Stoizismus – antike Rezepte für Krisenzeiten |
Jennifer Evans |
20.05.2024 12:00 Uhr |
In den USA nutzt der Beststellerautor Ryan Holiday die Gedanken der antiken Denker als Grundlage für seine Karriereratgeber. Er beschreibt, wie die stoischen Weisheiten dabei helfen, besser mit beruflichen Niederlagen umzugehen, sich davon zu distanzieren und daran zu wachsen.
Die Prinzipien der Philosophen halten in seinen Augen eine hervorragende Toolbox für Führungskräfte bereit, wie er gegenüber der »Wirtschaftswoche« sagte. Dazu gehören der Fokus auf das Wesentliche, eine klare Zielsetzung, viel Einfallsreichtum, aber auch Demut, Bescheidenheit, Freundlichkeit, Mut sowie die Kunst, mehr zuzuhören und weniger zu reden. Ärger, Beschwerden und Schuldzuweisungen seien dagegen destruktive Ersatzhandlungen, die Menschen bei der Arbeit nicht zusammenbringen, sondern entzweien. Die Aufmerksamkeit sollte auf dem Gemeinwohl liegen – auch, um sich selbst und andere zu verbessern.
Er berichtet ebenfalls davon, wie beliebt der Stoizismus im Silicon Valley ist. Viele Menschen in der Tech- und Geschäftswelt finden laut Holiday in der stoischen Weltsicht Stärke und Bedeutung. Die Stärke ziehen sie vor allem aus vier Tugenden: Disziplin, Mut, Gerechtigkeit und Weisheit. »Es stellt sich heraus, dass unser Leben als Menschen besser funktioniert, wenn wir den Weg dieser vier Tugenden in allem, was wir tun, befolgen«, so der Autor und Marketingstratege gegenüber der »Wirtschaftswoche«.
In der Umgangssprache ist das Wort stoisch jedoch nicht unbedingt positiv belegt. Wer stoisch ist, zeigt sich in der Regel unbeweglich, beharrlich, angstfrei und leidenschaftslos. Dabei bezeichnet das altgriechische Wort »stoa« eigentlich eine Säulenvorhalle. Weil sich in einer solchen Halle in Athen einst die Vertreter der philosophischen Schule des Stoizismus trafen, ist die Lehre also nach einen Gebäudetyp benannt.
Dass ihre Sicht auf die Welt erneut zum Trend werden würde, hätte sicher keiner der Vorväter gedacht. Ein wenig dazu beigetragen hat sicher auch eine berühmte fiktive Figur: Mr. Spock aus der Serie »Star Trek«. Dessen strikte Abneigung gegen Gefühle wird der uralten Philosophie allerdings nicht ganz gerecht. Ein Stoiker kann sich durchaus freuen. Etwa dann, wenn es ihm gelingt, seinen Tugenden zu folgen.