Der Vertriebsweg Apotheke ist sicher, schnell und preisgünstig |
07.05.2001 00:00 Uhr |
Der Frühling ist in allen Branchen die große Zeit der Bilanzpressekonferenzen zum abgelaufenen Kalenderjahr. Wie steht es um die Branche der öffentlichen Apotheken und damit auch um die Arzneimittelversorgung in Deutschland? War der Arbeitsmarkt Apotheke auch im Jahr 2000 eine Jobmaschine? Wie haben sich Verbrauchsmengen und Arzneimittelpreise im Jahr 2000 entwickelt? Wie war die wirtschaftliche Lage der Apothekenbranche insgesamt und wie für die typische Apotheke? Wie stellt sich die Arzneimittelversorgung in der Gesetzlichen Krankenversicherung dar? Auf diese und viele weitere Fragen geht der Wirtschaftsbericht der ABDA ein.
Arbeitsmarkt Apotheke
In Umfrageergebnissen zur Kundenzufriedenheit liegen Apotheken regelmäßig auf absoluten Spitzenplätzen, wenn es um die Beratungs- und Servicequalität der Dienstleistungsbranchen geht. Das kommt nicht von ungefähr, sondern dafür tun die Apotheker viel: Sie stellen kontinuierlich zusätzliches Personal ein. Im Jahr 2000 wurden fast 1600 Arbeitsplätze in Apotheken neu geschaffen. Damit sind derzeit über 136.000 Menschen in öffentlichen Apotheken beschäftigt.
Wenn man das mit der TOP- 100-Liste der größten Arbeitsplatzschaffer Deutschlands vergleicht, die die "Wirtschaftswoche" vor wenigen Wochen veröffentlicht hat, können wir feststellen, dass es im vergangenen Jahr nur 11 Unternehmen in Deutschland gab, die mehr Arbeitsplätze als die öffentlichen Apotheken bereitgestellt haben. Da sich per saldo die Apothekenzahl nur noch um zwei (!) erhöht hat, wird zugleich auch klar, dass es vor allem die bestehenden Apotheken sind, die neue Arbeitsplätze schaffen.
Die öffentlichen Apotheken haben sogar noch weiteren Personalbedarf, denn in allen Bundesländern gibt es derzeit unbesetzte Stellen in Apotheken. Die ABDA wird deshalb den diesjährigen Tag der Apotheke am 21. Juni 2001 unter das Thema "Berufschance Gesundheit" stellen. Dabei sollen in Zusammenarbeit mit der Bundesanstalt für Arbeit junge Leute für Berufe in der Apotheke begeistert werden. Zugleich laufen bereits in einigen Kammerbereichen Programme an, die besonders Frauen nach der Kinderpause den Wiedereinstieg in Apothekenberufe erleichtern sollen.
Während die noch bis vor einem Jahr hochgejubelten als dot.coms bezeichneten Internetfirmen gerade dabei sind, ihr Personal wieder zu entlassen, stehen die Apotheken für kontinuierlich mehr Beschäftigung. Heute gibt es 14 400 Arbeitsplätze mehr in Apotheken als 1992 - und zwar ohne staatliche Hilfen. Jeder Arbeitsplatz in der Apotheke bringt Beiträge für die Sozialversicherungen und Steuereinnahmen und erhöht die gesamtwirtschaftliche Nachfrage. Ein guter Teil der "Arzneimittelrechnung" wird also unmittelbar in das Sozialsystem eingespeist. Nur über die Vertriebskosten zu reden ist einseitig, man sollte auch den gesamtwirtschaftlichen Beitrag der Apotheken nicht übersehen!
Arzneimittelverbrauch
Die mengenmäßige Entwicklung der in Apotheken abgegebenen Arzneimittelpackungen ist - wie schon in den letzten Jahren - auch im Jahr 2000 durch zwei gegenläufige Trends gekennzeichnet, nämlich weniger Verordnungen und mehr Selbstmedikation:
Der Pro-Kopf-Arzneimittelverbrauch variiert in der Europäischen Union zwischen 12 und 49 Packungen pro Jahr. In Deutschland liegt er mit 19 Packungen im Mittelfeld. Hiervon entfallen zwölf auf ärztliche Verordnungen und sieben auf die Selbstmedikation.
Die Mengenstruktur der Arzneimittelabgaben hat sich 2000 im Vergleich zum Vorjahr wenig geändert:
Arzneimittelpreise
Die Entwicklung der Arzneimittelpreise war auch im Jahr 2000 ausgesprochen moderat. Wenn man das Preisniveau des Jahres 1992 mit dem Indexwert von 100 versieht, so wurde 2000 ein Wert von 96,2 erreicht. Das ist eine Zunahme um 0,8-Indexpunkte gegenüber dem Vorjahr.
Einmal mehr ist also die Preiskomponente in der Arzneimittelversorgung unterdurchschnittlich im Vergleich zu den gesamten Lebenshaltungskosten. Die Schere zwischen der Entwicklung der Lebenshaltungskosten und Arzneimittelpreisen klafft zunehmend auseinander.
Der Arzneimittelpreisindex des Wissenschaftlichen Instituts der Ortskrankenkassen belegt die Wirksamkeit des Steuerungselementes Arzneimittelfestbeträge, mit dem nach Schätzungen der Krankenkassen jährlich etwa 4 Milliarden DM Ausgaben eingespart werden. An diesen Einsparungen sind die Apotheken entsprechend ihres Wertschöpfungsanteils mit 20 Prozent, also 800 Millionen DM, beteiligt. Auch an der zusätzlichen Festbetragsabsenkung in Höhe von 650 Millionen Mark, die in diesem Jahr stattfinden soll, werden die Apotheken über die Mechanik der Arzneimittelpreisverordnung entsprechend ihres Wertschöpfungsanteils mit 130 Millionen DM beteiligt. Wenn also bei dem jetzt erreichten Festbetragskompromiss zuweilen davon gesprochen wird, dass die Pharmaindustrie damit ihren Solidarbeitrag erbracht habe und man sich nun der Vertriebsstufe zuwenden müsse, dann ist das nicht korrekt. Es sollte zumindest anerkannt werden, dass die Apotheken an den Einsparungen beteiligt werden!
Branchenumsatz
Die Gesamtumsätze der Apotheken sind 2000 um 4,5 Prozent auf 52,6 Milliarden DM gestiegen. Die Gesamtumsätze der Apotheken beinhalten alle Arzneiverordnungen für gesetzlich und privat krankenversicherte Personen, die komplette Selbstmedikation sowie die Umsätze mit Hilfsmitteln und Produkten aus dem apothekenüblichen Ergänzungssortiment.
Sieht man sich die Struktur des Gesamtumsatzes an, so zeigt sich noch deutlicher als bei der mengenmäßigen Betrachtung die eindeutige Dominanz des Verordnungsmarktes: 67 Prozent des Gesamtumsatzes entfallen auf die Verordnung rezeptpflichtiger und 12 Prozent auf die Verordnung apothekenpflichtiger, rezeptfreier Arzneimittel, so dass insgesamt 79 Prozent der Umsätze durch die ärztlichen Verordnungen festgelegt sind.
Die Selbstmedikation mit apothekenpflichtigen rezeptfreien Arzneimitteln hat einen Umsatzanteil von 13 Prozent und die Selbstmedikation mit freiverkäuflichen Arzneimitteln einen Anteil von 1,5 Prozent. Die Medicalprodukte machen 3,5 Prozent und das apothekenübliche Ergänzungssortiment 3 Prozent der Gesamtumsätze aus. Der OTC-Bereich erreicht also zusammengenommen 21 Prozent des Gesamtumsatzes.
Betriebswirtschaftliche Ergebnisse
Wie war die wirtschaftliche Lage der Branche im Jahr 2000? Für das gesamte Leistungsspektrum ist die Handelsspanne, also die Differenz zwischen Verkaufs- und Einstandspreisen bezogen auf den Bruttoumsatz, im Jahr 2000 auf 27,1 Prozent gesunken. Die Kostenbelastung einschließlich des kalkulatorischen Unternehmerlohns sowie Zinsen für das eingesetzte Eigenkapital betrug im Jahr 2000 26,2 Prozent des Bruttoumsatzes. Daraus ergibt sich für das Jahr 2000 eine Umsatzrendite von 0,9 Prozent.
Der Zeitreihenvergleich mit 1992 zeigt, dass damals die Umsatzrendite doppelt so groß war. Die Umsatzrendite ist damit zwar nicht wie in den Jahren 1993 und 1994 negativ, aber nach wie vor auf einem unbefriedigenden Niveau.
Wenn man von den Branchengesamtdaten auf die einzelwirtschaftlichen Daten übergehen will, stellt sich die Frage, welchen Apothekentyp man darstellen möchte oder genauer, welche Apotheke man als "typisch" bezeichnen möchte. Die statistische Methodenlehre stellt hier einige Messkonzepte bereit: Es kann die Apotheke mit dem "mittleren" Umsatz gewählt werden, es können aber auch Apotheken aus verschiedenen Umsatzbereichen dargestellt werden oder es kann der am häufigsten vorkommende Wert genommen werden.
Die ABDA hat sich seit 1992 dafür entschieden, die "typische" Apotheke anhand des so genannten "häufigsten Wertes" abzubilden. So gelingt eine betriebswirtschaftliche Darstellung, die für eine möglichst große Zahl von Apotheken zutreffend ist. Im Jahr 2000 lag der häufigste Wert in der Umsatzgrößenklasse von 1,5 bis 2 Millionen DM (ohne Mehrwertsteuer). Unmittelbar links und rechts von der typischen Apotheke liegen zudem ebenfalls relativ stark besetzte Umsatzgrößenklassen, so dass unsere "typische Apotheke" geeignet ist, die betriebswirtschaftliche Situation für eine sehr große Zahl der Apotheken sinnvoll darzustellen.
Die typische Apotheke erzielte im Jahr 2000 einen Bruttoumsatz von 1. 960. 000 DM. Abzüglich der Mehrwertsteuer von 270. 000 DM ergibt sich ein Nettoumsatz von 1. 690. 000 DM. Nach Abzug des Wareneinsatzes in Höhe von 1. 159. 000 entstand ein Rohertrag von 531. 000 DM. Zieht man von diesem Rohertrag die Personalkosten für die Angestellten von 204. 000 DM sowie die sonstigen Kosten der Apotheke von 186. 000 DM ab, so errechnet sich im Jahr 2000 für die typische Apotheke ein zu versteuerndes Einkommen von 141. 000 DM.
Nach 8 Jahren hat damit das zu versteuernde Einkommen des Leiters einer typischen Apotheke im Jahr 2000 erstmals wieder den Wert des Jahres 1992 erreicht.
Der Apothekenleiter muss aus diesem zu versteuernden Einkommen seine Absicherung für den Krankheitsfall, für die Berufsunfähigkeit sowie für die Altersvorsorge vollständig selbst finanzieren. Als Selbstständiger ist er nicht gegen Arbeitslosigkeit versichert und trägt das volle wirtschaftliche Haftungsrisiko für die Apotheke. Zugleich ist das zu versteuernde Einkommen Entgelt für das eingesetzte Eigenkapital und die Arbeitszeit des Apothekenleiters. Ein zu versteuerndes Einkommen in dieser Größenordnung kann daher nicht als überzogen bezeichnet werden.
Marktpartner GKV
Die gesetzlichen Krankenkassen sind der größte Marktpartner der Apotheken. Von dem Gesamtumsatz Apotheken entfallen 68 Prozent auf die GKV-Arzneimittelversorgung (GKV-Anteil einschließlich Patientenzuzahlung). 55 Prozent der Packungsabgaben, das sind knapp 860 Millionen verordnete Arzneimittel, sind für die Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen.
Auch im Jahr 2000 haben sich die Wertschöpfungsanteile in der GKV-Arzneimittelversorgung weiter zugunsten der Industrie und zu Lasten der Vertriebsstufen verschoben.
In der GKV-Arzneimittelversorgung ist die Handelsspanne, also der Wertschöpfungsanteil der Apotheken, im Jahr 2000 um 0,3 Prozentpunkte auf 20 Prozent zurückgegangen. Zusammen mit dem Großhandelsanteil von 8,5 Prozent ergaben sich im Jahr 2000 "Gesamtvertriebskosten" in der GKV-Versorgung von 28,5 Prozent. Der Industrieanteil in der GKV-Arzneimittelversorgung beträgt 57,7 Prozent und addiert sich mit dem Staatsanteil zu einem "Nicht-Vertriebskostenanteil" von 71,5 Prozent. Die in den Medien immer wieder gern kolportierte Meldung, dass der Vertrieb die Arzneimittelkosten ab der Herstellerrampe verdoppele und sich die Apotheken den Großteil der Arzneimittelausgaben einverleiben, ist mitnichten durch die Fakten gedeckt.
1978 lag der Gesamtvertriebskostenanteil noch bei 37,9 Prozent. In diesem mehrjährigen Vergleich wird deutlich, dass sich die Wertschöpfungsanteile an den GKV-Arzneimittelausgaben über die degressive Ausgestaltung der Arzneimittelpreisverordnung eindeutig zugunsten der Industrie und über die Mehrwertsteuer zugunsten des Staates verschoben haben. Die Vertriebskosten werden also über die Mechanik der Preisverordnung auch ohne aktionistisches Zutun des Staates automatisch reduziert.
Auch wenn es wie "Stören des Unterrichtes" wirken mag, die Fakten lügen nicht: Die Arzneimittelpreisverordnung ist ein eingebauter Stabilisator in der Arzneimittelversorgung! Wer die Arzneimittelpreisverordnung und damit den einheitlichen Apothekenabgabepreis zur Disposition stellt, spielt mit hohem Einsatz.
Sieht man sich die Wertschöpfungsanteile nicht nur über den GKV-Markt insgesamt an, sondern zerlegt diesen in einzelne Preissegmente, erhält man einige interessante Aspekte. Der Mehrwertsteueranteil des Staates ist mit 13,8 Prozent Preis-unabhängig (denn: 16 Prozent auf Hundert entsprechen 13,8 Prozent im Hundert). Der Industrieanteil liegt im unteren Segment bei 47,8 Prozent und steigt über 55,3 und 62 bis auf 67,5 Prozent im oberen Preissegment, in dem hoch innovative Arzneimittel platziert sind. Der Großhandelsanteil fällt von 9,1 Prozent bis auf 7,2 Prozent. Der Apothekenanteil fällt von 29,3 Prozent im unteren bis auf 11,5 Prozent im oberen Segment. Das heißt: Mit steigendem Preis klettern die Nicht-Vertriebskosten und dementsprechend fällt der Vertriebskostenanteil. Die Schlussfolgerung ist eindeutig: Wer die Diskussion um die Kosten der Arzneimittelversorgung auf eine Vertriebsdiskussion reduziert, der verkennt die Gesamtsituation.
Die Ausgaben für die GKV-Arzneimittelversorgung werden teilweise von den gesetzlichen Krankenkassen und teilweise von den Patienten über die Zuzahlung getragen. Die Zuzahlungen der Patienten sind auch im Jahr 2000 rückläufig gewesen und haben nur noch 3,8 Milliarden DM betragen. Der Patientenanteil in der GKV-Arzneimittelversorgung ist damit auf 10 Prozent gesunken. Ursache dafür ist die zunehmende Zahl der zuzahlungsbefreiten Rezepte. Waren 1996 und 1997 nur 30 Prozent aller Rezeptblätter von der Zuzahlung befreit, so stieg der Anteil kontinuierlich über 40 Prozent 1998 und 45 Prozent 1999 auf fast 50 Prozent im vergangenen Jahr.
Nun ist eine Senkung des Patientenanteils an und für sich keine schlechte Meldung. Und den Apotheken kann es eigentlich gleichgültig sein, wie sich Patienten- und Kassenanteil zusammensetzen. Doch jede Senkung des Patientenanteils bedeutet zugleich eine entsprechende Erhöhung des Kassenanteils an den Arzneimittelkosten. Allein die gegenüber 1996 um 20 Prozentpunkte erhöhte Befreiungsquote belastet die GKV jährlich mit 1,5 Milliarden DM Mehrausgaben.
Zu einer Diskussion, in der es auch um mehr Eigenverantwortung der Patienten geht, passt es nicht, wenn immer mehr Versicherte von der Zuzahlung befreit werden. Der ABDA geht es nicht um Zuzahlungserhöhungen - dagegen hat sie sich stets ausgesprochen. Aber von sozialpolitisch sinnvollen Befreiungsregelungen kann nicht mehr die Rede sein, wenn jedes zweite der über 500 Millionen Rezeptblätter von der Zuzahlung freigestellt wird. Hier besteht Handlungsbedarf!
Der Krankenkassenanteil an den GKV-Verordnungen betrug im vergangenen Jahr 37,8 Milliarden DM. Das ist ein Zuwachs von 4,4 Prozent; davon ist 1 Prozentpunkt auf die geringere Patientenzuzahlung zurückzuführen. Seit 1992 sind die Arzneimittelausgaben der Gesetzlichen Krankenkassen damit im Jahresdurchschnitt um 2 Prozent gestiegen - das ist im Vergleich zu der seitherigen Gesamtausgabenentwicklung unterdurchschnittlich.
Es ist unbestritten, dass die deutschen Arzneimittelausgaben wachsen. Doch sie haben sich im Jahr 2000 deutlich unterhalb des internationalen Trends von plus 11 Prozent entwickelt.
Im Rahmen der aktuellen Diskussion um die Vertriebskosten in der Arzneimittelversorgung stellt sich die Frage, was die gesetzlichen Krankenkassen für die Benutzung des Vertriebsweges öffentliche Apotheke ausgaben. Anders gewendet, heißt das: Wie viel Apothekenrohertrag steckt in den Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenkassen?
Im Jahr 2000 war in dem GKV-Anteil der Arzneimittelausgaben ein Apothekenrohertrag von 7,55 Milliarden DM enthalten - das entspricht dem 20-prozentigen Wertschöpfungsanteil der Apotheken. Was in der Diskussion gemeinhin völlig übersehen wird, ist die geringfügige Änderung der Benutzungskosten für den Vertriebsweg öffentliche Apotheke in den neunziger Jahren. 1992 mussten die Krankenkassen dafür 7,36 Milliarden DM aufwenden, im Jahr 2000 waren es erstmals mehr, wobei die Steigerung auf 7,55 Milliarden DM als geringfügig bezeichnet werden kann.
Es gibt viele, die alternativen Distributionswegen in der Arzneimittelversorgung das Wort reden. Doch wo sind die harten Daten und Fakten, die die Vorteile eines Systemwechsels belegen? Dass man mit Rosinenpickerei einzelne Produkte billiger distribuieren kann, bestreitet niemand. Doch die Leistungsfähigkeit eines Systems ist am Gesamtergebnis zu messen. Und da ist die Performance des Vertriebsweges öffentliche Apotheke nicht zu toppen.
Der durchschnittliche Preis bei den 860 Millionen Fertigarzneimittelpackungen in der GKV-Arzneimittelversorgung ist von 31,52 DM im Jahr 1992 auf 50,61 DM im Jahr 2000 angestiegen. Das ist ein Zuwachs von über 60 Prozent. Doch der darin enthaltene Apothekenrohertrag ist nur von 7,53 DM auf 9,53 DM gewachsen. Das ist ein Zuwachs von knapp 27 Prozent in acht Jahren. Der Packungspreis wächst also mehr als doppelt so stark wie der Apothekenrohertrag. Das heißt, dass nicht die Benutzung des Vertriebsweges Apotheke das Kernproblem in der Arzneimittelversorgung sein kann.
Politiker, die über alternative Vertriebswege nachdenken, sollten prüfen, ob solche Alternativen tatsächlich geringere Benutzungskosten als die öffentliche Apotheke mit sich bringen würden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass für "Großkunden" (und das ist die Gesetzliche Krankenversicherung mit einem Volumen von 860 Millionen Packungen) nicht die Einzelpreise, sondern die Durchschnittspreise relevant sind. Wer Rosinenpickerei bei den 10 Prozent der Packungsmenge zulässt, die im oberen Preisbereich liegen, und damit die heutige Mischkalkulation auf der Apothekenstufe zerschlägt, muss wissen, dass die Apotheken dann die restlichen 90 Prozent der Packungsmenge nicht zu unveränderten Konditionen bereitstellen können. Leistung ist nicht zum Nulltarif zu haben.
Wenn die ABDA bei Themen wie Apothekenketten, Versandhandel mit Arzneimitteln, Arzneimittel aus dem Internet, Öffnung der ambulanten Versorgung für Krankenhausapotheken massiv gegenhält, wird ihr in höhnischen Kommentaren und mit süffisanten Bemerkungen "überkommenes Standesdenken aus dem letzten Jahrtausend" vorgeworfen. Tenor ist dabei meist, dass die Apotheker die Zeichen der Zeit nicht verstünden.
Die USA werden ihr dabei als das Paradebeispiel für mutige, marktorientierte und wettbewerbliche Entscheidungen vorgehalten. In den USA gibt es seit Ende der achtziger Jahre alles, was bei uns von interessierten Kreisen als richtungsweisend für die zukünftige Arzneimittelversorgung bezeichnet wird. "Let the data talk", sagen die Amerikaner. Also lassen wir doch die Zahlen sprechen und addieren wir die gesamten Arzneimittelausgaben beider Länder für Selbstmedikation und ärztliche Verordnungen auf und stellen sie gegenüber:
Seit 1992 sind die Gesamtarzneimittelausgaben in Deutschland um 25 Prozent von 40 auf 50 Milliarden DM gestiegen. In den USA sind die Ausgaben jedoch in der gleichen Zeit um 109 Prozent von 143 auf umgerechnet 299 Milliarden DM gestiegen! Die empirische Evidenz spricht eindeutig gegen Distributionsexperimente.
Wer Distributionsexperimente in der deutschen Arzneimittelversorgung fordert, muss sich mit diesen Zahlen auseinander setzen. Die Gretchenfrage ist nämlich: Kann man amerikanische Ergebnisse vermeiden, wenn man den amerikanischen Weg geht? Die Antwort der ABDA ist klar: Nein!
Der Autor
Dr. Frank Diener studierte von 1978 bis 1984 Volkswirtschaftslehre und wurde mit dem Thema "Die Wahl der Verträge zwischen Versicherungen und Kliniken" zum Dr. rer. pol. an der Universität des Saarlandes promoviert. Von 1984 bis 1988 arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Professor Dr. Richter am Institut für Theoretische Volkswirtschaftslehre an der Universität des Saarlandes. Zwischen 1988 und 1989 leitete er die Geschäftsstelle des Sachverständigenrates für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen. Seit 1989 arbeitet er bei der ABDA - Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände in Eschborn, zunächst als Referent für Gesundheitsökonomie und Sozialpolitik, ab 1991 als Leiter der Grundsatzabteilung und seit Juli 1999 als Geschäftsführer Wirtschaft und Soziales.
Anschrift des Verfassers:
Dr. Frank Diener
Geschäftsführer Wirtschaft und Soziales
ABDA - Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände
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