Arzneiformen zur Gabe von Hypothalamus-und Sexualhormonen |
24.11.1997 00:00 Uhr |
Titel
1. Transdermale Hormonsubstitution im Klimakterium
Appliziert man Estrogene zur Behandlung des Menopausalsyndroms peroral, so weisen
sie eine geringe Bioverfügbarkeit auf und führen zu unerwünschten Wirkungen, wie
Blutdrucksteigerung oder Veränderung der Leberfunktion. Dies läßt sich vermeiden,
wenn Estradiol durch Transdermale Therapeutische Systeme (TTS) Hormonpflaster
verabreicht wird. Man umgeht hierdurch den hepatischen First-pass-Effekt und erzielt
analog einer Dauerinfusion sehr gleichmäßige Plasmaspiegel. Hieraus resultiert eine sehr
gute systemische Verträglichkeit der TTS.
Von Nachteil sind allerdings lokale Nebenwirkungen, wie Hautirritationen oder in
seltenen Fällen auch allergische Reaktionen. Jüngere Entwicklungen zielen daher vor
allem auf eine Reduktion dieser Nebenwirkungen. Durch Einsatz moderner
Pflasterklebstoffe auf der Basis von Polyacrylaten und Verzicht auf Ethanol als
Lösungsmittel konnte die Verträglichkeit soweit gesteigert werden, daß sich inzwischen
Pflaster realisieren lassen, die nur einmal wöchentlich zu wechseln sind. Alternativ ist
neuerdings eine transdermale Estrogensubstitution auch mit einer Gelformulierung
möglich, die einmal täglich zu applizieren ist. Bei bestimmungsgemäßer Applikation ist
eine therapeutische Äquivalenz mit Estradiol-TTS klinisch belegt, wobei sich die
Gelformulierung bezüglich der Hautverträglichkeit als überlegen erweist.
2. Vaginalring
Der Vaginalring dient der lokalen Therapie des Estrogenmangels. Der 10 g schwere
Ring aus Silikonelastomer hat einen Durchmesser von 55 mm. Im Inneren des
Vaginalrings befindet sich ein Reservoir von 2 mg 17ß-Estradiol, aus dem der Wirkstoff
durch passive Diffusion mit einer konstanten Rate von 7,5 µg/Tag über drei Monate
freigesetzt wird. Die konstante Abgaberate erfordert auf einem gleichmäßigen
Konzentrationsgradienten zwischen Reservoir und Ringoberfläche. Daher kann nur
etwa ein Drittel der enthaltenen Wirkstoffmenge genutzt werden.
Vergleicht man die abgegebene Wirkstoffmenge mit der eines TTS, so ergibt sich eine
um 70 bis 90 Prozent niedrigere Abgaberate, woraus entsprechend niedrige
Plasmakonzentrationen von Estradiol (< 30 pmol/ml) resultieren. Hierdurch werden
systemische Effekte - Wirkungen wie Nebenwirkungen - weitestgehend vermieden. Der
Vaginalring eignet sich daher ausschließlich zur Behandlung der Estrogen-bedingten
Altersatrophie im unteren Genitaltrakt. Die Therapie sonstiger Beschwerden des
Klimakteriums wie Hitzewallungen oder eine Prophylaxe der Osteoporose ist hingegen
nicht möglich. Andererseits ist auch keine Proliferation des Endometriums zu
befürchten, so daß sich eine zusätzliche Gabe von Gestagenen erübrigt.
3. Mikropartikel und Implantate zur parenteralen Anwendung
GnRH-Agonisten weisen nur nach parenteraler Gabe eine hohe Bioverfügbarkeit auf.
Die Langzeittherapie erfordert daher eine Arzneiform, die es erlaubt, den Wirkstoff
nach subkutaner oder intramuskulärer Applikation gleichmäßig über einen langen
Zeitraum freizusetzen. Dies gelingt mit Mikropartikeln und Implantaten auf der Basis
bioabbaubarer Polymere.
Mikropartikel sind feste partikuläre Arzneiträger mit einem Durchmesser von meist
weniger als 250 µm. Entsprechend ihrem Aufbau unterscheidet man zwischen
Mikrokapseln mit einer distinkten Polymerhülle und Mikrosphärulen mit einer
Matrixstruktur. Zur Herstellung von Mikropartikeln eignen sich mehrere Verfahren, von
denen Sprühtrockung, Phasenseparation und
Wasser-in-Öl-in-Wasser(W/O/W)-Emulsionstechnologie in der Arzneimittelproduktion
von Bedeutung sind. Implantate sind kleine, zylindrische Polymerstäbchen mit einem
Durchmesser von etwas über einem Millimeter und einer Länge von bis zu 17 mm,
deren Herstellung normalerweise durch ein Extrusionsverfahren erfolgt.
Polymere für injizierbare Depotpräparate müssen biologisch vollständig abbaubar und
biokompatibel sein. Am häufigsten werden heute Polyester von
alpha-Hydroxycarbonsäuren wie Milch- oder Glykolsäure verwendet. Durch
Copolymerisation dieser beiden Monomerenbausteine kommt man zu den
Poly(D,L-lactid-co-glycoliden) (PLGA), so daß sich je nach Zusammensetzung
Polymere mit unterschiedlichstem Verhalten synthetisieren lassen. Fertigarzneimitteln mit
GnRH-Agonisten basieren auf Polymilchsäure (PLA) und PLGA, wobei derzeit PLGA
50:50 und PLGA 75:25 am häufigsten gebraucht werden.
Die Abgabe von Peptidhormonen aus Mikropartikeln und Implantaten erfolgt im
wesentlichen durch Abbau des Polymers (Matrix-Erosion), deren Geschwindigkiet von
zahlreichen äußeren Faktoren beeinflußt wird, wie pH-Wert, Pufferkapazität,
Osmolarität und Benetzbarkeit. Mikropartikel müssen vor der Applikation in einem
geeigneten Suspensionsmittel, das sich z.B. im zweiten Kompartiment einer
Doppelkammer-Fertigspritze befindet, dispergiert werden. Die gebrauchsfertige
Suspension ist danach nur begrenzt haltbar, d.h., sie ist im allgemeinen sofort nach der
vorschriftsmäßigen Herstellung zu applizieren.
PZ-Titelbeitrag von Rolf Daniels, Braunschweig
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