STIKO empfiehlt Jüngsten zum Schutz Nirsevimab |
Sven Siebenand |
27.06.2024 16:18 Uhr |
Eine RSV-Infektion kann insbesondere bei Neugeborenen und Säuglingen sowie bei älteren Menschen einen schweren Verlauf nehmen. Seit 2023 gibt es für die junge Risikogruppe einen neuen Antikörper zur passiven Immunisierung: Nirsevimab. / Foto: Adobe Stock/ forma82
Infektionen mit dem Respiratorischen Synzytialvirus (RSV) sind bei Säuglingen in Deutschland die häufigste Ursache für Krankenhauseinweisungen. Neugeborene und Säuglinge sind vor allem in den ersten sechs Lebensmonaten besonders gefährdet, schwer an RSV zu erkranken.
Zur Prävention ist seit mehr als zwei Jahrzehnten der Antikörper Palivizumab (Synagis®) im Handel. Er ist jedoch auf Hochrisikokinder beschränkt und für eine RSV-Saison sind fünf intramuskuläre Injektionen erforderlich. Nirsevimab stellt eine klassische Schrittinnovation dar. Die Halbwertszeit konnte deutlich verlängert werden, sodass eine einmalige intramuskuläre Injektion zur Überbrückung der RSV-Saison ausreicht.
Das Wirkprinzip: Nirsevimab ist ein neutralisierender Antikörper. Er bindet an das Fusionsprotein (F-Protein) auf der Oberfläche von RSV. Dadurch hemmt er den entscheidenden Membranfusionsschritt im Prozess des Viruseintritts, neutralisiert das Virus und blockiert die Zellfusion.
Zugelassen ist Beyfortus derzeit zur Prävention von RSV-Erkrankungen der unteren Atemwege bei Neugeborenen und Säuglingen während ihrer ersten RSV-Saison. Die STIKO empfiehlt nun für alle Neugeborenen und Säuglinge eine Prophylaxe mit Nirsevimab zum Schutz vor schweren Atemwegsinfektionen durch RSV. Dadurch sollen insbesondere RSV-bedingte Krankenhausaufenthalte und Todesfälle sowie stationäre und ambulante Versorgungsengpässe verhindert werden. Damit spricht die STIKO zum ersten Mal eine Prävention mit monoklonalen Antikörpern als Standardempfehlung aus.
Säuglinge, die zwischen April und September geboren sind, sollen Nirsevimab möglichst im Herbst vor Beginn ihrer ersten RSV-Saison erhalten. Neugeborene, die während der RSV-Saison geboren werden, sollen Nirsevimab möglichst rasch nach der Geburt bekommen, idealerweise bei Entlassung aus der Geburtseinrichtung. Hierzu bietet sich laut der STIKO die Vorsorgeuntersuchung U2 an, die am 3. bis 10. Lebenstag durchgeführt wird. Die RSV-Prophylaxe kann gleichzeitig mit oder in beliebigem Abstand zu den im Säuglingsalter von der STIKO empfohlenen Standardimpfungen verabreicht werden.
Die Empfehlung zur Prophylaxe mit Nirsevimab betrifft insbesondere auch Neugeborene und Säuglinge mit bekannten Risikofaktoren für eine schwere RSV-Infektion wie Frühgeburtlichkeit oder schwere Herzfehler. Für diese Risikogruppe bietet Nirsevimab eine Alternative zur bisher gängigen Immunisierung mit Palivizumab.
Neben Nirsevimab kamen im Jahr auch zwei erste RSV-Impfstoffe auf den deutschen Markt: Arexvy® und Abrysvo®. Beide sind ab einem Alter von 60 Jahren zugelassen, Abrysvo zusätzlich zur maternalen Immunisierung. Das heißt, die Schwangere wird damit geimpft, bildet Antikörper und gibt diese über die Plazenta an das ungeborene Kind weiter. In einem Presse-Briefing des Science Media Centers ging Privatdozentin Dr. Julia Tabatabai vom Universitätsklinikum Heidelberg und Mitglied der STIKO auch auf diese beiden Impfstoffe ein. Sie erklärte, dass die STIKO zum Einsatz der beiden Impfstoffe bei älteren Personen zu einem späteren Zeitpunkt gesondert Stellung nehmen wird.