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Arzneimittelversorgung ohne Lücken

09.09.2002  00:00 Uhr

Seamless Care

Arzneimittelversorgung ohne Lücken

von Katja Taxis, Tübingen

Ein Krankenhausaufenthalt verändert nicht nur drastisch das Lebensumfeld eines Patienten, sondern kann auch seine Arzneitherapie erheblich beeinflussen. Gerade bei Aufnahme und Entlassung wird die Medikation – gewollt und ungewollt - häufig verändert. Modellprojekte zeigen, wie Offizin- und Krankenhausapotheker zu einer besseren lückenlosen Pharmazeutischen Betreuung oder „seamless pharmaceutical care“ beitragen können.

Bei der Aufnahme ins Krankenhaus stellt der Arzt bei der Arzneimittelanamnese fest, welche Medikation der Patient zu Hause regelmäßig eingenommen hat. Diese Dauermedikation kann während des Aufenthalts geändert werden. Vor der Entlassung entscheiden die Ärzte, wie die Arzneimitteltherapie weitergeführt werden soll, und teilen diesen Therapieplan im Entlassbrief dem nachbehandelnden Arzt mit. Dieser verordnet die Folgetherapie, die der Patient dann in der Apotheke erhält.

Der Erfolg der Arzneitherapie ist unter anderem abhängig von der Kontinuität der Behandlung. An den Schnittstellen zwischen ambulanter und stationärer Versorgung, insbesondere der Aufnahme und Entlassung des Patienten, besteht die Gefahr, dass die Arzneimittelbehandlung nicht nahtlos weitergeführt wird.

Medikation bewusst geändert...

Eine Studie untersuchte die Häufigkeit und Art der Veränderungen bei sämtlichen im Verlauf von 15 Monaten stationär aufgenommenen Patienten einer deutschen Allgemeinarztpraxis (1). Dies waren 130 Patienten. Bei der Aufnahme ins Krankenhaus wurde rund die Hälfte der insgesamt 420 verordneten Arzneimittel geändert. So wurde etwa ein Drittel der Verordnungen abgesetzt; insgesamt erhielten die Patienten jedoch 18 Prozent mehr Arzneimittel verordnet als vor dem Krankenhausaufenthalt. Nach der Entlassung wurden 66 Prozent der im Krankenhaus erstmalig verordneten Arzneimittel weitergeführt, 13 Prozent wurden abgesetzt, 17 Prozent der Handelspräparate geändert und 4 Prozent der Arzneistoffe ausgetauscht.

Zu ähnlichen Ergebnissen kam eine Studie mit kardiologisch erkrankten Patienten (2). Der Gesundheitszustand der Patienten und unterschiedliche Therapieschemata gaben den Ausschlag für Änderungen der Arzneitherapie. Weiterhin wurden wegen hoher Kosten Medikamente abgesetzt oder Handelspräparate ausgetauscht.

Beide Studien zeigen, in welch hohem Ausmaß die Arzneimitteltherapie durch einen Krankenhausaufenthalt verändert werden kann. Jedoch kann es neben diesen verordneten auch zu unbeabsichtigten Änderungen der Medikation kommen.

...oder falsch erfasst

Eine holländische Studie untersuchte, inwieweit die bestehende Medikation bei der Aufnahme überhaupt korrekt erfasst wurde (3). Bei insgesamt 304 internistischen Patienten wurde die bei der Aufnahme dokumentierte Arzneimittelanamnese mit der vor dem Klinikaufenthalt verordneten Medikation verglichen. Dazu wurden die Verordnungsdaten der niedergelassenen Ärzte und der öffentlichen Apotheken für jeden Patienten erhoben. Dies war möglich, da ein Patient in den Niederlanden im allgemeinen Kunde einer einzigen Apotheke ist und diese für ihre Patienten ein Medikationsprofil speichert. Das Medikationsprofil enthält die Daten der verordneten und sonstiger erworbener Arzneimittel.

Bei 61 Prozent der Patienten waren einer oder mehrere Fehler in der Arzneimittelanamnese aufgetreten. So wurden beispielsweise 26 Prozent der von den Patienten eingenommenen 1606 Arzneimittel gar nicht erfasst. Die Fehler betrafen auch wichtige Arzneimittel wie Herz-Kreislaufmedikamente und nicht steroidale Antirheumatika.

Entlassung aus dem Krankenhaus

Eine britische Studie erfasste Art und Häufigkeit unbeabsichtigter Änderungen der verordneten Medikation bei 38 internistischen Patienten nach ihrer Entlassung aus einem Londoner Krankenhaus (4).

Über einen Zeitraum von drei Monaten besuchte ein Pharmazeut die Patienten sechs Wochen nach ihrer Entlassung zu Hause und erfragte, welche Medikation sie einnahmen. Diese Daten wurden mit der vom Krankenhaus verordneten Entlassmedikation verglichen und sämtliche Unstimmigkeiten dokumentiert. Mit verblüffendem Ergebnis: Nach sechs Wochen wurden 46 Prozent der bei der Entlassung angeordneten Arzneimittel nicht mehr dementsprechend eingenommen. Änderungen gab es beispielsweise in der Dosierung und bei den Handelspräparaten.

Zu ähnlichen Ergebnissen kam eine weitere britische Studie, die Veränderungen in der Medikation bei geriatrischen Patienten untersuchte (5). Diese Studie lief über zwölf Monate und schloss alle Patienten ein, die in diesem Zeitraum von fünf geriatrischen Stationen entlassen worden waren. Nach sechs Wochen wurden die Therapievariationen erfasst. Bei 90 Prozent der 50 untersuchten Patienten gab es Unterbrechungen und Veränderungen in der Arzneimitteltherapie, zum Beispiel der Handelspräparate (bei 44 Prozent der Patienten) und der Dosierung (bei 22 Prozent). 20 Prozent nahmen eines oder mehrere Medikamente nicht mehr ein.

Gründe und Folgen der Therapieabweichungen wurden nicht im Detail erfasst. Der Austausch eines Handelspräparates wird in den meisten Fällen aus Kostengründen erfolgt sein. Dies lässt kaum eine nachteilige Wirkung erwarten. Die fehlende Umsetzung einer im Krankenhaus angepassten Dosierung kann einschneidender sein. Wie häufig diese Änderungen auf Missverständnissen und Fehlern beruhten, wurde nicht exakt bestimmt. Die Studien stützen sich auf direkte Patientenangaben. Hier ist zu bedenken, dass diese oft von ärztlichen Verordnungen abweichen (6, 7).

Schlechte Kommunikation?

Diese Studien veranschaulichen, dass Arzneimitteltherapie an den Schnittstellen der Aufnahme und Entlassung oft auch unbeabsichtigt verändert wird und daraus Probleme entstehen können (Tabelle 1). Die vorgestellten Studien wurden in unterschiedlichen Ländern mit unterschiedlicher Methodik ausgeführt. Eine direkte Übertragung sämtlicher Ergebnisse, beispielsweise der Häufigkeit der Veränderungen nach dem Krankenhausaufenthalt, auf Deutschland ist daher nicht möglich. Vermutlich ist die Situation in Deutschland aber nicht grundsätzlich anders.

 

Tabelle 1: Arzneimittelbezogene Probleme an den Schnittstellen zwischen ambulanter und stationärer Versorgung

Schnittstelle Problem (Beispiele) Mögliche Ursachen Aufnahme ins Krankenhaus Mangelhafte Arzneimittelanamnese: Medikation vergessen oder fehlerhaft aufgenommen Mangelhafte Informationsweitergabe: keine schriftliche Dokumentation der Arzneitherapie vor dem Krankenhausaufenthalt Entlassung aus dem Krankenhaus Fehlerhafte Weiterverordnung der Entlassmedikation: Auslassen oder fehlerhafte Änderung von Medikamenten

Versorgungslücken nach der Entlassung

Fehlerhafte Einnahme durch den Patienten oder Complianceprobleme Mangelhafte ärztliche Kommunikation: verspätete oder fehlende Arztbriefe

Verspätete Nachverordnung, z. B. am Wochenende, oder Verzögerung durch Nachbestellung in der Apotheke

Mangelnde Kommunikation mit dem Patienten, keine Pharmazeutische Betreuung

 

Eine mögliche Ursache für Therapieprobleme kann die fehlende oder mangelhafte Weitergabe von Informationen zwischen stationärem und ambulantem Sektor sein. So liegen bei der Aufnahme oft keine schriftlichen Dokumente zur Medikation vor. Die Ärzte sind dann auf die Angaben des Patienten angewiesen. Insbesondere ältere Menschen können jedoch nicht immer exakt wiedergeben, welche Medikation sie regelmäßig einnehmen (8). Nach der Entlassung wird über verspätete oder fehlende Arztbriefe des Krankenhauses berichtet (9). Eine Studie (1) zeigte, dass dem nachbehandelnden Arzt nur bei fünf der 130 Patienten ausführliche Informationen zur Arzneimitteltherapie vorlagen.

Probleme resultieren jedoch nicht nur aus einer ungenügenden Kommunikation zwischen stationärem und ambulantem Bereich. Zwei Untersuchungen ergaben, dass die Patienten bei der Entlassung häufig keine spezielle Beratung zu ihrer Arzneimitteltherapie bekamen (1, 5). Dies mag dazu beitragen, dass sie nicht benennen können, welche Arzneimittel sie einnehmen (8). Noch weniger wissen sie über wesentliche Nebenwirkungen ihrer Medikation (8, 10). Eine Folge kann sein, dass Patienten ihre Medikamente fehlerhaft oder gar nicht einnehmen.

Teure Folgen

Fehlende Kontinuität und falsche Arzneimitteleinnahme können arzneimittelbedingte Probleme auslösen, die häufig zu Therapieversagen oder neuen medizinischen Problemen führen. Diese ziehen wiederum Arzt- oder sogar Krankenhausbesuche und zusätzliche Arzneimitteltherapie nach sich. Sie haben damit bedeutende gesundheitliche und ökonomische Konsequenzen.

Wissenschaftliche Untersuchungen belegen dies. So gehen zwischen 4 und 30 Prozent der Aufnahmen ins Krankenhaus auf arzneimittelbedingte Probleme zurück (11-15). Die relativ große Differenz der Ergebnisse dieser Studien mag auf Unterschieden in den angewendeten Methoden und den untersuchten Populationen beruhen. Eine US-amerikanische Studie (16) fand heraus, dass bei elf Prozent der im Krankenhaus aufgenommenen über 65-jährigen Patienten die mangelnde Medikamenten-Compliance für die Krankenhausaufnahme verantwortlich war.

Zu ähnlichen Ergebnissen kam eine Schweizer Studie über Patienten mit dekompensierter Herzinsuffizienz (17). Hier war etwa die Hälfte der Krankenhausaufenthalte auf mangelnde Compliance zurückzuführen. Eine deutsche Untersuchung zeigte, dass bei der Hälfte der älteren Patienten, die nach der Entlassung innerhalb weniger Wochen wieder aufgenommen wurden, diese Wiederaufnahme durch arzneimittelbezogene Probleme bedingt war (18).

Ansätze zur besseren Versorgung

Es gibt bereits eine Reihe von Lösungsansätzen zur Verbesserung der integrierten Arzneimittelversorgung. Diese betreffen insbesondere die Kommunikation zwischen ambulantem und stationärem Bereich und die direkte Betreuung der Patienten. Tabelle 2 listet Modellprojekte auf. Einige Initiativen wurden von Apothekern entscheidend geprägt.

 

Tabelle 2: Ansatzpunkte zur Verbesserung der integrierten Arzneimittelversorgung aus Apothekersicht

Ansatz für Verbesserungen Umsetzungsmöglichkeit, Modellprojekt Kommunikation zwischen stationärem und ambulantem Bereich Medikamentenbegleiter/Arzneimittelpass, auch als Chipkarte

Direkter Kontakt zwischen Krankenhausapotheker, niedergelassenem Arzt und Offizinapotheker xxElektronisches Rezept Betreuung der Patienten, insbesondere von Risikopatienten* Pharmazeutische Entlassberatung durch Klinischen Pharmazeuten

Pharmazeutische Weiterbetreuung durch Offizinapotheker Kommunikation zwischen Offizinapotheker und nachbehandelndem Arzt Informationen zur Nachbehandlung, dadurch nahtlose Versorgung mit Arzneimitteln, zum Beispiel auch bei Entlassung vor dem Wochenende

*) mehr als drei Arzneimittel verordnet, bekannte Complianceprobleme, Einnahme interaktions- oder nebenwirkungsträchtiger Arzneimittel

 

Ein Ansatz, der in einem britischen Krankenhaus umgesetzt wurde (19), sieht vor, Informationen zur Entlassmedikation sowohl an den niedergelassenen Arzt als auch an den Offizinapotheker zu übermitteln. Die Patienten bekamen eine Kopie der Verordnung der Entlassmedikation mit der Bitte ausgehändigt, diese an den Offizinapotheker weiterzugeben. Dieser konnte dann die vom nachbehandelnden Arzt verordnete Medikation mit der Entlassmedikation vergleichen und eventuelle Unterschiede aufklären. Die Evaluation des Modellversuchs zeigte, dass mit dieser relativ einfachen Maßnahme die Häufigkeit nicht intendierter Arzneimittelveränderungen mit negativen Folgen für die Patienten statistisch signifikant reduziert werden konnte (19). In Kanada verlief ein ähnliches Projekt erfolgreich (20).

Andere Modellprojekte in Großbritannien sehen vor, den Patienten besser über Änderungen in der Arzneimitteltherapie zu informieren und damit stärker in seine Therapie einzubeziehen. Der Stationsapotheker beriet den Patienten über seine Entlassmedikation und erarbeitete einen Plan zur weiteren Pharmazeutischen Betreuung. Dieser Plan wurde zusammen mit den Informationen zur Medikation an den Offizinapotheker weitergegeben (21, 22). Eine kontrollierte Pilotstudie mit 32 Patienten zeigte, dass dieser neue Service Verbesserungen bringen kann (23). Bei den pharmazeutisch beratenen Patienten traten weniger unbeabsichtigte Therapievariationen in der Kontrollgruppe auf, und die Patienten konnten besser wiedergeben, welche Arzneimittel sie einnahmen.

 

Weit reichende Synergien Die alltägliche Situation eines Patienten nach der Entlassung aus dem Krankenhaus ist aus der Sicht des Apothekers häufig nicht befriedigend. Das hat mehrere Gründe.
  • Der ohnehin gestresste Patient wird meist mit neuer, nicht vertrauter Medikation entlassen. Im Regelfall ist er viel zu aufgeregt oder zu erschöpft, um die Therapie zu Hause vernünftig umzusetzen.
  • Der weiter behandelnde Arzt stellt wegen verschiedener Sachzwänge den Patienten auf Generika um.
  • Probleme gibt es oft bei Entlassungen kurz vor oder am Wochenende, wenn kaum ein niedergelassener Arzt Dienst hat und die Apotheke auf die neuen Arzneimittel nicht eingestellt ist.

Diese Situationen können dazu führen, dass teure Klinikaufenthalte mittelbar nicht zur gewünscht stabilen Gesundheitslage des Patienten führen und eine Rückkehr auf die Station nötig ist. Dass man viel effektiver mit als am Arzneimittel sparen kann, stellt ein beispielhafter Modellversuch dar. Bereits in der Klinik bespricht der Krankenhausapotheker mit dem Patienten die bewährte oder neue Therapie. Mit Hilfe des Medikamentenbegleiters können Hausarzt und Hausapotheker die Therapievorschläge der Klinik vertiefen; damit werden Durchgängigkeit und Therapieerfolg ermöglicht. Es kommt zu weit reichenden Synergieeffekten.

Freie Arzt- und Apothekenwahl bleiben in diesem Modell unangetastet, dem Datenschutz wird Rechnung getragen und die Rückfallquote könnte dramatisch gesenkt werden. Dies kann keine Internetapotheke leisten. Dazu braucht man Fachleute und keine Arzneiausträger.

Joachim Seidel, Fachapotheker für Offizinpharmazie, Die Löwen Apotheke, Sindelfingen

 

Auch in Deutschland lief ein ähnliches Modell erfolgreich (24). In einem Münchner Krankenhaus wurden besonders gefährdete Patienten vor ihrer Entlassung von einem Apotheker beraten. Sie wurden dafür ausgewählt, wenn sie erklärungsbedürftige Arzneimittel einnahmen, mehr als drei Arzneimittel verordnet oder Complianceprobleme bekannt waren. Die randomisierte Studie mit 33 auswertbaren Patienten ergab, dass die Gruppe der Patienten, die beraten worden war, mehr über ihre Arzneimittel wusste als die Kontrollgruppe ohne Beratung. Obwohl die Anzahl der Patienten nur sehr klein ist, zeigt der Versuch, dass ein solches Modell in deutschen Krankenhäusern umgesetzt werden kann.

Projekt „Patient im Mittelpunkt“

Eine Initiative der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg und des Landesverbandes des Bundesverbandes der deutschen Krankenhausapotheker (ADKA) geht noch einen Schritt weiter.

Im Projekt „Patient im Mittelpunkt“ führen Krankenhausapotheker auf ausgewählten Stationen mit geeigneten Patienten eine Entlassberatung durch. Je nach Bedarf ist ein kurzes Gespräch oder eine ausführliche Beratung nötig. Der Patienten erhält zusätzlich einen Medikamentenbegleiter mit Informationen zur Entlassmedikation und zu pharmazeutischen Problemen. Diesen Medikamentenpass soll er beim nächsten Besuch in seiner Apotheke dem Offizinapotheker vorlegen. Bei Bedarf informiert der Krankenhausapotheker auch den vom Patienten benannten Offizinapotheker über die verordnete Entlassmedikation und eventuell bestehende Probleme. In Abstimmung mit dem behandelnden Arzt soll der Offizinapotheker den Patienten rasch und lückenlos mit seinen Medikamenten versorgen und weiter pharmazeutisch betreuen.

Die neuen zusätzlichen Aufgaben waren für beide Seiten nicht einfach zu bewältigen. Die ersten Ergebnisse des Projektes zeigen jedoch, dass ein solches Modell trotz bestehender Hindernisse durchführbar ist. Eine endgültige wissenschaftliche Bewertung steht noch aus. Im Klinikum in Mannheim wurde das Projekt variiert (siehe Kasten).

 

Krankenhausapotheke als Schaltstelle In der Klinikum Mannheim gGmbH setzt die Krankenhausapotheke ein eigenes, seit langem praktiziertes Modell nun offiziell mit Zustimmung und auf ausdrücklichen Wunsch der Verwaltung im gesamten Klinikum um. Dabei arbeitet sie nun mit dem Landesapothekerverband und der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg und dem Landesverband des Bundesverbandes der deutschen Krankenhausapotheker (ADKA) zusammen.

Unter Mitarbeit verschiedener Kliniken (Geriatrie: Professor Gladisch, Chirurgie: Professor Post, Pharmakologie: Professor Wehling) betreut die Arbeitsgruppe "Patient im Mittelpunkt" der Klinikum Mannheim gGmbH ausgewählte Patienten. Dazu zählen Pankreas-Nieren-transplantierte, kritisch kranke, geriatrische Patienten, Kinder und andere.

Nach schriftlicher Patienteneinwilligung analog § 73 Absatz 1b SGB V erfolgt die Betreuung von Beginn der Aufnahme ins Krankenhaus bis zur Entlassung. Die Beratung der niedergelassenen Ärzte und Apotheker sowie die Betreuung des Patienten sollen die Kommunikation im stationären und niedergelassenen Bereich fördern. Durch zeitgleiches Übermitteln eines Anschreibens mit Ansprechpartnern im Klinikum und eines "Arzneimittel-Faxes" an Arzt und Apotheker kurz vor der Entlassung werden "Empfindlichkeiten" vorgebeugt. Dies geht natürlich nur, wenn der Patient eine Stammapotheke benennt. Das Fax enthält:

  • ein Informationsblatt für den behandelnden Arzt,
  • die aktuellen Medikamente nach dem Krankenhausaufenthalt unter Berücksichtigung des Arzneimittelausgaben-Begrenzungsgesetzes (AABG),
  • die aktuellen Medikamente vor dem Klinikaufenthalt, da die Selbstmedikation des Patienten dem niedergelassenen Arzt oft nicht bekannt ist.

Die Krankenhausapotheke versteht sich als Schaltstelle und will Berührungsängste im niedergelassenen Bereich überwinden helfen. Ansprechpartner sind schneller greifbar.

Mit dem Fax informiert sie vor der Entlassung über die aktuelle Arzneimitteltherapie des gemeinsamen Patienten. Die Krankenhausapothekerin nimmt schon im Vorfeld Kontakt mit dem niedergelassenen Arzt und der Stammapotheke des Patienten auf, um die reibungslose und lückenlose Versorgung, zum Beispiel mit seltenen oder sehr teuren Medikamenten, sicherzustellen. Falls nötig, werden fehlende Arzneimitteldaten nach Rücksprache mit dem Patienten in seiner Stammapotheke erfragt oder im Patienten-Angehörigen-Gespräch vervollständigt. Die tatsächliche häusliche Therapie legt selbstverständlich der Arzt fest. Der Patient ist darüber informiert, dass es sowohl beim Eintritt ins Krankenhaus als auch zu Hause Veränderungen im Aussehen und bei den Namen der Präparate geben kann.

Dr. Maria-Franziska Reinecke, Fachapothekerin für Klinische Pharmazie, Mannheim

 

Künftig kann ein weiterer Baustein hinzukommen: Offizinapotheker verteilen die Medikamentenbegleiter an ihre Patienten vor dem Krankenhausaufenthalt. Hier sollen die gesamte Medikation einschließlich der Selbstmedikation eingetragen und Informationen zur Pharmazeutischen Betreuung festgehalten werden. Damit liegen dem Arzt und Apotheker bei der Aufnahme im Krankenhaus bereits die relevanten Daten zur Medikation des Patienten vor.

Fortschritte im technologischen Bereich wie das elektronische Rezept (25) oder der Arzneimittelpass als Chipkarte (26) lassen sich in ein solches Konzept der pharmazeutischen Versorgung einbinden. Die Verbesserung der integrierten Arzneimittelversorgung ist ein weiterer Baustein bei der Umsetzung der Pharmazeutischen Betreuung (27). Damit können Offizinapotheker erneut beweisen, dass sie eine unverzichtbare Rolle bei der Bearbeitung und Lösung arzneimittelbezogener Probleme übernehmen können.

 

Was will Seamless Care erreichen? Die Arzneimitteltherapie von Patienten wird durch einen Krankenhausaufenthalt oft verändert. Gerade an den Schnittstellen zwischen ambulanter und stationärer Versorgung - Aufnahme in und Entlassung aus dem Krankenhaus - besteht die Gefahr, dass die Arzneimittelbehandlung nicht lückenlos weitergeführt wird. Mitunter wird eine Dauertherapie durch den stationären Aufenthalt unterbrochen oder eine im Krankenhaus begonnene Therapie ambulant nicht fortgesetzt. Dies kann den Therapieerfolg gefährden oder arzneimittelbezogene Probleme mit gravierenden Folgen auslösen.

Jedoch zeigen Modellprojekte, dass Offizin- und Krankenhausapotheker zu einer besseren nahtlosen Pharmazeutischen Betreuung oder „seamless pharmaceutical care“ beitragen können. Vor einer breiten Umsetzung dieser Modellprojekte muss untersucht werden, inwieweit diese Leistungen zu nachhaltigen gesundheitlichen Vorteilen für den Patienten führen und dabei ökonomisch tragbar sind.

 

Literatur

  1. Himmel, W., Tabache, M., Kochen, M. M., What happens to long-term medication when general practice patients are referred to hospital? Eur J Clin Pharmacol 50 (1996) 253 - 257.
  2. Adl, S., et al., Pharmakotherapeutische Transferproblematik von stationärer zu ambulanter Versorgung. Gesundheitswesen 63 (2001) 597 - 601.
  3. Lau, H. S., et al., The completeness of medication histories in hospital medical records of patients admitted to general internal medicine wards. Br J Clin Pharmacol 49 (2000) 597 - 603.
  4. Duggan, C., Bates, I., Hough, J., Discrepancies in prescribing - where do they occur? Pharm J 256 (1996) 65 - 67.
  5. Cochrane, R. A., et al., Changes in drug treatment after discharge from hospital geriatric patients. Brit Med J 305 (1992) 694 - 696.
  6. Bedell, S. E., et al., Discrepancies in the use of medication. Arch Int Med 160 (2000) 2129 - 2134.
  7. Barat, I., Andreasen, F., Damsgaard, E. M. S., Drug therapy in the elderly: what doctors believe and what patients actually do. Br J Clin Pharmacol 51 (2001) 615 - 622.
  8. Alibhai, S. M. H., Han, R. K., Naglie, G., Medication education of acutely hospitalized older patients. J Gen Int Med 14 (1999) 610 - 616.
  9. Mageean, R. J., Study of 'discharge communications' from hospital. BMJ 293 (1986) 1283 - 1284.
  10. Calkins, D. R., et al., Patient-physician communication at hospital discharge and patients' understanding of postdischarge treatment plan. Arch Int Med 157 (1997) 1026 - 1030.
  11. Raschetti, R., et al., Suspected adverse drug events requiring emergency department visits or hospital admissions. Eur J Clin Pharmacol 54 (1999) 959 - 963.
  12. Lepori, V., Perren, A., Marone, C., Unerwünschte intermedizinische Arzneimittelwirkungen bei Spitalantritt. Schweiz Med Wschr 129 (1999) 915 - 922.
  13. Smith, K. M., et al., Drug-related problems in emergency department patients. Am J Health-Syst Pharm 54 (1997) 295 - 298.
  14. Chan, M., Nicklason, F., Vial, J. H., Adverse drug events as a cause of hospital admission in the elderly. Int Med J 31 (2001) 199 - 205.
  15. (15) Easton, K. L., et al., The incidence of drug-related problems as a cause of hospital admissions in children. Med J Aust 169 (1998) 356 - 359.
  16. Col, N., Fanale, J. E., Kronholm, P., The role of medication noncompliance and adverse drug reactions in hospitalizations of the elderly. Arch Int Med 150 (1990) 841 - 845.
  17. Wagdi, P., et al., Ungenügende Behandlungsdisziplin, Patienteninformation und Medikamentenverschreibung als Ursache für die Notfallhospitalisation bei chronisch herzinsuffizienten Patienten. Schweiz Med Wschr 123 (1993) 108 - 112.
  18. Nikolaus, T., et al., Frühe Hospitalisierung hochbetagter Patienten. Dtsch Med Wschr 117 (1992) 403 - 407.
  19. Duggan, C., et al., Reducing adverse prescribing discrepancies following hospital discharge. Int J Pharm Pract 6 (1998) 77 - 82.
  20. Paquette-Lamontagne, N., et al., Evaluation of a new integrated discharge prescription form. Annals of Pharmacotherapy 35 (2001) 953 - 958.
  21. Green, P., Rees, L., Hospital discharge of elderly patients: is seamless care achieved? Pharm J 263 (1999) R35.
  22. Sexton, J., et al., Ensuring seamless care at hospital discharge: a national survey. J Clin Pharm Therap 25 (2000) 385 - 393.
  23. Pickrell, L., Duggan, C., Dhillon, S., From hospital admission to discharge: an exploratory study to evaluate seamless care. Pharm J 267 (2001) 650 - 653.
  24. Strobach, D., et al., Patient medication counseling - Patientenberatung zur Entlassungsmedikation. Med Klinik 95 (2000) 548 - 551.
  25. Schubert, F., Das elektronische Rezept: Chance, Risiken und Gestaltungsmöglichkeiten. Universität Heidelberg und Fachhochschule Heilbronn 1999.
  26. Aubert, B. A., Hamel, G., Adoption of smart cards in the medical sector: the Canadian experience. Soc Science Med 53 (2001) 879 - 894.
  27. Schaefer, M., Schulz, M., Manuale zur Pharmazeutischen Betreuung - Band 1 Grundlagen der Pharmazeutischen Betreuung. 1 Aufl., Govi-Verlag Eschborn 2000.

 

  • Danksagung: Dem Förderverein Pharmazie Baden-Württemberg e.V. danke ich für finanzielle Unterstützung.

 

Die Autorin

Katja Taxis hat in Marburg und Hamburg Pharmazie studiert und erhielt 1996 die Approbation als Apothekerin. Anschließend absolvierte sie ein Aufbaustudium in Klinischer Pharmazie zum Master of Science in Clinical Pharmacy an der School of Pharmacy, University of London. Im letzten Jahr wurde sie am Centre for Practice and Policy der School of Pharmacy mit einer Arbeit über "The incidence, severity and causes of intravenous medication errors in hospital" promoviert. Seit 2000 arbeitet sie als wissenschaftliche Angestellte am Lehrstuhl für Pharmazeutische Biologie (Professor Dr. Lutz Heide) in Tübingen. Seit diesem Jahr organisiert Dr. Taxis den Zertifikatskurs 'Clinical Pharmacy' am Pharmazeutischen Institut der Universität. Ihr Forschungsgebiet umfasst die pharmakoepidemiologische Untersuchung der Risiken bei der Anwendung von Arzneimitteln in der Praxis, insbesondere Medikationsfehler im Krankenhaus und Probleme der Arzneimittelversorgung an der Schnittstelle zwischen stationärem und ambulantem Sektor, sowie klinische Studien zu pflanzlichen Arzneimitteln.

 

Anschrift der Verfasserin:
Dr. Katja Taxis
Pharmazeutisches Institut
Pharmazeutische Biologie
Auf der Morgenstelle 8
72067 Tübingen
katja.taxis@uni-tuebingen.de
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E-Mail: redaktion@govi.de

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