TK-Experte: Wege aus der Kostenexplosion |
Melanie Höhn |
18.03.2022 10:30 Uhr |
Neben den regulatorischen Aspekten wünscht sich die TK auch wettbewerbliche Maßnahmen, bei deren Umsetzung Steimles Berechnung zufolge insgesamt 4,6 Milliarden Euro eingespart werden könnten. Ein Aspekt, den Wettbewerb zu fördern, sei über sogenannte »Fokuslisten« möglich: Diese würden laut Steimle heute schon in Arztverträgen recht gut funktionieren. »Das heißt, dass wir mit Ärzten entsprechende Regularien vereinbaren, um entsprechende Verordnungshäufigkeiten zu verbessern«, sagte Steimle. Krankenkassen würden die Möglichkeit erhalten, selektiv ein bis zwei Präparate für ihre Versicherten auszuwählen – die sogenannten Fokusprodukte. Dies sei ein Anreiz für die Pharmaindustrie, größere Rabatte zu gewähren.
Ein weiterer wettbewerblicher Vorschlag Steimles ist der Opt-out-Abschlag. »Opt-out sorgt für viel Aufwand bei fehlendem Ertrag aufseiten der GKV. Hersteller zahlen auf alle Produkte 0,5 Prozent mehr Herstellerabschlag, wenn für ein Produkt opt-out gewählt wurde«, erklärte Steimle. Zudem schlägt die TK einen sogenannten Kombinationsherstellerabschlag vor. Die Ausgabendynamik, vor allem in der Onkologie, sei auch bedingt durch den steigenden Anteil von Kombinationstherapien, so Steimle. »Die Kombination zweier oder mehr Arzneimittel führt nicht unbedingt zu einer Addition des Nutzens«, betonte er, aber »auf jeden Fall zur Addition des Preises«. Bisher gebe es keine adäquaten Regelungen für Kombinationen in den Erstattungsbetragsverhandlungen. Die Lösung: ein Kombinationsherstellerabschlag von 15 Prozent.
Laut Steimle müssten mittelfristig noch weitreichendere Modelle entwickelt werden, die die pharmaunabhängige Evidenzlage verbessern und ein modellbasiertes Fair Pricing möglich machen. Zusätzlich müsse es eine organisatorische Anpassung der Arzneimittelversorgung geben, um die Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) zu fördern. Steimle: »Wir brauchen ein neues Verständnis für eine moderne Arzneimitteltherapie der Zukunft.« Der TK-Arzneimittelexperte wünscht sich »eine andere Grundlage für die Zusammenarbeit«. Es gelte nicht nur, die sichere Anwendung von Arzneimitteln gut zu begleiten, sondern auch eine bessere Wirksamkeit mit den Ärzten zu organisieren und es brauche einen Austausch mit den Pharmaunternehmen, um zu fairen Preisen zu kommen. »Da sind wir in den vergangenen Jahren deutlich auseinandergelaufen«, bemängelte Steimle. Weiterhin kritisierte er die Regularien im Gesetz hin zu einem Abbau der Krankenkassen-Reserven, »wenn man nur noch so wenig Geld hat, um die Finanzierung sicherzustellen«.