Steckbrief Hydromorphon |
Laura Rudolph |
29.08.2025 07:00 Uhr |
Hydromorphon wirkt etwa 7,5-mal stärker als Morphin und damit auch gegen stärkste Schmerzen. / © Getty Images/Kobus Louw
Was ist das Einsatzgebiet von Hydromorphon?
Hydromorphon ist ein halbsynthetisches Morphin-Derivat, das bei starken bis sehr starken Schmerzen zum Einsatz kommen kann, etwa nach Operationen oder bei Krebs. Das Opioid hat eine circa 7,5-fach stärkere analgetische Wirkung als Morphin und ist in Form von Retardtabletten, retardierten und unretardierten Hartkapseln sowie Injektions- und Infusionslösungen verfügbar.
Wie wirkt Hydromorphon?
Hydromorphon ist ein Agonist an µ-Opioidrezeptoren. Der Wirkstoff hemmt über verschiedene Mechanismen die Weiterleitung von Schmerzsignalen auf Rückenmarks- und Gehirnebene. Beispielsweise werden weniger exzitatorische Neurotransmitter wie Glutamat und Substanz P aus den präsynaptischen Endigungen in zum Gehirn aufsteigenden Schmerzfasern freigesetzt. Vom Gehirn Richtung Rückenmark aktiviert das Opioid absteigende, schmerzhemmende Nervenbahnen. Neben der analgetischen Wirkung hat Hydromorphon einen sedierenden und angstlösenden Effekt und stoppt Hustenreiz auf zentraler Ebene.
Wie wird Hydromorphon dosiert?
Die Dosis richtet sich nach der Arzneiform, der Schmerzintensität und dem vorherigen Opioidgebrauch des Patienten. Üblich sind für Erwachsene und Kinder ab zwölf Jahren bei unretardierten Oralia 1,3 bis 2,6 mg Hydromorphonhydrochlorid alle vier Stunden. Tabletten oder Kapseln mit verzögerter Freisetzung in der Dauertherapie werden üblicherweise mit einer Dosis von 4 mg alle zwölf Stunden oder 4 bis 8 mg alle 24 Stunden gestartet. Eine subkutane Injektion beginnt gewöhnlich mit 1,0 bis 2,0 mg Hydromorphonhydrochlorid alle drei bis vier Stunden. Bei intravenöser Gabe sind es im gleichen Zeitintervall 1,0 bis 1,5 mg. Die Injektion sollte dabei langsam über zwei bis drei Minuten erfolgen. Die Erhaltungsdosis bei parenteraler Gabe und nicht opioidgewöhnten Patienten beträgt typischerweise 0,15 bis 0,45 mg/h. Bei Erwachsenen und Kindern ab zwölf Jahren, die weniger als 50 kg wiegen, sind geringere Dosen empfohlen (Startdosis: 0,015 mg pro kg Körpergewicht (KG) alle drei bis vier Stunden, Erhaltungsdosis: 0,005 mg/kg KG/h).
Die Dosis kann in der Dauertherapie alle zwei bis drei Tage langsam erhöht werden, bis eine ausreichende Schmerzstillung erreicht ist.
Was ist beim Absetzen zu beachten?
Ein abruptes Therapieende kann zu Entzugserscheinungen führen. Um das zu vermeiden, wird empfohlen, die Hydromorphon-Dosis jeden zweiten Tag um die Hälfte zu reduzieren, bis die Einnahme beendet werden kann. Treten Entzugserscheinungen auf, sollte die Dosis etwas erhöht werden, bis sie wieder verschwinden. Danach kann die Dosis in größeren Zeitabständen gesenkt werden, alternativ ist ein Wechsel des Opioids möglich.
Welche Nebenwirkungen können auftreten?
Hydromorphon kann wie andere Opioidanalgetika Übelkeit, Erbrechen und Verstopfung auslösen, außerdem verengte Pupillen, Harnverhalt, Schwindel, Müdigkeit und Atemdepression. Weitere unerwünschte Wirkungen sind beispielsweise Bradykardie, Hypotonie, Euphorie und Halluzinationen. Hydromorphon kann abhängig machen. Gegen gängige Nebenwirkungen wie Verstopfung sollte aktiv vorgesorgt werden.
Welche Wechselwirkungen sind zu beachten?
Hydromorphon wirkt ZNS-dämpfend. Kommen weitere Arzneistoffe mit dieser Eigenschaft hinzu, addiert sich die sedierende Wirkung. Dazu zählen Tranquilizer, Anästhetika wie Barbiturate, Hypnotika und Sedativa wie Benzodiazepine, außerdem Neuroleptika, Antidepressiva und H1-Antihistaminika. Auch andere Opioide und Alkohol verstärken die zentrale Dämpfung. Die gleichzeitige Anwendung von Hydromorphon und MAO-Hemmern – auch bis 14 Tage nach Absetzen des MAO-Hemmers – ist kontraindiziert.
Welche Kontraindikationen gibt es?
Zu den absoluten Kontraindikationen zählen eine erhebliche Atemdepression, schwere chronisch obstruktive Lungenerkrankungen und schweres Bronchialasthma. Selbiges gilt für eine gleichzeitige oder weniger als 14 Tage zurückliegende MAO-Hemmer-Therapie, Cor pulmonale, akutes Abdomen, Darmverschluss und Koma. Die Liste der relativen Gegenanzeigen ist länger. Sie umfasst beispielsweise schwere Nieren- oder Leberfunktionsstörungen, Schlafapnoe, Erkrankungen, die mit verminderter Atemreserve einhergehen, Alkohol-, Drogen- und Arzneimittelmissbrauch sowie entzündliche Darmerkrankungen.
Was müssen Schwangere und Stillende beachten?
Vom Einsatz von Hydromorphon während Schwangerschaft und Geburt wird abgeraten. Der Wirkstoff kann die Kontraktilität des Uterus vermindern und Atemdepression beim Neugeborenen begünstigen. Bei längerer Anwendung während der Schwangerschaft kann das Baby mit einem Entzugssyndrom zur Welt kommen. Das Opioid geht in geringen Mengen in die Muttermilch über. Bei Embryotox, dem Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie der Berliner Charité, heißt es: »Wie alle Opioidanalgetika sollte auch Hydromorphon in der Stillzeit allenfalls kurzzeitig und bei guter Beobachtung des Säuglings angewendet werden.« Einzeldosen erforderten demnach keine Einschränkung des Stillens. Wegen des atemdepressiven Potenzials sei bei Stillkindern mit Apnoeneigung und bei Neu- und Frühgeborenen jedoch besondere Vorsicht geboten.
Wie sieht es mit der Fahrtüchtigkeit aus?
Hydromorphon kann die Verkehrstüchtigkeit und die Fähigkeit zum Bedienen von Maschinen mäßig beeinflussen, insbesondere zu Beginn der Therapie, nach einer Dosiserhöhung oder einem Wechsel des Opioids. Die Kombination mit Alkohol oder anderen ZNS-dämpfenden Substanzen erhöht die Wahrscheinlichkeit für Verkehrsuntüchtigkeit. Patienten, die stabil auf eine Dosis eingestellt sind, müssen jedoch nicht unbedingt beeinträchtigt sein und sollten sich von ihrem Arzt beraten lassen.
Strukturformel Hydromorphon / © Wurglics