies auch funktionelle Konsequenzen, wie eine gesteigerte Virusreplikation, Transkription und Sekretion . Dabei hängt das Ausmaß dieser Effekte von variantenspezifischen Profilen ab.
Die gesteigerte Virusreproduktion wirkt sich wiederum auf Prozesse in den infizierten Zellen aus. Auf Basis von Transkriptionsprofilen konnten die Forschenden zeigen, dass sich beispielsweise das Ausmaß der durch die Infektion ausgelösten antiviralen und proinflammatorischen Reaktionen ändert. So laufen bei einem TMPRSS2-unterstützten Viruseintritt die frühen antiviralen Reaktionen deutlich verstärkt ab, die angeborene Immunabwehr wird also vermehrt aktiviert.
Aber auch die Zytopathologie, die Apoptose und Nekrose laufen verstärkt ab, wenn der Zelleintritt von TMPRSS2 unterstützt wird. Insgesamt würden Varianten mit verbesserten Immunevasionseigenschaften selektiert, was zu einer schwereren Erkrankung beitragen könne, schreiben die Autoren. »Zusammengenommen unterstreichen diese Daten ein kompliziertes Gleichgewicht zwischen der Effizienz der Virusaufnahme, den zelleigenen Reaktionen und der durch die Infektion ausgelösten Pathologie«, heißt es in der Publikation.
Die Autoren zeigen somit, dass TMPRSS2 keineswegs nur ein als Hilfsmittel für SARS-CoV-2 fungiert, effizient in eine Zelle einzudringen, sondern dass die Protease auch ein wichtiger Modulator der nachgeschalteten zellulären Reaktionen auf die Infektion ist. Somit weisen die Daten auf eine bisher unbekannte umgekehrte Beziehung zwischen einer erhöhten Effizienz eines durch TMPRSS2 vermittelten zellulären Eintritts und einer beschleunigten Apoptose- und Nekrose-Raten hin, die die Virusproduktionsraten auf variantenspezifische Weise modulieren.
Schließlich konnten die Forschenden auch zeigen, dass die TMPRSS2-vermittelte Infektionsverstärkung eine konservierte Eigenschaft von entsprechenden membranständigen Proteasen aus verschiedenen Säugetieren ist, einschließlich zoonotischer Reservoirs des Coronavirus.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.