Steckbrief Trospiumchlorid |
Sven Siebenand |
22.02.2024 06:54 Uhr |
Trospiumchlorid kommt zur symptomatischen Behandlung der Dranginkontinenz und/oder bei häufigem Wasserlassen und Harndrang bei Patienten mit dem Syndrom der überaktiven Blase zum Einsatz. / Foto: Shutterstock/mi_viri
Wie wirkt Trospiumchlorid?
Trospiumchlorid ist ein quartäres Ammoniumderivat und wirkt als Parasympatholytikum. Der Wirkstoff konkurriert konzentrationsabhängig mit Acetylcholin um die Bindestelle an muscarinergen Acetylcholinrezeptoren (M-Rezeptoren). Trospiumchlorid besitzt eine hohe Affinität zu M1- und M3-Rezeptoren und eine etwas geringere Affinität zu M2-Rezeptoren. An nicotinergen Rezeptoren ist die Wirkung vernachlässigbar gering.
Das Anticholinergikum vermindert den Tonus der glatten Muskulatur im Gastrointestinal- und im Urogenitaltrakt. Darüber hinaus kann es die Bronchial-, Speichel- und Schweißsekretion ebenso wie die Akkommodationsfähigkeit der Augen hemmen. Für den pharmakotherapeutischen Einsatz spielt die Wirkung an der Harnblasenwand die entscheidende Rolle. Die Beschwerden bei überaktiver Blase und Harninkontinenz lassen sich damit lindern.
In welchen Indikationen wird Trospiumchlorid eingesetzt?
Der Wirkstoff kommt zur symptomatischen Behandlung der Dranginkontinenz und/oder bei häufigem Wasserlassen und Harndrang bei Patienten mit dem Syndrom der überaktiven Blase zum Einsatz. In der Fachinformation mancher Präparate ist der genaue Wortlaut im Abschnitt Anwendungsgebiete folgender: »Zur Behandlung der Detrusor-Instabilität oder der Detrusor-Hyperreflexie mit den Symptomen Pollakisurie, imperativem Harndrang und Dranginkontinenz.«
Welche Dosierung wird empfohlen?
Trospiumchlorid ist in verschiedenen Wirkstärken verfügbar. Typische Dosierungen sind dreimal täglich 15 mg oder zweimal täglich 20 mg Wirkstoff. Auch ein retardiertes Präparat ist im Handel. Für dieses wird eine einmalige Einnahme von 60 mg pro Tag empfohlen.
Der Wirkstoff wird überwiegend unverändert über die Nieren ausgeschieden. Die Retardformulierung wird für niereninsuffiziente Patienten nicht empfohlen. Bei den schnell freisetzenden Darreichungsformen ist die Dosierung bei starker, teilweise auch bei mäßiger Nierenfunktionsstörung zu reduzieren. Bei schwerer Leberfunktionsstörung wird das Anticholinergikum nicht empfohlen.
Wie wird Trospiumchlorid eingenommen?
Patienten wird dazu geraten, Trospiumchlorid vor einer Mahlzeit auf leeren Magen mit ausreichend Flüssigkeit einzunehmen. Für die Retardformulierung wird ein Abstand von mindestens einer Stunde vor einer Mahlzeit empfohlen.
Wann ist Trospiumchlorid kontraindiziert?
Tabu ist Trospiumchlorid bei Harnretention, schwerer chronisch-entzündlicher Darmerkrankung, toxischem Megakolon, Myasthenia gravis, Engwinkelglaukom und Tachyarrhythmie. Auch bei dialysepflichtiger Niereninsuffizienz ist es kontraindiziert. Kinder unter zwölf Jahren dürfen nicht mit dem Wirkstoff behandelt werden, die retardierte Formulierung ist nur für Erwachsene vorgesehen.
Welche Nebenwirkungen sind möglich?
Anticholinerge Nebenwirkungen sind zu beachten. Es kommt sehr häufig zu Mundtrockenheit. Häufig sind zum Beispiel Verstopfung und Dyspepsie. Auch trockene Augen treten unter Therapie gehäuft auf.
Der Wirkstoff gelangt aufgrund seiner Hydrophilie nicht ins zentrale Nervensystem, sodass zentralnervöse Nebenwirkungen nicht zu erwarten sind. Nichtsdestotrotz ist Trospiumchlorid in der Priscus-Liste 2.0 wegen seiner anticholinergen Wirkung als potenziell inadäquate Medikation im Alter (PIM) zu finden.
Welche Wechselwirkungen gilt es zu beachten?
Mögliche Wechselwirkungen sind die Verstärkung der anticholinergen Wirkung von Amantadin, trizyklischen Antidepressiva, Chinidin, Antihistaminika und Disopyramid sowie die Verstärkung der tachykarden Wirkung von β-Sympathomimetika. Auch zur Abschwächung der Wirkung von Prokinetika, etwa von Metoclopramid, kann es kommen. Zudem ist nicht auszuschließen, dass Trospiumchlorid die Resorption anderer, gleichzeitig eingenommener Arzneimittel verändert, da es die gastrointestinale Motilität und Sekretion beeinflussen kann.
Hinsichtlich der Induktion oder Hemmung von Cytochrom-P-450 Enzymen und damit dem Stoffwechsel von Wirkstoffen, die durch diese Enzyme metabolisiert werden, ist Trospiumchlorid unauffällig. Da der Arzneistoff selbst nur geringfügig metabolisiert wird und die Esterhydrolyse der einzig relevante Stoffwechselweg ist, sind metabolische Interaktionen nicht zu erwarten.
Was ist mit Trospiumchlorid in Schwangerschaft und Stillzeit?
Laut den Fachinformationen gibt es keine Hinweise aus tierexperimentellen Studien, dass Trospiumchlorid schädliche Effekte auf die Schwangerschaft, die embryonale und fetale Entwicklung, die Geburt oder die nachgeburtliche Entwicklung ausüben könnte. Dennoch wird empfohlen, den Wirkstoff in Schwangerschaft und Stillzeit nur unter strenger Indikationsstellung anzuwenden beziehungsweise dabei Vorsicht walten zu lassen, da keine Erfahrungen über die Anwendung beim Menschen während Schwangerschaft und Stillzeit vorliegen.
Und zum Schluss: Was hat Trospiumchlorid mit Schizophrenie zu tun?
Erstmal gar nichts. Allerdings gibt es eine Fixkombination aus Xanomelin und Trospiumchlorid, die bei Schizophrenie gute Studienergebnisse vorzuweisen hat. Xanomelin wirkt als Agonist im Gehirn an M1- und M4-Rezeptoren. Das führt dazu, dass sich Symptome der Schizophrenie verbessern können. Das Problem: Xanomelin wäre allein gegeben auch peripher wirksam und würde dort agonistisch an Muscarinrezeptoren wirken und Nebenwirkungen verursachen. Deshalb wurde ihm der peripher wirkende Muscarinrezeptor-Antagonist Trospiumchlorid an die Seite gestellt.
Strukturformel Trospiumchlorid / Foto: Wurglics