Strukturreformen ohne Apotheken-Bezug? |
In einem ersten groben Eckpunktepapier zur Strukturreform kommen keine Änderungen im Apothekensystem vor. / Foto: IMAGO/Manfred Segerer
Schon länger kursiert in der Apothekerschaft das Wort »Strukturreform«. Viele Pharmazeuten befürchten, dass die Bundesregierung nach den Spargesetzen aus dem vergangenen Jahr (Erhöhung des Kassenabschlags) nun eine Gesetzesinitiative auf den Weg bringt, die sich auch strukturell negativ auf die Apotheken auswirken könnte. Und auch in der Standesvertretung scheint diese Sorge eine Rolle zu spielen: Erst kürzlich rief ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening – unter anderem in ihrer Weihnachtsbotschaft an die Apotheker – die Politik dazu auf, bei Plänen zu möglichen strukturellen Änderungen in der Arzneimittelversorgung die Apotheken in den Meinungsbildungsprozess miteinzubeziehen.
Nach derzeitigem Stand sind diese Sorgen allerdings unberechtigt. Denn der PZ liegen erste, grobe Pläne aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) für die Reform vor – und die Apotheken spielen darin bislang keine Rolle. Konkret will das BMG die Reform in zwei Versorgungsgesetze aufteilen. Im ersten Gesetz soll die Gesundheitsversorgung auf kommunaler Ebene im Fokus stehen, im zweiten, später folgenden Gesetz, soll der Zugang zur Versorgung adressiert werden.
Das Ministerium von Karl Lauterbach plant für beide Gesetze die Umsetzung zahlreicher Maßnahmen aus dem Koalitionsvertrag. Im ersten Vorhaben sollen insbesondere die von Lauterbach angekündigten Gesundheitskioske realisiert werden. In dem BMG-Papier heißt es dazu, dass man die »niedrigschwellige Beratung in sozial benachteiligten Regionen« damit verbessern wolle. Die Aufgaben der Kioske seien unter anderem die »Vermittlung von Leistungen der medizinischen Behandlung, Prävention und Gesundheitsförderung«, allgemeine Beratungs- und Unterstützungsleistungen sowie die Durchführung »medizinischer Routineaufgaben«.
Zudem plant das BMG in der ersten Reform die Umstellung der Gründungsvoraussetzungen für Medizinische Versorgungszentren (MVZ). Lauterbach hatte kurz vor dem Jahreswechsel bereits angekündigt, dass er im MVZ-Bereich den Einfluss externer Investoren zurückdrängen wolle. Außerdem will man die »Krankenkassenqualitätstransparenz« verbessern, also die Servicequalität der Kassen bewerten und transparent darstellen. Niedergelassene Ärzte sollen weitere »finanzielle Förderungen« für alternative Terminvermittlungsangebote erhalten – obwohl die Mediziner mit der Sparreform aus dem vergangenen Jahr erst eine neue Honorarkomponente bekommen haben für die Aufnahme neuer Patienten. Zudem ist eine Reform des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) geplant, wobei die Patientenvertreter gestärkt und die Entscheidungen beschleunigt werden sollen.
Für das darauffolgende, zweite Versorgungsgesetz ist zunächst eine Verbesserung der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung (insbesondere kürzere Wartezeiten) geplant. Auch die Bereiche der künstlichen Befruchtung und der Kryokonservierung will das BMG neu regeln und modernisieren. Für die Apotheken könnte relevant werden, dass die Bundesregierung für PKV-versicherte Kinder und Jugendliche verpflichtend die Direktabrechnung einführen will. Für die Sprachmittlung soll der Weg für digitale Anwendungen freigemacht werden. Und stationär angestellte Hebammen sollen künftig auch ambulant tätig sein können.
Natürlich sind dies nur die ersten, groben Eckpunkte des BMG für die Strukturreformen. Es ist also durchaus möglich, dass Apotheken-relevante Neuregelungen doch ihren Weg in die ersten Entwürfe finden oder im parlamentarischen Verfahren ergänzt werden. Wahrscheinlicher ist allerdings, dass die Ampel-Koalition den Apothekenmarkt separat adressiert. Denn schon im Koalitionsvertrag kündigten SPD, Grüne und FDP an, ein zweites Apothekenstärkungsgesetz auf den Weg bringen zu wollen. Darin wollen die Koalitionäre unter anderem die Pauschalen für die pharmazeutischen Dienstleistungen verbessern und einen Sicherstellungsfonds schaffen, von dem insbesondere Apotheken in ländlichen Regionen profitieren. Zudem soll in einer solchen Reform auch die Arzneimittelabgabe in Notfallzentren neu geregelt werden. Und beim Apothekenhonorar will die Ampel-Koalition »Effizienzgewinne« erzielen.
Ganz egal, ob in einer Strukturreform oder in einer eigenen Apothekenreform – ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening hatte die Forderungen der Apotheker für die kommenden Gesetzgebungsprozesse klar formuliert:
> Eine signifikante Dynamisierung des Apothekenhonorars,
> weg mit Null-Retax und Präqualifizierung,
> pharmazeutische »Beinfreiheit« aus der Corona-Pandemie erhalten, also eine Entfristung der Regelungen aus der SARS-CoV-2-Arzneimittel-Versorgungsverordnung,
> eine möglichst punktgenaue und wirksame Stärkung von Apotheken zur Sicherung der flächendeckenden Versorgung sowohl für den ländlichen Raum wie auch strukturschwache Stadtteile sowie
> eine wirksame Bekämpfung der Lieferengpässe mit Vergütung des Mehraufwands der Apotheken.