Substratersatztherapie im Handel |
Kerstin A. Gräfe |
02.04.2025 12:00 Uhr |
Molybdän-Cofaktor-Mangel ist eine äußerst seltene, erblich bedingte Stoffwechselstörung. Weltweit sind etwa 150 Fälle bekannt. / © Getty Images/akinbostanci
Molybdän-Cofaktor-Mangel (MoCD) ist eine äußerst seltene, erblich bedingte Stoffwechselstörung, die durch Mutationen in mehreren Genen verursacht wird. Patienten mit MoCD Typ A weisen Funktionsverlust-Mutationen im MOCS1-Gen auf, das für das Molybdän-Cofaktor-Biosyntheseprotein 1 (MOSC1) kodiert, und machen die Mehrheit der MoCD-Patienten aus.
Fehlt funktionsfähiges MOCS1, kann der Körper auch das Zwischenprodukt zyklisches Pyranopterinmonophosphat (cPMP) nicht bilden. Dadurch wiederum ist der Molybdän-Cofaktor-(MoCo-)Stoffwechselweg gehemmt, was einen Mangel an funktionsfähiger Sulfitoxidase nach sich zieht und eine Anhäufung von toxischen Sulfiten im Gehirn bedingt.
Die Krankheit tritt in der Regel bei Neugeborenen auf und äußert sich durch hartnäckige Krampfanfälle, Wachstumsstörungen und andere Symptome, die einer raschen Neurodegeneration vorausgehen.
Mit Fosdenopterin (Nulibry® 9,5 mg Pulver zur Herstellung einer Injektionslösung, TMC Pharma) ist in Deutschland erstmals eine zugelassene Behandlungsoption für MoCD verfügbar. Indiziert ist der neue Wirkstoff zur Behandlung von Patienten mit MoCD Typ A. Voraussetzung ist, dass der Patient eine bestätigte genetische Diagnose oder eine Verdachtsdiagnose von MoCD Typ A hat.
Nulibry ist eine Substratersatztherapie. Sie enthält als Wirkstoff Fosdenopterin, eine synthetische Form des cPMP. Dieses wird zunächst zu Molybdopterin und dann zum Molybdän-Cofaktor umgewandelt. Letzter wird für die Aktivierung von Molybdän-abhängigen Enzymen benötigt, darunter das Enzym Sulfitoxidase, das die Konzentration der neurotoxischen Sulfite senkt.
Das Orphan Drug wird einmal täglich intravenös verabreicht. Die empfohlene Dosis beträgt ab einem Alter von einem Jahr 0,9 mg pro kg Körpergewicht. Bei Patienten, die jünger als ein Jahr sind, wird die empfohlene Dosis basierend auf dem Gestationsalter titriert. Detaillierte Angaben zur Anfangsdosis sowie ein Titrationsplan finden sich in der Fachinformation.
Tierversuche weisen auf ein potenzielles Risiko für Phototoxizität hin. Mit Fosdenopterin behandelte Patienten oder deren Betreuungspersonen müssen darauf hingewiesen werden, dass Patienten die Exposition gegenüber direktem Sonnenlicht und künstlichem UV-Licht meiden oder minimieren und Vorsichtsmaßnahmen ergreifen müssen. Eine Vitamin-D-Supplementation kann in Betracht gezogen werden.
Nulibry wurde unter außergewöhnlichen Umständen zugelassen. Die Zulassung basiert auf einer kombinierten Analyse von 15 Patienten mit genetisch bestätigter MoCD Typ A. Sie erhielten eine Substratersatztherapie mit Nulibry und/oder einem therapeutisch gleichwertigen rcPMP. Das durchschnittliche Gestationsalter betrug 39 Wochen.
Nulibry verlängerte im Vergleich zu einer unbehandelten Kontrollgruppe mit natürlichem Krankheitsverlauf signifikant das Gesamtüberleben. Nach einem Jahr waren etwa 93 Prozent der behandelten Patienten noch am Leben, in der Kontrollgruppe waren es 75 Prozent. Zudem kam es zu einer Verbesserung der Nahrungsaufnahme ohne Hilfe, des Wachstums und der körperlichen Entwicklung. Des Weiteren erreichten die Patienten eher einen Kopfumfang, der näher an dem von Gleichaltrigen war.
Sehr häufige Nebenwirkungen des Orphan Drugs sind Komplikationen im Zusammenhang mit dem Katheter.
Die ungeöffnete Durchstechflasche ist im Gefrierschrank bei −25 °C bis −10 °C zu lagern. Nach der Rekonstitution kann die Lösung bei Raumtemperatur (15 °C bis 25 °C) oder im Kühlschrank (2 °C bis 8 °C) für bis zu vier Stunden einschließlich der Infusionszeit gelagert werden.
Bei Molybdän-Cofaktor-Mangel Typ A handelt es sich um eine seltene, genetisch bedingte Stoffwechselstörung. Betroffene erleiden schwere und rasch fortschreitende neurologische Schäden, darunter Krampfanfälle, Schwierigkeiten bei der Nahrungsaufnahme und Muskelschwäche aufgrund der Ansammlung toxischer Sulfit-Metaboliten im zentralen Nervensystem. Viele Patienten versterben in der frühen Kindheit. Vor der Zulassung von Fosdenopterin war die Therapie auf die Behandlung der Komplikationen ausgerichtet, die die Krankheit verursacht. Die Substratersatztherapie mit Fosdenopterin ist die erste zugelassene zielgerichtete Therapie zur Behandlung dieser schweren Erkrankung und damit eindeutig als Sprunginnovation zu bewerten.
In Studien hat Fosdenopterin zeigen können, dass eine Verbesserung des Überlebens mit dem Wirkstoff erzielbar ist. Zudem weisen die Daten darauf hin, dass eine frühzeitige Behandlung die Lebensqualität der Patienten verbessert und das Fortschreiten der Erkrankung verzögert. Das neue Medikament ist bisher unter außergewöhnlichen Umständen zugelassen. Der Hersteller ist aufgefordert, nun in der klinischen Praxis eine Studie durchzuführen, um die langfristige Sicherheit und Wirksamkeit des Arzneimittels genauer zu charakterisieren.
Sven Siebenand, Chefredakteur