»Tausende Bürger sterben unnötigerweise« |
Lukas Brockfeld |
24.05.2024 16:24 Uhr |
Gesundheitsminister Lauterbach präsentierte seine Pläne gemeinsam mit dem Präsidenten der Bundesärztekammer Klaus Reinhard (links) und Claus Bölicke (rechts,) vom Qualitätsausschuss Pflege. / Foto: Lukas Brockfeld / PZ
Hitze tötet. Allein im Jahr 2023 kamen nach Angaben des Robert-Koch-Instituts etwa 3200 Menschen durch stark erhöhte Temperaturen ums Leben. Betroffen sind vor allem Menschen, die durch Alter und Krankheit ohnehin in schlechter körperlicher Verfassung sind. Die deutsche Bevölkerung wird immer älter und die klimatischen Bedingungen verschärfen sich. In den vergangenen zehn Jahren stieg die Zahl der Hitzetage um 45 Prozent.
Im Jahr 2023 legte Minister Karl Lauterbach daher erstmals einen Hitzeschutzplan vor. Am heutigen Freitag trat er nach einem Treffen mit Vertretern aus Ländern, Kommunen, Gesundheitswesen und Wissenschaft erneut vor die Presse und sagte: »Der Klimawandel wird Hitzeschutz zu einem Dauerproblem machen. Darauf muss Deutschland systematisch vorbereitet werden. Sonst sterben in jedem Sommer tausende Bürger unnötigerweise.«
Deutschland müsse den Klimawandel nicht nur bekämpfen, sondern sich auch an die veränderten Umweltbedingungen anpassen. »Gesundheitliche Folgen haben hohe Temperaturen besonders für Ältere, Kranke und Menschen im Freien. Ihnen helfen die Handlungsempfehlungen und Informationspakete, die wir jetzt für Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen, Kommunen oder zum Beispiel die EM entwickelt haben«, erklärte der Minister. Hitzeschutz wirke nicht durch eine einzelne Maßnahme, sondern durch viele kleine Bausteine.
Das Bundesgesundheitsministerium hat daher mehrere Handlungsempfehlungen herausgegeben. Auf der Website »hitzeservice.de« werden Konzepte für die Umsetzung einer Kommunikationsstrategie und Leitfäden für die Kommunikation mit unterschiedlichen Risikogruppen bereitgestellt. An diesen können sich Politik und Verwaltung auf kommunaler Ebene orientieren.
Außerdem stellt das BMG einen Musterhitzeschutzplan für Krankenhäuser bereit, der gemeinsam mit dem Aktionsbündnis Hitzeschutz Berlin, der Deutschen Krankenhausgesellschaft und dem Deutschen Pflegerat entwickelt wurde. Der Musterplan sieht beispielsweise die Ernennung eines Hitzeschutzbeauftragten, technische Maßnahmen wie Fassadenbegrünungen sowie das verstärkte Beobachten besonders vulnerabler Patienten vor. Ein ähnlicher Plan wurde zusätzlich speziell für Pflegeeinrichtungen erarbeitet.
Claus Bölicke ist Geschäftsführender Vorstand im Verein »Qualitätsausschuss Pflege« und erklärte auf der Pressekonferenz, wie der Hitzeschutz im Alltag aussehen kann: »Man kann zum Beispiel körperliche Aktivitäten am Vormittag erledigen und das Gedächtnistraining auf den Nachmittag verschieben. Aber auch eine individuelle Risikoerfassung der Pflegebedürftigen ist sehr wichtig.« Es müsse zudem auf die in der Pflege Beschäftigten geschaut werden. Aufgrund ihres anstrengenden Arbeitsalltags könnten auch sie bei großer Hitze schnell an die Grenzen ihrer körperlichen Belastbarkeit stoßen.
Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hat zusätzlich das Infopaket »Hitzeschutz« entwickelt und verschickt dieses an alle Bürgermeisterinnen und Bürgermeister. Bei der Aufklärung der Bürger spielen die Apotheken und Arztpraxen vor Ort eine wesentliche Rolle – als erste Anlaufstellen: »Das Informationsmaterial ist da weit verbreitet und wir werden auch in diesem Sommer wieder mit Plakaten arbeiten«, sagte Lauterbach. Man habe bei der Erstellung eng mit Organisationen wie der ABDA und der Ärztekammer zusammengearbeitet.
Der Gesundheitsminister betonte auch, dass nur wenige besonders heiße Tage für einen Großteil der Hitzetoten verantwortlich seien. Für diese Tage bereite man aktuell gemeinsam mit dem Innenministerium Warnungen über SMS vor. »Auch der Deutsche Wetterdienst warnt schon und diese Warnungen werden immer besser«, freute sich Lauterbach.
Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhard, betonte auf der Pressekonferenz am Freitag, dass man auch die Menschen ansprechen müsse, die ein erhöhtes Risiko für einen Hitzetod hätten, sich dessen aber nicht bewusst seien. Er nannte als Beispiel einen 62-jährigen Mann, der an Asthma und Bluthochdruck leide. »Seine Krankheiten sind gut eingestellt und schränken ihn im Alltag überhaupt nicht ein. Er ist leistungsorientiert und sportlich. Und dann spielt er in der Mittagssonne Tennis. Es gibt leider Leute, die überschätzen sich in ihrer Vitalität und Sportlichkeit«, so Reinhard. Gerade diese Menschen müsse man für Hitze sensibilisieren.
Lauterbach sieht den im letzten Jahr vorgestellten Hitzeschutzplan bereits als Erfolg: »Wir hatten im letzten Jahr laut der Statistik des RKI 3200 Hitzetote. Im Jahr davor waren es noch 4500, also sind wir besser geworden. Wir haben dafür sehr eng mit Pflegeeinrichtungen, mit den Hausärzten und den Kommunen zusammengearbeitet. Das Thema ist in der Gesellschaft angekommen.« Doch man müsse weiter am Hitzeschutz arbeiten, auch weil die deutsche Bevölkerung aufgrund ihrer Demografie besonders vulnerabel sei. »Mehrere tausend Menschen sterben jedes Jahr an den Folgen von Hitze. Das ist etwas, woran wir uns nicht gewöhnen dürfen«, betonte der Minister.