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Gesundheit in den Medien

31.03.2003  00:00 Uhr

Fach- und Publikumspresse

Gesundheit in den Medien

von Gisela Stieve, Neustadt/Weinstraße

Keine Tages- oder Wochenzeitung ohne Gesundheitsseite oder -supplement, kein Magazin ohne ein Ressort Gesundheit, Wellness, Lifestyle oder »Body and Soul«. Ein beachtlicher Markt, wenn man schließlich noch Kundenzeitschriften und Fachmedien dazu zählt. Eine Übersicht.

Beim Laienpublikum ist das Thema Gesundheit beliebt. Das Angebot ist schier unüberschaubar. Von der Tagespresse über die Kundenzeitschrift aus der Apotheke bis hin zur Mitgliederinformation der Krankenkasse: Am Thema Gesundheit, meist leicht und dennoch informativ verpackt, kommt niemand mehr vorbei.

Laut Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse (AWA), die jeweils im Juli die Zahlen des Vorjahres veröffentlicht, sind nach Ergebnissen aus 2002 74,4 Prozent der deutschen Bevölkerung über 14 Jahre an medizinischen Fragen »interessiert«, 27,1 Prozent sogar »ganz besonders interessiert«. Während sich die AWA 2001 noch danach erkundigte, wie wichtig gesunde Ernährung und gesunde Lebensweise den Befragten ist, geht die AWA 2002 mit dem Trend und fragt, wie sehr »Wellness« den Bürgern am Herzen liegt. Laut AWA 2001 zeigten sich 84,4 Prozent der über 14-Jährigen gegenüber den Themen gesunde Ernährung und gesunde Lebensweise aufgeschlossen, weitere 36,6 Prozent waren auch hier »ganz besonders interessiert«. Wellness ist laut AWA 2002 20,9 Prozent der Bevölkerung über 14 Jahre »sehr wichtig«, wobei sich davon 58,2 Prozent Männer und 74,5 Prozent Frauen zu dieser Bewertung bekannten. Insgesamt 45,8 Prozent der Bevölkerung befanden das Thema lediglich für »wichtig«.

Letztendlich steht »Gesundheit« auch seit vielen Jahren in der alljährlichen Neujahrsbefragung des Instituts für Demoskopie Allensbach an erster Stelle der Wünsche der Bundesbürger für das neue Jahr.

Eines der großen Themen

Die Stärkung beziehungsweise Wiedererlangung von Gesundheit ist eines der großen Themen der Gesellschaft. Der relativ neuen Interessengruppe »Mann« widmen sich Magazine wie Men’s Health und Fit for Fun. Hier geht es durchaus nicht mehr nur um den gestählten Body mit Waschbrettbauch, sondern auch um vorbeugende gesundheitliche Aspekte. Es ist ein Zeichen der Moderne, dass den Mythos, allzeit stark zu sein, große Teile des männlichen Geschlechts heute verfluchen. Auch der Mann, so neueste Erkenntnisse, möchte mal gestresst und unpässlich sein und das auch eingestehen dürfen. Dabei besteht nach wie vor immer noch die alte Angst der Männer vor dem Arzt (»Männer haben Angst vorm Arzt« meldete Men’s Health zum Thema Weltmännertag und Vorsorgeuntersuchungen).

»Besser leben mit Deutschlands großem Aktiv-Magazin« lautet der Untertitel von Fit for Fun, das sich an beide Geschlechter richtet. Die März-Ausgabe 2002 bietet den Gesundheits-TÜV für Männer an, während sich Männer und Frauen in »48 Stunden fit« machen und vom Winterfrust und -speck befreien können sollen. So sicher wie das Amen in der Kirche heben alle Redaktionen im Frühjahr neue Wunderdiäten und »Wampe weg«-Versprechungen ins Blatt. In den Herbstausgaben kann der interessierte Leser eher erfahren, wie er ohne Erkältung durch den Winter kommt oder wie er der Herbst-Tristesse und dem Winter-Blues vorbeugen kann.

 

Interview mit Jutta Petersen-Lehmann Die Neue Apotheken Illustrierte (NAI) ist eine Kundenzeitschrift, die in vielen Apotheken ausliegt. Der Govi-Verlag als Herausgeber und Verleger versteht sich als Rund-um-Dienstleister für Apotheker. Alles, was Apotheker schwarz auf weiß brauchen, führt er im Sortiment: Bücher, Formulare, gesetzlich vorgeschriebene Pflichtlektüre, Video-Fortbildung und vieles mehr. Warum gibt ein Fachverlag für Pharmazeuten eine Kundenzeitschrift heraus? Fragen an Jutta Petersen-Lehmann, Chefredakteurin des Blattes.

PZ: Als Bürger kann man dem Thema Gesundheit in den Medien kaum noch ausweichen. Ratgeberseiten in den Tageszeitungen, Wellness-Magazine und Gesundheitsbroschüren, die in den Arztpraxen ausliegen. Warum eine Kundenzeitschrift von einem Apotheker-Fachverlag?
Petersen-Lehmann: Das sind eigentlich zwei Fragen: Warum Kundenzeitschriften überhaupt und warum von uns, dem Govi-Verlag? Für den Apotheker übernimmt eine gut gemachte Kundenzeitschrift ganz maßgeblich Marketingaufgaben wie Kundenbindung und Imagepflege. Der Leser identifiziert die Zeitschrift stark mit dem Apothekenpersonal, von dem er die Zeitschrift erhält, und zusätzlich mit dem Berufstand der Apotheker allgemein. Er kommt mit Ausschnitten aus der Kundenzeitschrift in die Apotheke zurück und sagt: „In Ihrer Zeitung hat das gestanden, das könnte mir auch helfen“. Genau diese Nähe zwischen Apotheke und Kunde beziehungsweise Patient stellt die Neue Apotheken Illustrierte in besonderem Maße her. Zum zweiten sieht sich der Govi-Verlag als Rund-um-Versorger für Apotheken und bietet den Apotheken deshalb natürlich auch all die Produkte an, die sie als Information an Laien weitergeben wollen – dies auch unter speziellen berufspolitischen Aspekten.

PZ: Was unterscheidet dann Ihr Redaktionskonzept von anderen?
Petersen-Lehmann: Die Frauenzeitschriften, die allgemeinen Illustrierten oder auch Männermagazine packen das Thema Gesundheit eher unter dem Gesichtspunkt Lifestyle an. Die Beiträge wenden sich im Prinzip an Gesunde. Von der Neuen Apotheken Illustrierten erwarten die Leser dagegen konkrete Informationen zur Heilung von Krankheiten. Da geht es um die Linderung der Rheumaschmerzen, den Umgang mit Diabetes, und da werden auch Tabuthemen wie Inkontinenz nicht ausgespart. Regelmäßige Leserforschung bestätigt immer wieder, dass gerade diese Beiträge mit konkreter Hilfestellung für Betroffene auf höchstes Interesse stoßen. Die Leser vertrauen hier auf die Kernkompetenz der Apotheker. Und das dürfen sie bei uns auch. Deshalb sind die Redakteure bei uns Apotheker mit zusätzlicher journalistischer Ausbildung. Überdies unterhalten wir engen Kontakt mit apothekereigenen Organisationen wie beispielsweise der Arzneimittelkommission. Kurz gesagt machen wir eine Zeitschrift als Beratung aus der Apotheke zum Mit-nach-Hause-nehmen.

PZ: Andere Redaktionen haben auch Fachredakteure...
Petersen-Lehmann: Natürlich. Aber andere Nutzerstrukturen. Wer überwiegend für Menschen bis 49 Jahre und ein unterhaltsames Magazin für diese Zielgruppe macht, hat mehr Resonanz und somit Erfolg mit Beiträgen über Wellness und Beauty und vermeidet die eher ernsten Krankheitsbeiträge. Bei uns ist es umgekehrt. Diese unterschiedliche Erwartenshaltung des Verbrauchers liegt nicht zuletzt am point of sale. In der Apotheke erwartet man andere Medien als am Kiosk.

PZ: Könnte das Leserinteresse auch darauf begründet sein, dass es die NAI kostenlos beim Apotheker gibt?
Petersen-Lehmann: Dass die NAI vom Apotheker bezahlt wird und er sie für den Kunden kostenlos verteilt, mag eine Rolle spielen. Interessanterweise haben es reine Gesundheitstitel am Kiosk ja sehr schwer, während wir mit der NAI eine in der Branche immer wieder bewunderte Resonanz haben. Das bestätigen zum Beispiel die Telefonaktionen, bei denen die Anrufversuche bis in die Tausende pro Aktion gehen, Preisausschreiben haben Zehntausende Einsendungen zur Folge. Diese Resonanz wird auch von Selbsthilfeverbänden, deren Adressen und Serviceleistungen wir zuweilen veröffentlichen, bestätigt. Andererseits spielt, glaube ich, auch eine große Rolle, dass die Apotheke als Bezugsquelle eine größere Nähe zur Zeitschrift und erhöhte Glaubwürdigkeit herstellt.

PZ: Wie setzt sich Ihre Leserschaft zusammen?
Petersen-Lehmann:
Die höchsten Leseranteile haben wir bei jungen Müttern und Menschen zwischen 45 und 80 Jahren. Also bei denen, die Grund haben, in die Apotheke zu gehen und die sich beim Thema Gesundheit oder bei bestimmten Krankheitsthemen persönlich angesprochen fühlen.

PZ:Welche Bedeutung hat für die NAI das Medium Internet?
Petersen-Lehmann: Im Bereich der Apotheken-Kundenzeitschriften waren wir sogar die Pioniere des Internet. Unter der Adresse www.nai.de stellen wir Kurzfassungen aktueller Artikel sowie zusätzliche Serviceleistungen wie Gesundheitstests zur Verfügung. Eine weitere Internetadresse, die wir unterhalten, heißt www.gesundheitslexikon.de. Beide Angebote erfreuen sich schnell wachsender Beliebtheit. Allerdings betrachten wir dieses Medium nicht als selbstständiges Objekt und schon gar nicht als eine Alternative zum Printmedium. Wir wollen mit unseren Internet-Services vor allem Zielgruppen ansprechen, die unsere Printmedien noch nicht kennen. Damit gewinnen wir nicht nur für uns, sondern auch für die Apotheken neue Kunden.

 

Modern, sinnlich und selbstbewusst

»Wir machen unser Heft für moderne, sinnliche, selbstbewusste und vor allem kluge Frauen«, heißt es hingegen im Redaktionskonzept der Vital. Man wolle den Leserinnen gerecht werden, die ständig auf der Suche nach neuen Informationen darüber sind, wie die Lebensqualität gesteigert und Aussehen, Ausstrahlung und Wohlgefühl noch gefördert werden können. Vital setzt ihre Leserin darüber in Kenntnis, was sie für sich tun kann. Mit diesem Konzept ist das Blatt nach eigenen Angaben Deutschlands größtes Wellness-Magazin geworden.

Nach der Funktions-Analyse 2002 des Jahreszeiten-Verlags haben die Inhaltsanteile in einer durchschnittlichen Ausgabe von Vital die Themen Gesundheit und Medizin im vergangenen Jahr weiter aufgewertet. In Prozenten waren die Inhalte 2002 wie folgt gewichtet (Vergleichswert aus 2001 in Klammern): Mode: 8 (10); Kosmetik & Frisuren: 9 (12);Urlaub & Reise: 10 (8); Kochen, Essen & Trinken: 20 (17); Unterhaltung & Sonstiges: 23 (25); Gesundheit & Medizin: 31 (28).

Offensichtlich haben Überlegungen zur Aufwertung der Themen Gesundheit und Medizin die Redaktion der Freundin schon früher veranlasst, das Thema Gesundheit weitgehend aus ihrem Journal auszugliedern und monatlich als eigenständiges Magazin wellfit herauszugeben.

Uferlose Trefferquote

Die Medienlandschaft lässt sich am einfachsten in Fach- und Publikumszeitschriften aufteilen. Danach darf man zu den Fachzeitschriften rund 1520 Titel zählen, wobei medizinische und pharmazeutische Zeitschriften sowie Fachzeitschriften sowohl für das Krankenhaus- und Gesundheitswesen als auch für Labor- und Pflegepersonal dazu gehören. Bei den Tageszeitungen existieren rund 160 Titel sowie 30 Wochenzeitungen plus 20 Redaktionsgemeinschaften mit zum Teil 15 und mehr Regionalausgaben. Hinzu kommen Illustrierte und Publikums- beziehungsweise Kundenzeitschriften mit mindestens 150 Titeln. Alle Redaktionen haben zumeist qualifizierte Fachredakteure für die Ressorts Gesundheit, Medizin und Wissenschaft.

Der Vollständigkeit halber müssen hier auch Fernsehen und Hörfunk genannt werden, die sich ebenfalls in zahlreichen Sendungen und Beiträgen des Themas Gesundheit annehmen. Nicht nur wegen der jeweiligen Online-Ausgaben der Zeitungen und Zeitschriften gibt schließlich das Internet dem Thema eine neue Dimension.

Die gängigen Suchmaschinen verweisen je nach Begriff auf eine gigantische Zahl von Such-Ergebnissen. »Gesundheit«: 3.700.000, »Wellness«: 4.350.000, »Lifestyle«: 3.760.000, »Public Health« 5.460.000. Da nehmen sich die Begriffe »Prävention« mit 101.000 und »Krankheit« mit 901.000 Fundstellen geradezu bescheiden aus. Unter dem Suchbegriff »Vorsorge« landet man per Mausklick bei den Versicherungen und deren Angeboten zur Altersvorsorge. Natürlich können auch einzelne Krankheitsbilder wie Bluthochdruck (65.600), Hypertonie (45.900) oder Kopfschmerzen (179.000) angesteuert werden. Die Trefferquote zu Volkskrankheiten wie Asthma (1.090.000) oder Diabetes (5.420.000) ist uferlos.

Eine ernst zu nehmende Schwierigkeit beim Medium Internet ist die Tatsache, dass unseriöse und fachlich nicht fundierte Websites für den Laien, wenn überhaupt, nur schwer zu erkennen sind. Wünschenswert wäre sicherlich, dass der Ratschlag von Experten – hier vornehmlich von Ärzten, Apothekern, den medizinisch-wissenschaftlichen Abteilungen der Pharmaunternehmen, Verbänden und Versicherungen – besser vernetzt und genutzt wird.

 

Interview mit Dr. Mark Seidscheck Immer mehr Arzneimittel werden aus der Verschreibungspflicht entlassen und sind als OTC-Präparate erhältlich. Die Versicherten sollen immer mehr Verantwortung für sich und ihre Gesundheit übernehmen. Wo führt das hin? Fragen an Dr. Mark Seidscheck, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Arzneimittelhersteller (BAH), Bonn.

PZ: Das Gesundheitswesen wie auch die Gesellschaft an sich sind an einem enormen Entwicklungsprozess beteiligt, dessen Ziel wir zum Teil mitgestalten können. Welche Zukunft geben Sie dem Selbstmedikationsmarkt?
Seidscheck: In Anbetracht oft nicht abschätzbarer gesundheitspolitischer Maßnahmen ist eine Prognose nicht einfach. Gleichwohl sehe ich im Selbstmedikationsmarkt noch ein hohes Wachstumspotenzial, auch weil sich die Krankenkassen davon Einspareffekte versprechen und die Finanzierungsprobleme des Gesundheitswesens vermutlich so schnell nicht gelöst werden können.

PZ:Es ist vielleicht eine qualitative Nuance, ob man von Werbeausgaben oder –investitionen spricht. Werden die Arzneimittelhersteller, also Ihre Mitgliedsfirmen, weiter in die OTC-Werbung investieren?
Seidscheck: Schon Henry Ford sagte, 50 Prozent der Werbeausgaben sind vergebens – man weiß nur nie, welche Hälfte es denn nun ist. Aber Spaß beiseite: Die OTC-Hersteller werden mit Sicherheit weiter in die Werbung investieren, weil schließlich immer mehr Arzneimittel aus der Rezeptpflicht entlassen werden und überdies nicht auszuschließen ist, dass aufgrund gesetzgeberischer Maßnahmen ein Teil der Arzneimittel aus der Erstattungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung herausfällt und deswegen einige pharmazeutische Unternehmen schon jetzt vorsorglich Publikumswerbung betreiben. Der Patient wird also in immer mehr Fällen gesundheitlicher Befindlichkeitsstörungen oder leichter Erkrankungen eigenverantwortlich handeln oder handeln müssen. Wir sind der Auffassung, dass Werbung Informationen transportiert. Und die wird der mündige Bürger zunehmend brauchen und auch einfordern.

PZ: Welche Liberalisierungsmaßnahmen sind notwendig, damit Werbung das leisten kann?
Seidscheck: Die Liberalisierungsmaßnahmen sollten sich daran orientieren, ob im Heilmittelwerbegesetz enthaltene Verbraucherschutzbestimmungen noch zeitadäquat sind. So spricht zum Beispiel der Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen in seinem Gutachten "Zur Steigerung von Effizienz und Effektivität der Arzneimittelversorgung in der Gesetzlichen Krankenversicherung" ausdrücklich davon, dass angesichts des gestiegenen Informationsniveaus der Patienten, der verbesserten Beratungsmöglichkeiten und auch ausländischer Erfahrungen die Erweiterung des Spektrums für nicht verschreibungspflichtige Medikamente zumindest einer kritischen Überprüfung unterzogen werden sollte

PZ: Unabhängig von den Reformdiskussionen um das Gesundheitswesen – welche Entwicklungen und Verbesserungen brauchen wir jetzt dringend?
Seidscheck: Der BAH setzt auf eine stärkere Betonung marktwirtschaftlicher Elemente und eine Stärkung der Eigenverantwortung in der Gesundheitsversorgung. Wir halten auch deshalb privatversicherungsrechtliche Elemente wie die Möglichkeit von Wahlleistungen, Beitragsrückerstattung oder Beitragssenkungen und der prozentualen Zuzahlung bei Arzneimitteln für sinnvoll. Dies alles lässt sich aber nur mit mündigen Bürgern umsetzen, die nicht der Vollkasko-Mentalität verfallen sind – wie dies allerdings häufig irrtümlich dem Bürger von der Politik unterstellt wird. Der BAH setzt mit seiner Politik auch konsequent auf das bestehende und bewährte Vertriebssystem und damit auf die Abgabe apothekenpflichtiger Arzneimittel nur in der Apotheke und erteilt allen Bestrebungen, dieses System durch Versandhandel oder E-Commerce zu unterlaufen, eine klare Absage.

 

Regional und überregional

Das große Feld der medizinischen, pharmazeutischen und sonstigen Fachmedien mit rund 1520 Titeln ist relativ übersichtlich aufgeteilt. Bei den überregionalen Ärztezeitschriften etwa ist das Deutsche Ärzteblatt mit einer Druckauflage von 353.000 Exemplaren zweifellos der Spitzenreiter, wobei die Auflage in A und B geteilt ist: Erstere richtet sich an die niedergelassenen Ärzte, letztere an die Klinikkollegen. Auf das Deutsche Ärzteblatt für niedergelassene Ärzte folgen das Hartmannbund Magazin (43.000),Journal Med (25.300), Dr. med. Mabuse (26.000) und Medizin + Kunst (28.000). Dagegen bewegen sich die regionalen Ärzteblätter in Auflagenbereichen von 3450 (Journal der Kassenärztlichen Vereinigung Mecklenburg-Vorpommern) bis 62.000 (Bayerisches Ärzteblatt) Als wichtig für Krankenhausärzte ist nach der B-Ausgabe des Deutschen Ärzteblattes die Marburger Bund Zeitung mit einer Druckauflage von 86.350 zu nennen. Im niedergelassenen Bereich gibt es eine Fülle von Zeitschriften mit unterschiedlicher Erscheinungsweise (zweimal pro Woche bis sechsmal im Jahr), die alle mit Auflagen um 55.000 aufwarten. Branchenbekannte Titel sind Ärztliche Praxis, Forschung und Praxis, Der Hausarzt, Der Kassenarzt, Medical Tribune, Medizin auf Reisen oder Der niedergelassene Arzt.

Hervorzuheben ist die Ärzte Zeitung, die mit einer Druckauflage von 68.120 Exemplaren werktäglich, also fünfmal pro Woche, erscheint und tagesaktuelle Berichte und Kommentare aus Gesundheitspolitik, Medizin und Wirtschaft bringt. Sie hat 2002 ihr 20-jähriges Bestehen gefeiert.

Auf pharmazeutischem Gebiet sind dem Leser in erster Linie die Objekte des Govi-Verlages in Eschborn sowie die des Deutschen Apothekerverlages in Stuttgart bekannt. Die Pharmazeutische Zeitung und die Deutsche Apotheker Zeitung mit ihren jeweiligen Beilagen und Sonderveröffentlichungen wie der tagesaktuellen PZ Extra zum Deutschen Apothekertag beziehungsweise ihren Online-Angeboten sind aus dem pharmazeutischen Alltag ebenso wenig wegzudenken wie das breite Spektrum der jeweiligen Verlagsangebote, von Kundenzeitschriften bis zu Fachbüchern, die das gesamte Spektrum der pharmazeutischen Wissenschaften umfassen. 

 

»Vertrauen Sie nicht darauf, was Sie in Gesundheitsbüchern und Diätratgebern lesen. Sie könnten an einem Druckfehler sterben.«
(Mark Twain)

 

Flops und Pleiten

Trotz aller Erfolgsmeldungen und positiver Trends gibt es auch Flops und Pleiten in der Branche. Das im Prinzip vernünftige Konzept von TZ Gesundheitsmagazin – eine zweiwöchentlich erscheinende Tageszeitungs-Beilage – musste schließlich aus wirtschaftlichen Gründen aufgegeben werden.

Wer ist die Zielgruppe? Welche Botschaft, welcher Inhalt soll vermittelt werden? Welcher Stil ist angemessen? Welche Aufmachung ist geeignet? Welches Budget steht zur Verfügung? Wie zuverlässig sind die Investoren und Anzeigenkunden? Das sind Fragen, die jeder Verleger beantworten muss, wenn sein Objekt Erfolg haben soll. Denn soviel ist klar: Kein Titel überlebt ohne gesicherten Bedarf. Eine unverwechselbare Identität hilft ihm, sich im Blätterwald gegen die Konkurrenz abzuheben und im Wettbewerb zu bestehen.

Finanzierung durch Anzeigen

Die meisten Blätter finanzieren sich zu einem erheblichen Anteil über Anzeigen, wobei die Anzeigenwerbung für Arzneimittel unter einem besonderen Stern steht. Nach dem Heilmittelwerbegesetz (HWG) darf für rezeptpflichtige Arzneimittel nur innerhalb der Fachkreise geworben werden. »Fachkreise im Sinne des Gesetzes sind Angehörige der Heilberufe oder des Heilgewerbes, Einrichtungen, die der Gesundheit von Mensch oder Tier dienen, oder sonstige Personen, soweit sie mit Arzneimitteln, Verfahren, Behandlungen, Gegenständen oder anderen Mitteln erlaubterweise Handel treiben oder in Ausübung ihres Berufes anwenden«, heißt es in Paragraf 2 HWG.

Obwohl Unternehmer ihre Arbeit und Produkte in den Dienst der Kunden stellen und Missbrauch ausschließen wollen, werden ihre Werbeaussagen kontrolliert. Zum Beispiel von der freiwilligen Selbstkontrolle Integritas – Verein für lautere Heilmittelwerbung in Bonn, die im Herbst vergangenen Jahres auf ihr 40-jähriges Bestehen blicken konnte. Der Verein spürt Verstöße gegen die umfassenden gesetzlichen Wettbewerbsbestimmungen auf und bekämpft sie gegebenenfalls im Zusammenwirken mit Behörden und Gerichten.

In Kreisen der Europäischen Union wird allerdings über eine Liberalisierung der Heilmittelwerbung für rezeptpflichtige Arzneimittel nachgedacht. Dem wiedersetzen sich Kritiker, die darauf verweisen, dass es sich bei Arzneimitteln um eine Ware besonderer Art handelt. Befürworter betonen, dass nur der informierte Bürger mündig sei und Eigenverantwortung übernehmen kann. Ein rigides Werbeverbot sei ein doppelter Eingriff, der sowohl die Freiheit des Herstellers als auch die des Verbrauchers verletzt.

Hohe Investitionen

Bei nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten ist Werbung über Anzeigen erlaubt. Laut Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse 2002 bejahen 25,7 Prozent der Bevölkerung über 14 Jahre die Aussage »Wenn ich mich krank fühle, gehe ich immer zum Arzt«. 62,9 Prozent hingegen greifen der Studie zufolge zur Selbstmedikation. Unzweifelhaft dient hier die Beratung in der Apotheke dem Verbraucherschutz. 

2001 wurden Werbegelder in Höhe von insgesamt 443 Millionen Euro für rezeptfreie Arzneimittel ausgegeben, 141,4 Millionen Euro für rezeptpflichtige Arzneimittel in Fachmedien. Eine Übersicht der Gesellschaft für Pharma-Informationssysteme (GPI) zeigt, wie viel Geld seit 1998 in welchen Medien für Werbung ausgegeben wurde (Tabelle). Die Werbeinvestitionen, die hauptsächlich in Publikumszeitschriften und in TV-Werbespots fließen, sind starken Schwankungen unterlegen. So gingen  bei den Publikumszeitschriften die Werbeausgaben der Firmen nach einem kontinuierlichen Anstieg von 1998 bis 2001 im Jahr 2002 drastisch nach unten. 

 

Werbeausgaben für OTC-Arzneimittel

Medium/Jahr 1998 1999 2000 2001 2002 Tageszeitung 29.372 20.928 30.888 29.531 24.012 Publikumszeitschrift 278.447 286.643 321.019 342.518 310.136 Apothekenkundenzeitschriften 28.719 29.009 35.632 35.259 33.112 TV 710.926 685.101 694.289 685.233 749.476 Funk 15.665 19.683 11.665 12.302 16.434 Plakat 6.754 6.239 6.522 7.254 14.417

Werte in Tausend Euro
Werte 2002: Hochrechnung auf Basis Werte 3. Quartal 2002
Quelle: GPI-Werbestatistik Publikumsmedien

 

In der Fernsehwerbung hat es dagegen im Jahr 2002 einen kräftigen Sprung nach oben gegeben. Mit Gold nicht aufzuwiegen wäre der inzwischen zum Klassiker mutierte Werbespruch »Bei Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker«. Funk- und Plakatwerbung haben ebenfalls Zuwächse zu verzeichnen.

Eigenverantwortung ist mehr gefragt

Die Strukturreform des Gesundheitswesens wird den einzelnen Versicherten mehr als bisher in die Verantwortung nehmen. Aber Eigenverantwortung kann nur übernehmen, wer informiert ist. Deshalb werden auch die Redaktionen mehr als bisher über alle Themen rund um die Gesundheit und Prävention berichten. Auch die Werbeetats werden vermutlich nicht zurückgehen, sondern eher stagnieren, wenn nicht sogar noch wachsen. Denn es ist anzunehmen, dass der Bürger in einem liberalisierten Arzneimittelmarkt, wie er durch die Strukturreform angestrebt werden soll, zunehmend mit Werbung zu Arzneimitteln überflutet werden wird. Damit wird auch der Bedarf an Beratung in der Apotheke wachsen.

 

Nachschlage-Tipp Dr. Jens Kroll: Presse-Taschenbuch Gesundheit 2002/03, Hrsg. Bayer AG, 2002. 655 Seiten, 29 Euro, Kroll Verlag, Garmisch-Partenkirchen und Seefeld Obb.

 

 

Die Autorin

Gisela Stieve M.A. hat nach dem Studium der Germanistik, Geographie und Publizistik (bei Professor Dr. Dr. Elisabeth Noelle-Neumann) an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz die journalistische Laufbahn eingeschlagen. In den vergangenen 23 Jahren war sie unter anderem für den Münchner Merkur, den Hartmannbund, den Marburger Bund, die Ärzte Zeitung sowie die Deutsche Lufthansa tätig. Von 1993 bis 2000 war sie stellvertretende Chefredakteurin der Pharmazeutischen Zeitung mit den Themenschwerpunkten Gesundheits- und Sozialpolitik sowie Verbandspolitik der ABDA und anderer Verbände im Gesundheitswesen. Seit 2001 ist sie als freie Journalistin mit Standort Neustadt an der Weinstraße tätig.

 

Anschrift der Verfasserin:
Giesela Stieve
Aspenweg 17
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Giesela.Stieve@t-online.de
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