Steckbrief Tamoxifen |
Laura Rudolph |
21.10.2024 18:00 Uhr |
Tamoxifen ist bereits seit 1962 auf dem deutschen Markt verfügbar. Noch immer wird es sehr häufig als Therapieergänzung bei hormonrezeptorpositivem Mammakarzinom verordnet. / © Getty Images/FatCamera
Was sind die Einsatzgebiete von Tamoxifen?
Tamoxifen kommt zur adjuvanten Therapie nach der Erstbehandlung eines hormonrezeptorpositiven Brustkrebses oder zur Behandlung von dessen Metastasen zum Einsatz, sowohl bei Frauen als auch bei Männern.
Wie wirkt Tamoxifen?
Tamoxifen ist ein Prodrug, dessen aktive Form Endoxifen enzymatisch durch CYP3A4 und CYP2D6 entsteht. Endoxifen wirkt als selektiver Estrogen-Rezeptor-Modulator (SERM) abhängig vom Gewebe estrogenartig oder antiestrogen. Im Brustgewebe blockiert es die Bindung von Estrogenen an die entsprechenden Rezeptoren und hemmt dadurch die estrogengesteuerte Transkription von Genen, die für das Wachstum der Brustkrebszellen wichtig sind. Gleichzeitig kann Tamoxifen in anderen Geweben als Estrogenagonist wirken, beispielsweise im Knochen und in der Gebärmutterschleimhaut (Endometrium). Dies wirkt sich einerseits positiv auf die Knochenerhaltung aus, erhöht aber gleichzeitig das Risiko für Endometriumkrebs.
Wie wird Tamoxifen dosiert?
Tamoxifen wird in der Regel als Langzeittherapie über mindestens fünf Jahre angewendet. Die übliche Dosis beträgt 20 mg pro Tag, entweder als Einzeldosis oder aufgeteilt in zwei 10-mg-Dosen. Im fortgeschrittenen Krebsstadium oder bei Metastasen kann die Dosierung im Einzelfall auf bis zu 40 mg pro Tag erhöht werden, abhängig davon, wie gut die Patientin das Präparat verträgt. Im Alter sowie bei Nieren- oder Leberinsuffizienz ist keine Dosisanpassung nötig.
Welche pharmakogenetischen Besonderheiten sind zu beachten?
Tamoxifen wird in der Leber durch CYP3A4 zunächst zu N-Desmethyl-Tamoxifen umgewandelt, anschließend durch CYP2D6 zum aktiven Metaboliten 4-Hydroxy-N-Desmethyl-Tamoxifen (Endoxifen). Viele Frauen und Männer tragen jedoch Varianten des CYP2D6-Gens, die die Enzymaktivität beeinträchtigen. Etwa 7 Prozent der Europäer exprimieren kein funktionelles CYP2D6-Enzym (Poor Metabolizer). Die erreichten Endoxifen-Wirkspiegel sind bei ihnen infolgedessen um bis zu 75 Prozent reduziert, verglichen mit Patienten mit normaler CYP2D6-Aktivität (Extensive Metabolizer). Bei weiteren 15 Prozent ist die CYP2D6-Aktivität reduziert (Intermediate Metabolizer) und bei etwa 3 Prozent kommt es im Gegenteil zu erhöhten Endoxifen-Wirkspiegeln (Ultrarapid Metabolizer). Obwohl eine Genotypisierung vor Therapiebeginn mehr als sinnvoll erscheint, wird sie in Deutschland nicht routinemäßig durchgeführt. Cave: Auch starke CYP2D6-Inhibitoren reduzieren die Wirksamkeit von Tamoxifen (siehe Wechselwirkungen).
Welche Wechselwirkungen mit Tamoxifen müssen beachtet werden?
Starke CYP2D6-Inhibitoren sollten während einer Tamoxifen-Therapie vermieden werden, um eine ausreichende Umwandlung zum aktiven Metaboliten zu gewährleisten. Dazu zählen beispielsweise die Antidepressiva Paroxetin und Fluoxetin, das Antiarrhythmikum Chinidin sowie Cinacalcet zur Behandlung von Erkrankungen der Nebenschilddrüse. Gleiches gilt für Bupropion, das gegen Depressionen und zur Tabakentwöhnung zum Einsatz kommt. Während der Behandlung mit Tamoxifen sollten darüber hinaus keine Hormonpräparate eingenommen werden, insbesondere keine mit Estrogenen, um eine gegenseitige Wirkabschwächung zu vermeiden.
Die Kombination von Tamoxifen mit Thrombozytenaggregationshemmern oder Antikoagulanzien vom Cumarintyp kann die Blutungszeit zusätzlich verlängern; der Gerinnungsstatus sollte dann sorgfältig überwacht werden. Tamoxifen kann die Plasmakonzentration des Aromataseinhibitors Letrozol bei gleichzeitiger Anwendung um bis zu 37 Prozent verringern. Es gibt zudem Hinweise darauf, dass Tamoxifen insbesondere bei gleichzeitiger Chemotherapie das Thromboserisiko erhöht.
Welche Nebenwirkungen treten häufig auf?
Mehr als 10 Prozent der Behandelten entwickeln Magen-Darm-Beschwerden wie Erbrechen, Durchfall oder Verstopfung. Hautausschlag, Ödeme und Erschöpfung treten ebenfalls sehr häufig auf. Ein Teil der Nebenwirkungen des SERM ist auf seine antiestrogene Wirkkomponente zurückzuführen, beispielsweise Hitzewallungen oder unregelmäßige Zyklen bis hin zum Ausbleiben der Menstruation noch vor der Menopause. Auch zu vaginalen Blutungen kann es kommen. Diese sollten Patientinnen sorgfältig beobachten und mit ihrem Arzt besprechen, da sie ein Anzeichen für Endometriumkrebs sein können, der bei 0,1 Prozent bis 1 Prozent der Behandelten auftritt.
Wann ist Tamoxifen kontraindiziert?
Kinder, Schwangere und Stillende dürfen Tamoxifen-haltige Präparate nicht anwenden. Frauen im gebärfähigen Alter sollten während der Behandlung sowie neun Monate darüber hinaus hormonfrei und sicher verhüten, da Tamoxifen das Erbgut schädigt. Männer sollten für mindestens sechs Monate nach Behandlungsende keine Kinder zeugen.
Warum steht Tamoxifen auf der Dopingliste?
Tamoxifen steht auf der Verbotsliste der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) unter der Kategorie »Hormon- und Stoffwechsel-Modulatoren«. Besonders bei männlichen Bodybuildern, die Anabolika nutzen, ist das Brustkrebsmittel beliebt. Der Grund: Das Enzym Aromatase wandelt Testosteron und andere Androgene in Estrogene um, was unerwünschterweise zu einer Brustvergrößerung führen kann. Dies lässt sich mit Aromatasehemmern oder mit SERM wie Tamoxifen, die den Effekt von Estrogen im Brustgewebe reduzieren, verhindern.
Strukturformel Tamoxifen / © Wurglics