Steckbrief Prasugrel |
| Kerstin A. Gräfe |
| 12.11.2025 07:00 Uhr |
Das akute Koronarsyndrom (ACS) umfasst die unmittelbar lebensbedrohlichen Phasen der koronaren Herzkrankheit. Leitsymptom ist der akute Thoraxschmerz. / © Adobe Stock/motortion
Wie wirkt Prasugrel?
Prasugrel ist wie Clopidogrel ein Prodrug, das in der Leber über Cytochrom-P450-Enzyme in einen aktiven Metaboliten umgewandelt wird. Dieser bindet irreversibel an einen Adenosindiphosphat-(ADP-)Rezeptor der Klasse P2Y12 auf Thrombozyten und verhindert dadurch die ADP-induzierte Plättchenfibrinogenbindung sowie die Plättchen-Plättchen-Interaktion.
Die Wirkung setzt etwa 15 bis 30 Minuten nach einer oralen Dosis von Prasugrel ein und bleibt über die gesamte Lebensdauer eines Thrombozyten bestehen. Es dauert also sieben bis zehn Tage, bis die normale Thrombozytenfunktion wiederhergestellt ist, wenn Prasugrel abgesetzt wurde. Da Prasugrel anders in die Blutgerinnung eingreift als ASS, die irreversibel Cyclooxygenasen hemmt, geht man von einer synergistischen Wirkung aus.
Was ist das Einsatzgebiet von Prasugrel?
Prasugrel hemmt die Thrombozytenaktivierung und -aggregation und wird entsprechend zur Vorbeugung von atherothrombotischen Ereignissen wie Herzinfarkt und Schlaganfall eingesetzt. Indiziert ist der Wirkstoff für Patienten mit akutem Koronarsyndrom, also mit einer akuten Verengung der Herzkranzgefäße, bei denen die Gefäße mittels einer perkutanen Koronarintervention (PCI) geweitet werden sollen. Die Patienten leiden entweder an einer instabilen Angina pectoris oder haben akut einen Herzinfarkt erlitten.
Wie wird Prasugrel dosiert?
Die Therapie beginnt mit einer einmaligen Initialdosis von 60 mg Prasugrel, die nüchtern eingenommen werden sollte. Anschließend nehmen die Patienten 10 mg einmal täglich zu einer Mahlzeit oder unabhängig davon ein. Die Kombinationstherapie mit ASS (75 bis 325 mg) soll über zwölf Monate fortgesetzt werden.
Für Patienten ab 75 Jahren ist Prasugrel nicht empfohlen. Sie sind empfindlicher gegenüber Blutungen und haben eine höhere Exposition mit dem aktiven Metaboliten von Prasugrel. Sollten sie nach einer individuellen Nutzen-Risiko-Abschätzung den Wirkstoff einnehmen, beträgt die tägliche Dosis 5 mg Prasugrel. Gleiches gilt für Patienten, die weniger als 60 kg wiegen.
Wann darf Prasugrel nicht angewendet werden?
Kontraindiziert ist Prasugrel bei Patienten mit aktiver pathologischer Blutung, Schlaganfall oder transitorischer ischämischer Attacke (TIA) in der Vorgeschichte sowie bei schwerer Leberfunktionsstörung. Bei Patienten mit mittelschwerer Leberfunktionsstörung oder Nierenfunktionsstörung ist Vorsicht geboten.
Vor einer geplanten Operation sollen Patienten, die Prasugrel einnehmen, ihren Arzt oder Zahnarzt darüber informieren. Bei Bedarf wird Prasugrel spätenstens sieben Tage vor dem Eingriff abgesetzt.
Welche Nebenwirkungen sind möglich?
Zu den häufigsten unerwünschten Arzneimittelwirkungen zählen Blutungen, die teils schwerwiegend sein können. Anämie, Hautausschlag, Ekchymosen (kleine rote Flecken auf der Haut), Hämatome und Blut im Urin sind ebenfalls häufige Nebenwirkungen. Gelegentlich kann es zu schwerwiegenden Überempfindlichkeitsreaktionen einschließlich Angioödemen kommen. Diese können als Sofortreaktion sowie auch erst nach einigen Stunden oder Tagen auftreten.
Dürfen schwangere und stillende Frauen Prasugrel anwenden?
Laut Fachinformation sollte Prasugrel während einer Schwangerschaft nur eingesetzt werden, wenn der mögliche Nutzen für die Mutter das mögliche Risiko für den Fetus rechtfertigt. Frauen sollten unter der Einnahme nicht stillen.
Bei Embryotox.de, dem Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie der Berliner Charité, ist Prasugrel nicht gelistet.
Gibt es Wechselwirkungen?
Die gleichzeitige Anwendung mit Cumarin-Derivaten sollte wegen eines erhöhten Blutungsrisikos nur mit Vorsicht erfolgen. Dies gilt auch für die Langzeitanwendung mit nicht steroidalen Antirheumatika (NSAR) beziehungsweise COX-2-Hemmern.
An der Umwandlung von Prasugrel zu seinem aktiven Metaboliten sind in erster Linie die Enzyme CYP3A und CYP2B6 beteiligt. Interaktionen mit Inhibitoren oder Induktoren sowie mit Substraten dieser Enzyme wurden jedoch nicht beobachtet. Prasugrel kann somit zum Beispiel gleichzeitig mit Statinen eingenommen werden. Zudem nennt die Fachinformation explizit, dass Prasugrel zusammen mit Digoxin, Protonenpumpenhemmern und H2-Blockern sowie mit Heparin, Bivalirudin und GP IIb/IIIa-Inhibitoren eingenommen werden kann. Werden Prasugrel und Heparin gleichzeitig verabreicht, ist das Blutungsrisiko möglicherweise erhöht.
Clopidogrel, Prasugrel oder Ticagrelor?
Erst kürzlich haben die beiden großen US-Fachgesellschaften ACC (American College of Cardiology) und AHA (American Heart Association) auf mehr als 90 Seiten ihre Empfehlungen zur Behandlung des akuten Koronarsyndroms aktualisiert. Demnach sollen Patienten mit akutem Herzinfarkt nach perkutaner Koronarintervention für zwölf Monate neben ASS entweder Prasugrel oder Ticagrelor erhalten, sofern kein exzessives Blutungsrisiko vorliegt. Zwar haben beide Thrombozyten-ADP-Rezeptorantagonisten im Vergleich zu Clopidogrel eine höhere Blutungsrate, doch zeigte sich in Studien für beide Substanzen ein Nettonutzen mit einer Risikoreduktion für den kombinierten Endpunkt Tod/Myokardinfarkt und Schlaganfall von 26 Prozent für Prasugrel und einer Mortalitätsreduktion von 22 Prozent für Ticagrelor. Clopidogrel sollte bei diesen Patienten nur noch eingesetzt werden, wenn Prasugrel oder Ticagrelor kontraindiziert sind. Es ist aber weiterhin Therapie der Wahl bei PCI-Patienten mit stabiler Angina pectoris.
Strukturformel Prasugrel / © Wurglics