Tiere täuschen uns mit ihrem Pokerface |
Jennifer Evans |
01.07.2022 18:00 Uhr |
Graugänsen schlägt das Herz bis zum Hals, wenn sie kämpfen oder einen Kampf nur beobachten. / Foto: Adobe Stock/scaleworker
Die Liebe zur Arbeit mit fedrigen Gefährten teilt Garcia-Pelegrin unter anderem mit Andrew Gosler, Professor für Ethno-Ornithologie an der Universität Oxford. Letzterer geht sogar so weit den engen Bezug zwischen Mensch und Vogel als Teil der Menschheitsgeschichte zu bezeichnen. Belege dafür sieht er in Vogelnamen wie »Sally Wren« für eine Sperlingsart, »Polly Dishwasher« für eine Bachstelze oder »Tom-in-the-wall« für einen Zaunkönig begründet. So ist Sally etymologisch nicht nur ein Mädchenname, sondern enthält auch einen Hinweis auf den Aufenthaltsort und das Verhalten des Tieres. Der lateinische Begriff für Weidenbaum ist Salix und »sallying for« bedeutet so viel wie Insekten fangen. Der Begriff Dishwasher (Tellerwäscher) verweist auf die Nähe zum Wasser und »in-the-wall« (in der Mauer) gibt Aufschluss über den Nistplatz des Vogels.
Solche Geschichten, die auch Informationen zum kulturellen Kontext ihrer Prägung liefern, existieren natürlich nicht nur in seiner Heimat Großbritannien. Daher hat Gosler mit seinen Kollegen einen Weltatlas für Ethno-Ornithologie ins Leben gerufen, damit das Wissen um solche emotionalen Bindungen nicht verloren geht.
Während rund um die Gefühle von Wirbeltieren und deren Wechselwirkungen mit Menschen recht viele Untersuchungen existieren, stehen die Emotionen Wirbelloser erst seit einiger Zeit stärker im Fokus der Wissenschaft. Neben Schmerz empfinden Kraken nämlich zum Beispiel auch Neugier, Zuneigung oder Aufregung, wie die beiden kanadischen Forscher Professor Kristin Andrews, Philosophin an der Universität York, und Professor Frans de Waal, Verhaltensforscher an der Emory Universität, kürzlich herausgefunden haben.
Auch das Verhalten von Bienen ist durch negative oder positive Vorerfahrungen geprägt und spiegelt sich dann in ihrem Nervensystem wider. Bei Stress gehen sie im Falle einer vormals schlechten Erfahrung mit einer deutlich pessimistischeren Grundeinstellung an neue Aufgaben heran, hatten sie hingegen zuvor nur Gutes erlebt, waren sie erkundungsfreudiger.
Ob aber tatsächlich jede menschliche Emotion ihre Entsprechung im Tierreich findet, darüber streiten sich die Geister noch. Fest steht zumindest, dass sich im Laufe der Evolution die Erinnerung an einige Gefühle wie Schmerz, Reiz und Enttäuschung für Tiere als (Überlebens-)Vorteil herausstellt hat.
Für Andrews und de Waal steht außer Frage, dass wir künftig die Auswirkungen unserer Handlungen auf andere Arten bedenken müssen. Sie plädieren daher für eine Richtschnur, die einen angemessen Umgang mit der tierischen Empfindungsfähigkeit vorgibt. Und dafür sollten sich in ihren Augen Ethiker und Biologen zusammensetzen.