Tätowierfarben wohl weniger gefährlich als bisher vermutet |
| Theo Dingermann |
| 06.02.2025 18:00 Uhr |
Forschende kommen zu dem Schluss, dass geringere Mengen der zur Tätowierung eingesetzten Tinten im Organismus verbleiben als bisher angenommen. / © Getty Images/Westend61/López
Hinsichtlich der wichtigen Fragen nach der Toxizität von Tätowierfarben lag der Betrachtungsschwerpunkt bisher auf den Pigmenten, also den partikulären Anteilen der Tätowierfarben. Diese Farbpigmente wandern, wenn sie nicht im Tattoo abgelegt werden, aus Tätowierungen in die Lymphknoten und können dort leicht nachgewiesen und quantifiziert werden.
Deutlich weniger ist über das toxische Potenzial der löslichen Anteile von Tätowierfarben bekannt. Diesem Aspekt haben sich Forschende des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) gewidmet, die die Ergebnisse ihrer Arbeit nun in der Fachzeitschrift »Archives of Toxicology« veröffentlicht haben.
Sie kommen zu dem Schluss, dass geringere Mengen der zur Tätowierung eingesetzten Tinten im Organismus verbleiben als bisher angenommen. In der von ihnen initiierten Studie waren 24 Probanden eingeschlossen, die mit schwarzer oder roter Tätowierfarbe tätowiert wurden. Da die meisten potenziell schädlichen Inhaltsstoffe von Tätowierfarben aufgrund ihres Gefährdungspotenzials nicht in experimentellen Expositionsstudien am Menschen verwendet werden können, versetzten die Forschenden die in der Studie eingesetzten Tätowierfarben mit Tracersubstanzen als ungefährliche Alternativen.
Konkret wurden den Tätowierfarben Kaliumiodid (4,44 mg/g), 4-Aminobenzoesäure (PABA) (30 mg/g) und 2-Phenoxyethanol (PEtOH) (5 mg/g) zugesetzt. Die Tracer und ihre Metaboliten wurden dann vor und nach dem Tätowieren in Blut, Urin (über 48 Stunden gesammelt), in den Tätowierfarben und in den Verbrauchsmaterialien quantifiziert.
Durch digitale Bildanalyse bestimmten die Forschenden die tätowierten Körperoberfläche. Darüber hinaus untersuchten sie den Hautstoffwechsel und den peroralen Metabolismus von PABA in vitro in Hautfibroblasten und Makrophagen und verglichen diesen mit in vivo ermittelten Daten.
Alle Tracer beziehungsweise ihre Metaboliten wurden im Urin gemessen. Iodid und der PABA-Metabolit 4-Acetamidobenzoesäure (ACD) wurden zudem im Plasma quantifiziert. Das Worst-Case-Szenario für die systemische Exposition gegenüber Tätowierfarben schätzten die Forschenden auf 0,31 g Tinte pro Tätowiersitzung (75. Perzentile).
Die Studienergebnisse deuten auf einen relevanten First-Pass-Effekt in der Haut hin, da sich der PABA-Metabolismus nach Tätowierung im Vergleich zur peroralen Verabreichung unterschied. Konkret führte die perorale Verabreichung von PABA zu niedrigeren ACD-Spiegeln als beim Tätowieren. Auch zeigten die In-vitro-Studien, dass Fibroblasten und Makrophagen in der Lage waren, PABA in ACD umzuwandeln.
Damit könnte die N-Acetylierung von aromatischen Aminen (PAA) durch Hautzellen ein Detoxifizierungs-Mechanismus sein, der die Toxizität dieser Verbindungen während des Tätowierens deutlich reduziert. Allerdings sollte weiter untersucht werden, inwieweit diese Biotransformation die Toxizität der PAA tatsächlich verändert.
Zudem stellten die Forschenden fest, dass eine nicht unerhebliche Menge an Tinte über die Wundheilung abtransportiert wird.
So liefert die Studie die ersten In-vivo-Humandaten zur systemischen Exposition gegenüber löslichen Inhaltsstoffen von Tätowierfarben. Die Ergebnisse deuten an, dass die tatsächliche toxische Exposition geringer sein könnte, als dies in bisherigen Schätzungen angenommen wurde. Bei der Abschwächung der Toxizität spielt der Metabolismus in der Haut wohl eine wichtige Rolle.
Die Forschenden betonen, dass auch diese Studie die toxikologische Gefährdung des Tätowierens nicht abschließend zu bewerten vermag. Sie appellieren, Expositionsbewertungen zu harmonisieren, um die mit dem Tätowieren verbundenen Risiken noch zuverlässiger bewerten zu können.