Tablette zur Akuttherapie in Aussicht |
Sven Siebenand |
15.02.2023 11:00 Uhr |
Das hereditäre Angioödem äußert sich in starken, örtlich begrenzten Schwellungen der Haut und Schleimhäute, die an verschiedenen Körperregionen auftreten können. / Foto: Adobe Stock/MQ-Illustrations
Das hereditäre Angioödem (HAE) ist eine Erberkrankung. Sie äußert sich in starken, örtlich begrenzten Schwellungen der Haut und Schleimhäute, die an verschiedenen Körperregionen auftreten können. Oft sind das Gesicht, der Magen-Darm-Trakt, die Extremitäten und das Urogenitalsystem betroffen. Bei Beteiligung der oberen Atemwege kann eine HAE-Attacke lebensgefährlich sein.
Ödemattacken können sich über mehrere Stunden entwickeln oder ganz plötzlich auftreten. Die Häufigkeit variiert ebenso stark wie die Dauer. Bei manchen Betroffenen treten sie mehrmals wöchentlich auf, bei anderen nur einmal im Jahr oder seltener.
Ursache der Erkrankung ist ein Mangel beziehungsweise eine Funktionsstörung des C1-Esterase-Inhibitors, einem wichtigen Regulator des Kallikrein-Kinin-Systems, das damit übermäßig aktiviert wird. In der Folge kommt es zu einer erhöhten Durchlässigkeit der Blutgefäßwände. Flüssigkeit wandert aus den Gefäßen ins Gewebe und es entstehen letztlich die HAE-typischen Ödeme.
»Akute HAE-Attacken sind derzeit ausschließlich durch intravenös oder subkutan verabreichte Wirkstoffe therapierbar«, erklärt Privatdozentin Dr. Emel Aygören-Pürsün vom Universitätsklinikum Frankfurt am Main in einer Pressemeldung des Krankenhauses. Eine Phase-II-Studie habe nun gezeigt, dass eine effektive orale Therapie akuter Angioödem-Attacken bei HAE möglich ist. Die Ergebnisse des Teams um Erstautorin Aygören-Pürsün sind im Fachmagazin »Lancet« aktuell publiziert worden.
In der Studie wurde der Plasma-Kallikrein-Hemmer Sebetralstat getestet. Auch der bereits auf dem Markt befindliche Antikörper Lanadelumab und das oral verfügbare Berotralstat sind gegen diese Serinprotease gerichtet. Beide Wirkstoffe sind derzeit aber nur zur Prophylaxe und nicht zur Therapie akuter Angioödem-Attacken zugelassen.
Aygören-Pürsün informiert, dass Sebetralstat in der Studie eine schnellere Linderung der Symptome im Vergleich zu Placebo erzielte, den Schweregrad der Attacken verringerte und eine signifikante Verlängerung der Zeit bis zur Anwendung einer konventionellen Behandlung bewirkte. Zudem habe sich der Wirkstoff als gut verträglich erwiesen. Basierend auf den positiven Ergebnissen der Studie wird derzeit eine Phase-III-Studie mit Sebetralstat durchgeführt, bei der die Bedarfsbehandlung mit dem Wirkstoff erneut überprüft wird.
Die Firma Kalvista testet zudem bereits eine neue Darreichungsform, eine sich im Mund auflösende Tablette. Diese könnte dann noch schneller wirken.