Thyreostatika im Vergleich |
Laura Rudolph |
18.01.2024 18:00 Uhr |
TSH-Rezeptor-Antikörper treten spezifisch bei der Autoimmunerkrankung Morbus Basedow auf. / Foto: Adobe Stock/Dr_Microbe
Morbus Basedow (M. Basedow), auch als Graves’ disease bezeichnet, ist eine Autoimmunerkrankung der Schilddrüse (SD). Autoantikörper regen die TSH-Rezeptoren der SD dazu an, die Hormone Trijodthyronin (T3) und Thyroxin (T4) unkontrolliert zu synthetisieren und freizusetzen. Gemeinsam mit der sogenannten Schilddrüsenautonomie zählt M. Basedow zu den häufigsten Ursachen für eine SD-Überfunktion.
Da T3 und T4 alle Organe und Gewebe beeinflussen, die SD-Hormonrezeptoren exprimieren, beschränken sich die Symptome des M. Basedow nicht auf die SD, sondern können den gesamten Stoffwechsel betreffen. Eine systemische Beteiligung beispielsweise der Augen, der Haut, der Knochenzellen und des Herzens ist möglich. Im fortgeschrittenen Stadium sind eine Vergrößerung der SD, ein beschleunigter Pulsschlag und aus der Augenhöhle hervortretende Augäpfel (Exophthalmus) ein charakteristisches Symptomtrio.
Die Basis der medikamentösen Behandlung bilden zunächst Thyreostatika wie Thiamazol, dessen Prodrug Carbimazol oder Propylthiouracil (PTU). Diese Arzneistoffe hemmen das Enzym Thyreoperoxidase, das an der Synthese der SD-Hormone beteiligt ist, und verringern hierdurch die zirkulierenden Konzentrationen von T3 und T4. Professor Dr. George Kahaly, Facharzt für Innere Medizin mit Schwerpunkt Endokrinologie und Stoffwechselerkrankungen an der Universitätsklinik in Mainz, verglich die pharmakologischen Eigenschaften von Thiamazol und PTU und ging dabei auch auf deren Einsatz in der Schwangerschaft ein.
Professor Dr. George Kahaly / Foto: Alois Müller
Während Thiamazol und PTU beide zu etwa 100 Prozent bioverfügbar sind, unterscheiden sie sich deutlich in ihrer Halbwertszeit (HWZ). Diese beträgt bei Thiamazol sechs bis acht Stunden, trotzdem hält die Wirkung des Arzneistoffs für etwa 24 Stunden an. Mit einer HWZ von circa 90 Minuten und einer Wirkdauer von acht bis zwölf Stunden wird PTU deutlich schneller eliminiert und ist erheblich kürzer wirksam. Unter einer Thiamazol-Therapie normalisierten sich die T3/T4-Werte nach sechs Wochen, unter einer PTU-Behandlung nach etwa zwölf Wochen, erklärte der Referent. PTU biete jedoch auch Vorteile. Beispielsweise sei dieser Arzneistoff bevorzugt einzusetzen, wenn M. Basedow-Patienten zusätzlich an einer Leberinsuffizienz leiden, da Thiamazol zu einer kumulativen Toxizität in der kranken Leber führt.
Leiden Schwangere an M. Basedow, gefährdet dies auch potenziell die Gesundheit des Ungeborenen. Die mütterlichen TSH-Rezeptor-Autoantikörper können die Plazenta passieren und bei hohen Konzentrationen zu einer sogenannten Neugeborenen-Hyperthyreose führen. Bereits im Mutterleib kann es beim Kind zu einem erhöhten Pulsschlag kommen. Nach der Geburt fallen die Babys dann durch Tachykardie, aber auch beispielsweise durch Zittrigkeit, Durchfall, Gelbsucht oder eine Gedeihstörung auf. »Erfreulicherweise haben die meisten Kinder diese Antikörper nach etwa drei bis vier Monaten abgebaut«, erläuterte der Referent.
Die mütterlichen TSH-Rezeptor-Antikörper können nach der Plazentapassage jedoch auch die Entwicklung der kindlichen SD behindern. Aus diesem Grund sei es sehr wichtig, bei Schwangeren die Level dieser Antikörper zu bestimmen, ergänzte der Endokrinologe.
Die Behandlung einer SD-Überfunktion muss in der Schwangerschaft mit großem Bedacht erfolgen. Unter einer Behandlung mit Thiamazol könne es zu einer Embryopathie mit Malformationen, tiefsitzenden Ohren und einer Hautatrophie beim Kind kommen, so Kahaly. Die Prävalenz betrage 1 zu 5000. Durch seine vergleichsweise hohe Plasmaproteinbindung (> 75 Prozent) passiert PTU die Plazentaschranke weniger leicht als Thiamazol (0 Prozent Plasmaproteinbindung). »Mit der Medikation muss man in der Schwangerschaft wirklich sehr vorsichtig sein«, betonte der Endokrinologe nachdrücklich.