Stefan Fink als Vorsitzender wiedergewählt |
Melanie Höhn |
09.11.2023 10:00 Uhr |
Stefan Fink, Vositzender des Thüringer Apothekerverbandes, kritisierte die Pläne von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), Arzneimittelabgabestellen zu etablieren. / Foto: PZ/Alois Müller
Mit fast einstimmiger Mehrheit wurde der amtierende ThAV-Vorsitzende Stefan Fink wiedergewählt und tritt damit seine fünfte Amtszeit an. Sein erster Stellvertreter bleibt Thomas Olejnik, Georg Pester hat sein neues Amt als zweiter Stellvertreter angetreten. Als Beisitzer wurden Jana Ranke, Lukas Messerschmidt, Marcus Rösing und erstmalig Anna Lihs in den Vorstand gewählt.
Nachdem die Sächsischen Verbandsmitglieder schon vergangene Woche von der angestrebten Verschmelzung der drei Verbände zu einem mitteldeutschen Verband erfuhren, wurden die Ideen unter Anwesenheit des SAV-Vorsitzenden Thomas Dittrich und des Vorsitzenden des LAV Sachsen-Anhalt Matthias Arnold gestern den Thüringer Mitgliedern vom ThAV-Vorsitzenden Stefan Fink präsentiert. Dieser betonte, dass es an der Zeit sei, sich den Gegebenheiten als Verband zu stellen. »Es liegt uns sehr am Herzen, auch in Zukunft einen Verband zu gestalten, der leistungsfähig ist«, leitete Fink das Thema ein. »Wir sind da als kleiner Verband an der Leistungsgrenze«, sagte er. Ein größerer Verband könne auf Herausforderungen agil und wirkungsstärker reagieren.
Jedes der drei mitteldeutschen Bundesländer verliere für sich Apotheken, ein Prozess, der an Dynamik zunehme. Die Mitgliederzahlen nehmen kontinuierlich ab, gleichzeitig steige die Arbeitsbelastung in den Apotheken und damit auch in den Verbänden, so Fink. Die demografische Entwicklung trage zudem zu der Arbeitsverdichtung bei. Des Weiteren werde es immer schwieriger, Ehrenamtler für die Verbandsarbeit zu gewinnen. »Wir haben eine so dünne Personalsituation in Thüringen, dass es wichtig ist, Strukturen zu haben, die sich gegenseitig stützen können«, erklärte er und erläuterte, dass es in den drei Verbänden ähnliche Strukturen sowie ein hohes synergetisches Potenzial gebe, sodass Aufgaben gebündelt, Lasten verteilt sowie Kompetenzen und Personal im gemeinschaftlichen Sinne eingesetzt werden könnten. Der Vorsitzende versicherte, dass keine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlassen werden sollen. Man wolle die Verbandsstruktur »modern und effizient« gestalten, vorrangig sollen keine finanziellen Synergieeffekte erzielt werden, sondern eine qualitative Stabilisierung und Steigerung der Mitgliederservices.
Zunächst soll es um eine Prozess- und Aufgabenanalyse auf ehren- und hauptamtlicher Ebene unter Berücksichtigung gewachsener, regionaler Strukturen gehen. Im kommenden Jahr ist geplant, ein schriftliches Prüfungsergebnis zur Vorlage und Diskussion auf den jeweiligen Mitgliederversammlungen zu erarbeiten. In den Jahren 2024 bis 2026 sollen die Beschlüsse der Mitgliederversammlungen umgesetzt und gegebenenfalls ein Fusionsprozess eingeleitet werden. Es wurde angedeutet, dass ein Mitgliederverwaltungssystem in allen drei Verbänden etabliert werden könnte. Jegliche strukturelle Veränderungen unterlägen jedoch einem Mehrheitsbeschluss der jeweiligen Mitgliederversammlungen.
Dittrich betonte, dass man »gemeinschaftlich und gleichberechtigt« in die gleiche Richtung gehen wolle, dennoch bestehe noch viel Diskussionsbedarf. »Wir stehen als gewählte Vorstände auch in der Pflicht, bestehende Strukturen zu hinterfragen«, sagte er. Als größter Verband der drei habe Sachsen keine Ambitionen, »die Kleinen zu schlucken«, wie er sagte. »Diese Furcht kann ich Ihnen nehmen«. Arnold betonte, dass es weiterhin drei Geschäftsstellen geben soll. Ziel sei nicht der Effizienzgewinn durch einen Abbau von Stellen, sondern mehr Service sowie die Bearbeitung der Themen Digitalisierung, Künstliche Intelligenz (KI) oder Gesundheitsdaten. »Es kommen ganz viele Herausforderungen auf uns zu. Wir werden uns als Apotheken wieder neu erfinden müssen, und dazu brauchen wir einen starken Verband«, so Arnold weiter.
Die Mitglieder sollen nun in einem längerfristigen Prozess über die Ideen für eine Zusammenarbeit der drei Verbände informiert werden. Sollten sich die Mitglieder für eine Verschmelzung entscheiden, würde diese nach den Regeln des Umwandlungsgesetzes erfolgen, erklärte ThAV-Geschäftsführer Alexander Schneeberg gegenüber der PZ. Im Zuge einer vollen Fusionierung in einen neuen Verband gebe es eine formale einzuhaltende Reihenfolge. So sei unter anderem ein Verschmelzungsbericht zu erstellen, ein Verschmelzungsvertrag zu schließen und es seien Verschmelzungsbeschlüsse in den jeweiligen Mitgliederversammlungen zu fassen. In den Mitgliederversammlungen brauche es dann bestimmte Quoren, die aufgrund von Satzungsvorgaben der drei Verbände mit einer Zweistufigkeit versehen sind. Wenn in der ersten Stufe nicht die benötigte Anzahl an Mitgliedern laut Satzung anwesend ist, könne kein Beschluss über eine Auflösung oder eine Fusion gefasst werden und es müsse noch einmal neu eingeladen werden. In der zweiten Stufe sei dann die Zustimmung der Mitgliederversammlung der beteiligten Verbände mit einer Mehrheit von jeweils drei Viertel der erschienenen Mitglieder maßgeblich.
»Wir haben als Zielstellung die Fusion, aber das bedeutet nicht, dass die Fusion der einzige Weg ist. Wir haben ganz bewusst offen gelassen, dass auch Kooperationsformen rechts und links davon möglich sind, zum Beispiel Kooperationsvereinbarungen«, erläuterte Schneeberg. Die Vor- und Nachteile müssten dabei gut abgewogen werden. Eine dritte Form zur Kooperation sei das Gründen von gemeinsamen Tochtergesellschaften, dies stehe aber nicht im Fokus. Bisher wurde der Ist-Zustand in den Geschäftsstellen erhoben und ein grober Plan erarbeitet, wie es funktionieren könnte, so Schneeberg. Viele Fragen seien aber noch ungeklärt. Ausgehend davon werde ein konkretes Perspektivpapier erarbeitet, das dann in die Mitgliederversammlungen gehen soll. Erst wenn diese Zustimmung erfolgt sei, könne man anfangen, rechtliche Schritte einzuleiten.
Kammerpräsident Ronald Schreiber, der ebenfalls anwesend war, betonte, dass ihm die Vielfalt der politischen Stimmen wichtig sei. Für ihn seien statt einer kompletten Fusion die Kooperationsverträge eine Lösung. Der stellvertretende Vorsitzende Thomas Olejnik erwiderte: »Wir wissen noch nicht, wo wir am Ende herauskommen werden, aber man braucht ein Ziel. Das könnte am Ende die Fusion sein. Wir begeben uns auf eine Reise und wir als Mitglieder entscheiden, was für uns der richtige Weg ist«.
Neben der möglichen Fusion kam auch die aktuelle Gesundheitspolitik bei der Versammlung zur Sprache. Stefan Fink unterstrich in seiner Rede - wie schon in der vergangenen Woche am Rande des Protests - dass die Lage dramatisch sei, weil die Zahl der Apotheken in Thüringen inzwischen auf 496 gesunken ist. Schon 2019 prognostizierte er einen weiteren Rückgang der Apotheken in dem Bundesland. »Seit 2004 sitzen wir in der Falle, dass wir trotz Inflation keine Erhöhung des Fixums bekommen. Das hat sich in den vergangenen vier Jahren extrem dynamisiert«, kritisierte er.
Die »Falle des betriebswirtschaftlichen Sinkflugs« schlage jetzt umso deutlicher zu, weil es im Gegensatz zur Ärzteschaft keine gekoppelte Dynamisierung des Fixums gebe. »Wir brauchen diese berechenbare Dynamisierungskomponente, sonst ist es für Kollegen, die noch 30 oder 40 Jahre in den Apotheken arbeiten wollen, nicht möglich, Planungssicherheit zu bekommen«, forderte der Vorsitzende.
Zudem kritisierte er die Pläne von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), Arzneimittelabgabestellen zu etablieren, ohne Rezeptur, ohne Notdienst, eventuell auch ohne BtM. »Diese Entwicklung wäre für die Versorgung der Bevölkerung fatal«, so Fink. »Und das stellt uns als Unternehmerinnen und Unternehmer eine Weichenstellung hin zu einem absolut unbeherrschbaren Versorgungsstrukturänderungsthema. Wir wissen nicht, was dabei herauskommen wird. Wir verlieren dadurch ein elementares Stück Kernkompetenz, was uns austauschbar macht. Diese Entwicklung endet mit ziemlich großer Sicherheit in der Abschaffung der Apothekenpflicht.«
Aufgrund der massiven Arbeitsverdichtung habe die Apothekerschaft zudem keinerlei Kapazitäten mehr übrig, die sinnvollen Pharmazeutischen Dienstleistungen (pDL) in großer Anzahl zu leisten. »Ja, wir wollen mehr leisten, aber nur wenn das Gesamtpaket auch leistbar ist«, erläuterte Fink. Auch das sei Impfen sei betriebswirtschaftlich keine »Sensation«, denn es könne mit diesen Leistungen nicht so viel Geld verdient werden, um sie als »des Rätsels Lösung« zu bezeichnen. Generell sei die Apothekerschaft mit ihrer Struktur und zwei Prozent Wertschöpfungsanteil an den GKV-Ausgaben »ein Schnäppchen für dieses Land, für die Politik ist es, wenn sie es will, überhaupt kein Problem, uns zu schützen. Es muss Geld ins System kommen, damit wir unserer Arbeit machen können.«
Beim Thema E-Rezept betonte er, dass es »die zwei Welten« noch länger geben werde, weil es die Praxen nicht anders machen könnten und wollten. Die Umsetzung des E-Rezeptes stelle die Apotheken und die Praxen vor die Aufgabe, bestehende Arbeitsprozesse neu zu denken. Zu erwähnen ist, dass in der Versammlung ein Mitgliedsantrag »zur Friedenspflicht für die Belieferung mit E-Rezepten« einstimmig angenommen wurde, in dem eine Probezeit beim Thema E-Rezept gefordert wurde. Eine anwesende Apothekerin berichtete, dass sie sich beim Thema E-Rezept als »Versuchskaninchen« fühle - in einem nicht ausgereiften Prozess, wie sie sagte. Dieser finde unzureichend bei den Ärzten statt, zudem gebe es Probleme bei der Software und in der Abrechnung.
Am Ende resümierte Fink: »Wir waren am 1. November mit über 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmern die größte Gruppe vor dem Landtag: Für mich ein deutliches Zeichen, dass es so schlimm um uns steht«. Die Stärke in Thüringen sei der Zusammenhalt zwischen Kammer und Verband, aber auch unter den Heilberuflerinnen und Heilberuflern im Land.