Titel
Diabetes mellitus bereitet in den meisten Fällen lange Zeit keine
Beschwerden und wird daher oft spät erkannt. In Deutschland leben circa
4,5 Millionen diagnostizierte Diabetiker, wobei die Häufigkeit im Alter
deutlich zunimmt. Wegen der gravierenden Spätfolgen eines nicht
rechtzeitig behandelten Diabetes ist die Früherkennung eine wichtige
Aufgabe. Dieses Anliegen unterstützt die aktuelle Aktion "Testen nach dem
Essen", die gemeinsam von Apothekern, dem ZDF Gesundheitsmagazin
Praxis, der AOK, der Bundesärztekammer, der Deutschen Diabetesstiftung
und der Bayer AG getragen wird .
Mit den Harnteststreifen und Informationsbroschüren sollen möglichst viele
Menschen angesprochen und zum Zuckertest angeregt werden. Die Früherkennung
unterstützt die Ziele der St. Vincente-Deklaration von 1989. Diese fordert eine
Reduktion der diabetesbedingten Erblindungen und der Dialysefälle um je ein Drittel
und der Amputationen aufgrund des diabetischen Fußes um die Hälfte. Die
Folgeerkrankungen eines Diabetes, die Mikro- und Makroangiopathien sowie die
Neuropathien, belasten die Lebensqualität des Patienten erheblich und verursachen
hohe Kosten. Sie können jedoch bei frühzeitiger Therapie und einer optimalen
Blutzuckereinstellung minimiert werden.
Apotheken haben bei der Früherkennung eines Diabetes einen besonderen
Stellenwert. Durch die hohe Kundenfrequenz und das Zusammentreffen von
Informationen, zum Beispiel aus Rezepten, Selbstmedikationseinkäufen und
Patientengesprächen, haben Apotheker die Möglichkeit, Warnsignale früh zu
erkennen, Informationen weiterzugeben, zum Arztbesuch zu raten und als Verstärker
für ärztliche Empfehlungen zu wirken. In diese Palette gehören auch
Screening-Untersuchungen, da in der Apotheke viele Menschen angesprochen
werden können. Bei der aktuellen Aktion ist zu bedenken: Aufgrund der
individuellen Nierenschwelle für Glucose bei etwa 150 mg/dl werden bei der
Harnzuckermessung nur Blutspiegel über 150 mg/dl erkannt. Damit bleibt ein
Großteil der Typ-II-Diabetiker unerkannt.
Die Apotheker können die Gelegenheit jedoch nutzen, den Kunden über die
Erkrankung und ihre Folgen zu informieren, und ihn auf die Blutzuckermessung
hinweisen - entweder beim Arzt oder in der Apotheke. Besonders empfehlenswert
ist die Blutzuckerkontrolle für Menschen mit erkennbaren Risiken wie Adipositas,
Hypertonie und Fettstoffwechselstörungen. Auch schwangere Frauen und Kinder
von Typ-II-Diabetikern haben ein erhöhtes Risiko. Bereits diagnostizierten
Diabetikern sollte der Apotheker auch eine Cholesterolmessung und einen Test auf
Mikroalbuminurie als Hinweis auf Nierenschäden empfehlen.
Beratung bei Abgabe von Harnteststreifen und der Blutzuckermessung
Die Glucosebestimmung mit den Teststreifen beruht auf der
Glucoseoxidase-Peroxidase-Reaktion. Der in der Aktion verwendete Streifen
(Clinistix ®) ermöglicht nur eine Ja-Nein-Bestimmung (ab 100 mg/dl Glucose im
Harn). Der pH-Wert des Urins stört die Messung nicht; Ascorbinsäure in extrem
hohen Konzentrationen kann die Reaktion abschwächen. Der Test soll zwei Stunden
nach einer kohlenhydratreichen Nahrung ausgeführt werden. Das Ergebnis kann 10
Sekunden nach Eintauchen des Streifens in Urin abgelesen werden.
Die Blutzuckermessung ist in Apotheken inzwischen weit verbreitet und stellt eine
wichtige Serviceleistung für den Kunden dar. Wichtig ist die garantierte Qualität der
Untersuchung, was Vorbereitung und Übung erfordert. Bei insulinpflichtigen
Diabetikern sollte der Apotheker darauf hinweisen, wie wichtig eine möglichst
physiologische Einstellung des Blutzuckerprofils langfristig ist und daß der Patient die
Blutspiegel auch selbst zu Hause kontrollieren kann. Bei der Auswahl der Geräte ist
die Handhabbarkeit durch den Patienten eines der wichtigsten Kriterien. Gerade für
ältere Leute mit Sensibilitätsstörungen in den Fingern und Augenproblemen ist eine
einfache Handhabung besonders wichtig.
Gerade für jüngere Diabetiker kann die intensivierte Insulintherapie eine Alternative
zur konventionellen Behandlung darstellen. Dabei wird ein langwirkendes
Depotinsulin als Basis gespritzt und dann entsprechend den Mahlzeiten und dem
Tagesablauf eine gezielte Menge von Normalinsulin als Bolus ergänzt. Damit kann
der geschulte Diabetiker Essenszeiten und Tagesablauf frei wählen und vermindert
zugleich die Gefahren von Hyperinsulinämie und Hypoglykämie. Folgeschäden
werden verringert.
Diabetiker früh zu erkennen, möglichst gut einzustellen und zu betreuen, sollte das
Anliegen aller Apotheker sein. Mit diesem Engagement und ihrer Teilnahme an der
aktuellen Testaktion unterstreichen sie auch die Bedeutung der Apotheke im
Gesundheitswesen.
PZ-Titelbeitrag von Karl Enk, Miltenberg


© 1997 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de