Strategie und Kandidat gegen multiresistente Keime |
Sven Siebenand |
01.11.2023 16:30 Uhr |
Um zu verhindern, dass jedes Jahr mehrere Tausend Menschen weltweit an MRSA-Infektionen sterben, werden dringend neue Wirkstoffe benötigt. / Foto: Adobe Stock/PRB ARTS
Ein Problemkeim ist Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus (MRSA). Allein auf das Konto von MRSA gehen jedes Jahr mehrere Tausend Todesfälle. Ein Forschungsteam der TUM hat einen Wirkstoff mit dem vorläufigen Namen PK150 entwickelt, gegen den Resistenzen der MRSA-Keime äußerst unwahrscheinlich seien. »Während klassische Antibiotika entweder die Zellwand oder den Stoffwechsel von Bakterien angreifen, zielen wir darauf ab, Proteintransport und Energiehaushalt der Keime nachhaltig zu schädigen, sodass sie keine Möglichkeit mehr haben, sich zu vermehren und Resistenzen auszubilden«, erklärt Dr. Stephan Sieber, Professor für Organische Chemie, in einer Pressemitteilung.
Der bei verschiedenen Krebsarten eingesetzte Multikinase-Hemmer Sorafenib hatte bei Repurposing-Untersuchungen den Weg zu PK150 gebahnt. Denn auch das Krebsmedikament ist gegen MRSA aktiv. Die Forscher haben die Substanz nach dieser Entdeckung chemisch modifiziert, um eine stärkere antibiotische Wirkung zu erreichen. So entwickelten sie PK150, das zehnmal wirksamer gegen MRSA ist als Sorafenib.
PK150 stimuliert die Ausscheidung von Proteinen in der Zellwand. Wichtige Enzyme werden aus der Zelle herausgeschleust, die Wand beginnt sich selbst zu verdauen. Gleichzeitig wird der Stoffwechsel blockiert, die Zelle kann keine Energie mehr speichern und stirbt. Mutationen mit Resistenzen gegen den Wirkstoff seien aufgrund dieser dualen Wirkweise äußerst unwahrscheinlich.
Einer älteren Pressemeldung der TUM ist ferner zu entnehmen, dass PK150 günstige pharmakologische Eigenschaften aufweist. Es ist oral bioverfügbar und im Körper über mehrere Stunden stabil. Durch die chemischen Modifikationen bindet PK150 auch nicht mehr an menschliche Kinasen, sondern wirkt sehr spezifisch gegen bakterielle Ziele.
»Als klar war, dass dieses Molekül ein erfolgversprechender Kandidat für die Entwicklung eines neuen Antibiotikums ist, waren wir uns einig, dass wir den Wirkstoff weiterentwickeln wollten«, so Sieber. PK150 eigne sich nicht nur für die Bekämpfung von Staphylococcus aureus, sondern auch für die anderer multiresistenter grampositiver Keime. Die Weiterentwicklung des neuartigen Antibiotikums hat nun ein Start-up-Unternehmen übernommen. Bis klinische Studien starten, wird aber voraussichtlich noch einiges an Forschungsarbeit zu tun sein und Zeit ins Land gehen.